VfGH B608/87

VfGHB608/8726.9.1988

Art144 Abs1 B-VG; Hausdurchsuchung in Durchführung eines fernmündlich erteilten richterlichen Befehls - auch hinsichtlich der Vorgangsweise dem Gericht zuzurechnen; Modalitäten und nähere Umstände keine vor dem VfGH selbständig bekämpfbaren Maßnahmen

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb
StGG Art9
VfGG §19 Abs3 Z2 lita
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb
StGG Art9
VfGG §19 Abs3 Z2 lita

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den VwGH wird abgewiesen.

Die Bf. sind schuldig, dem Bund, zu Handen der Finanzprokuratur, die mit S 10.000,-- bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu bezahlen.

Begründung

Begründung

1.a) Die Bf. beantragen mit ihrer auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerde die kostenpflichtige Feststellung, durch die am 9. Mai 1987 von Beamten der Bundespolizeidirektion Wien in ... Wien, ..., vorgenommene Hausdurchsuchung in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Hausrechtes verletzt worden zu sein. Hilfsweise wird die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt.

b) Der Sache nach bringen die Bf. im wesentlichen vor:

Am 9. Mai 1987 um etwa 8 Uhr hätten sich auf Grund einer kurz zuvor erstatteten Anzeige der geschiedenen Gattin des Zweitbeschwerdeführers, wonach dieser in seiner Wohnung immer Haschisch versteckt habe, drei Beamte der Bundespolizeidirektion Wien zur Wohnung der Bf. begeben. Einer der Beamten habe der Erstbeschwerdeführerin mitgeteilt, daß er von der Polizei komme und eine Durchsuchung der Wohnung vorzunehmen habe. Die Erstbeschwerdeführerin habe die in die Wohnung eingedrungenen Beamten um Vorweisung eines schriftlichen Hausdurchsuchungsbefehls sowie um Bekanntgabe des Grundes für die Hausdurchsuchung ersucht. Daraufhin sei ihr lediglich mitgeteilt worden, daß kein schriftlicher, sondern nur ein mündlicher Hausdurchsuchungsbefehl vorliege; ein Grund für die Hausdurchsuchung sei nicht angegeben worden. Der inzwischen hinzugekommene Zweitbeschwerdeführer habe auf seine Frage nach dem Grund der Hausdurchsuchung eine ähnliche Antwort erhalten. Dem anschließend wiederholt vorgebrachten Ersuchen der Bf., einen Hausdurchsuchungsbefehl vorzuweisen, den Grund für die Hausdurchsuchung bekanntzugeben und dieser Zeugen zuzuziehen, sei nicht entsprochen worden. Es sei deshalb zwischen den Bf. und den Beamten zu einem erregten Wortwechsel gekommen und die Bf. seien in der Folge wegen Verdachtes einer Übertretung nach §§15, 269 StGB festgenommen worden. Der Erstbeschwerdeführerin sei erst nach ihrer Einvernahme um etwa 18 Uhr der Grund für die Vornahme der Hausdurchsuchung bekanntgegeben worden. Auch dem Zweitbeschwerdeführer sei dieser Grund erst anläßlich seiner Vernehmung gegen Abend mitgeteilt worden.

c) Die Bf. räumen zwar ein, daß die Hausdurchsuchung im Auftrag des zuständigen Gerichtes durchgeführt worden sei, sie erachten die Beschwerde an den VfGH jedoch deshalb für zulässig, weil die einschreitenden Beamten bei Durchführung der Hausdurchsuchung die hiefür maßgebenden Rechtsvorschriften verletzt hätten, ihre Handlungen daher insoweit der Verwaltungsbehörde zuzurechnen seien. Solche Rechtsverletzungen erblicken die Beschwerdefüher darin, daß die Beamten es entgegen der Vorschrift des §140 Abs1 StPO unterlassen hätten, die Bf. vor der Vornahme der Hausdurchsuchung zu vernehmen, daß sie es ferner unterlassen hätten, den Bf. den Grund für die Vornahme der Hausdurchsuchung bekanntzugeben, und daß sie es schließlich entgegen der Vorschrift des §142 Abs3 StPO trotz wiederholten diesbezüglichen Ersuchens der Bf. unterlassen hätten, der Hausdurchsuchung Zeugen beizuziehen.

2.a) Die Bundespolizeidirektion Wien als bel. Beh. legte eine Kopie des Verwaltungsaktes vor und erstattete, vertreten durch die Finanzprokuratur, eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Zurückweisung der Beschwerde beantragte.

b) In rechtlicher Hinsicht wird den Beschwerdeausführungen der Sache nach entgegengehalten, im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichthofes könne eine durch richterlichen Befehl veranlaßte Amtshandlung der Sicherheitsbehörde nur in jenem Umfang als Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt angesehen werden, in dem sie von diesem Befehl nicht mehr gedeckt ist. Die Information der von einer Hausdurchsuchung Betroffenen sowie die Beiziehung von Zeugen zu einer Hausdurchsuchung stehe nicht unter grundrechtlichem Schutz, weshalb es in diesen Punkten auch nicht zu einem von der Verwaltungsbehörde zu vertretenden Exzeß kommen könne. Es liege daher im gegebenen Fall keine von Art144 Abs1 B-VG erfaßte Amtshandlung vor; diese sei vielmehr zur Gänze dem Landesgericht für Strafsachen Wien zuzurechnen.

II. Der VfGH hat über die Zulässigkeit der Beschwerde erwogen:

1. Auf Grund des Inhaltes der Beschwerde und der Äußerungen der Bf. vom 3. 2. 1988 und vom 6. 4. 1988, der Gegenschrift und der Äußerungen der bel. Beh. vom 17. 2. 1988 und vom 20. 4. 1988, des Inhaltes des Verwaltungsaktes der Bundespolizeidirektion Wien und des Aktes des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, ferner aufgrund des Urteiles des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 22. 10. 1987 und des Oberlandesgerichtes Wien vom 8. 2. 1988, erachtet der VfGH folgenden für die Beurteilung der Beschwerde wesentlichen Sachverhalt als erwiesen:

Am 9. Mai 1987 erstattete S K, geschiedene Ehegattin des Zweitbeschwerdeführers, beim Bundespolizeikommissariat J in Wien die Anzeige, daß der Zweitbeschwerdeführer in seiner Wohnung immer Haschisch versteckt habe. Der die Anzeige aufnehmende Beamte, BezInsp. H, informierte hievon telephonisch den Journaldienst versehenden Beamten Dr. Z und erhielt von diesem um 8 Uhr 20 die telephonische Mitteilung, daß der Journalrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien Mag. E auf Antrag des Journalstaatsanwaltes Dr. F mündlich einen Hausdurchsuchungsbefehl für die Wohnung ... Wien, ..., erteilt habe. Gegen 9 Uhr begaben sich die Kriminalbeamten BezInsp. H und BezInsp. W gemeinsam mit dem Diensthundeführer RevInsp. A zur Wohnung der Bf. Nachdem auf ihr Läuten die Erstbeschwerdeführerin die Wohnungstüre geöffnet hatte, wies sich BezInsp. H mit der Dienstkokarde aus und erklärte, daß die Beamten auf Grund eines richterlichen Befehls eine Durchsuchung der Wohnung vorzunehmen hätten. Die Frage der Erstbeschwerdeführerin, ob die Beamten einen schriftlichen Hausdurchsuchungsbefehl vorweisen könnten, wurde mit dem Hinweis verneint, der Hausdurchsuchungsbefehl sei fernmündlich erlassen worden und stehe in schriftlicher Form nicht zur Verfügung. Die Erstbeschwerdeführerin verständigte daraufhin durch Zuruf ihren im Schlafzimmer befindlichen Ehegatten und fragte sodann die einschreitenden Beamten nach dem Grund der Hausdurchsuchung. Während die Bekanntgabe des Grundes abgelehnt wurde, erschien der Zweitbeschwerdeführer und forderte die Beamten zum unverzüglichen Verlassen der Wohnung auf. Die Bf. forderten, der Hausdurchsuchung Zeugen beizuziehen und begannen alsbald mit den Beamten zu schreien und diese zu beschimpfen, sodaß schließlich wegen des Verdachtes der Übertretung nach ArtIX Abs1 Z2 EGVG 1950 gemäß §35 litc VStG 1950 ihre Festnahme ausgesprochen wurde. Während sich der Zweitbeschwerdeführer zunächst seiner Festnahme passiv widersetzt hatte, widersetzten sich in der Folge beide Bf. gewaltsam ihrer Festnahme, sodaß diese erst mit Unterstützung der Besatzungen von insgesamt vier Funkwägen durchgeführt werden konnte. Die Hausdurchsuchung wurde daraufhin zwischen 9 Uhr 30 und 12 Uhr durchgeführt. Die Bf. wurden mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 22. 10. 1987 wegen des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den §§15, 269 Abs1 erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Der Berufung der Bf. gegen dieses Urteil wurde mit Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 8. 2. 1988 nicht Folge gegeben.

2.a) Eine Hausdurchsuchung auf Grund eines richterlichen Befehls, ist als Akt der Gerichtsbarkeit nicht vor dem VfGH bekämpfbar.

Im vorliegenden Fall wurde die Hausdurchsuchung auf Grund eines fernmündlich erteilten Befehls des Journalrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vorgenommen. Dieser Befehl wurde dem die Hausdurchsuchung gemeinsam mit zwei weiteren Beamten durchführenden Kriminalbeamten, BezInsp. H, am 9. Mai 1987 um 8 Uhr 20 durch den Journaldienst versehenden Beamten Dr. Z zur Kenntnis gebracht.

Der VfGH geht entgegen den Behauptungen der Bf., wonach die Hausdurchsuchung bereits um 8 Uhr begonnen habe, in Übereinstimmung mit den Feststellungen im Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 22. 10. 1987 - die nach den Ausführungen im Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 8. 2. 1988 in einem mängelfreien Verfahren getroffen wurden davon aus, daß mit der Hausdurchsuchung erst um 9 Uhr begonnen wurde, mithin zu einem Zeitpunkt, als der (mündlich erteilte) richterliche Hausdurchsuchungsbefehl bereits vorlag. Der VfGH folgt dabei insbesondere den Zeitangaben im Akt der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat J, an deren Richtigkeit zu zweifeln kein Anlaß besteht. Sie werden durch die von der Bundespolizeidirektion Wien auf Aufforderung des VfGH vorgelegten Einsatzzettel der Funkstelle des Informationsdienstes gestützt, aus denen ersichtlich ist, daß der Einsatzauftrag an den Diensthundeführer RevInsp. A (Funkwagen "Tasso 5") um 8 Uhr 31 erging, der Einsatzauftrag an die zur Unterstützung der die Hausdurchsuchung vornehmenden Beamten angeforderten Funkwägen um 9 Uhr 05 bzw. um 9 Uhr 09.

Daß der richterliche Hausdurchsuchungsbefehl bloß fernmündlich erteilt worden und während der Vornahme der Hausdurchsuchung noch nicht schriftlich ausgefertigt war, ändert nichts daran, daß die Hausdurchsuchung auf Grund eines richterlichen Befehls vorgenommen wurde (siehe zB VfSlg. 9269/1981, 10669/1985; B775/84 vom 1. 12. 1986; vgl. dazu etwa auch VfSlg. 8248/1978, wonach selbst die Unterlassung der Ausstellung eines schriftlichen richterlichen Hausdurchsuchungsbefehls nicht der Verwaltungsbehörde, sondern dem Gericht anzulasten wäre). Die Hausdurchsuchung ist mithin dem auftraggebenden Gericht zuzurechnen.

b) Selbst wenn bei Durchführung der gerichtlichen Anordnung eine Gesetzwidrigkeit unterläuft, bleibt die Hausdurchsuchung gleichwohl der Akt eines Gerichtes und deshalb der Überprüfung durch den VfGH entzogen (vgl. zB VfSlg. 10290/1984, B731/85 vom 28. 11. 1986).

Die - von den Bf. gerügten - Modalitäten und die näheren Umstände, unter denen die Hausdurchsuchung erfolgte, sind keine vor dem VfGH selbständig bekämpfbaren Maßnahmen (VfGH B731/85 vom 28. 11. 1986). Bei einer aufgrund eines richterlichen Befehls durchgeführten Hausdurchsuchung ist auch die Vorgangsweise bezüglich des Hausdurchsuchungsbefehls dem Gericht zuzurechnen und vom VfGH nicht überprüfbar (VfSlg. 7203/1973).

Daß die (Verwaltungs-)Organe bei Durchführung des richterlichen Befehls ihre Ermächtigung überschritten hätten (was die Möglichkeit einer auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde gegen die Amtshandlung der Verwaltungsbehörde eröffnen würde, siehe etwa VfSlg. 5012/1965, 9585/1982; vgl. etwa auch VfSlg. 6829/1972) wird von den Bf. nicht behauptet. Es gibt auch sonst keinerlei Hinweis darauf.

3. Da die Hausdurchsuchung dem auftraggebenden Gericht zuzurechnen ist (vgl. zB VfSlg. 6815/1972, 7203/1973, 10669/1985) und gerichtliche Akte der Anfechtung vor dem VfGH nicht unterliegen, mußte die Beschwerde wegen Nichtzuständigkeit des VfGH zurückgewiesen werden.

4. Da die Nichtzuständigkeit des VfGH offenbar ist, konnte dies gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG in

nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

5. Der Eventualantrag auf Abtretung der Beschwerde an den VwGH war abzuweisen, weil eine solche Abtretung nur im hier nicht gegebenen - Fall einer abweisenden Sachentscheidung oder einer Ablehnung der Behandlung einer Beschwerde durch den VfGH in Betracht kommt.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG.

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