VfGH B600/78

VfGHB600/7823.11.1984

WRG; Einräumung der Dienstbarkeit einer Wasserleitung über Grundstücke der Bf. unter Berufung auf §63 litb; als Enteignung zu werten; keine Verletzung im Eigentumsrecht

Normen

StGG Art5
WRG 1959 §63 litb
StGG Art5
WRG 1959 §63 litb

 

Spruch:

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Bezirkshauptmannschaft Kufstein erteilte den Beteiligten F und A K, die in K einen Gastgewerbebetrieb führen, mit Bescheid vom 17. April 1978 die wasserrechtliche Genehmigung einer ihrem Betrieb dienenden Wasserversorgungsanlage und räumte ihnen Dienstbarkeiten zur Verlegung einer unterirdischen Wasserleitung auf drei im Eigentum der Bf. stehenden Grundstücken ein. Dagegen erhob die Bf. Berufung, welcher der Landeshauptmann von Tir. mit Bescheid vom 9. September 1978 keine Folge gab. Die Berufungsbehörde, welche das Ermittlungsverfahren durch eine Verhandlung an Ort und Stelle sowie die Einholung von Sachverständigengutachten ergänzte, begründete ihre Entscheidung nach der zusammenfassenden Darstellung des Verwaltungsgeschehens erster Instanz sowie der Wiedergabe der Sachverständigengutachten im wesentlichen folgendermaßen:

Von einer Beeinträchtigung öffentlicher Interessen iS des §105 WRG könne schon deswegen nicht gesprochen werden, weil nach dem unwidersprochen gebliebenen Gutachten des Amtssachverständigen für Wasserkraftanlagen der Entzug eines 1/15 des Betriebswassers für die vorhandene Kleinanlage der Bf. nur eine kaum meßbare Leistungsminderung erbringen könne, ganz abgesehen davon, daß der Schutz von Kleinstkraftanlagen in dieser Gesetzesbestimmung gar nicht aufgezählt sei. Unbestritten sei, daß durch die Trinkwasserversorgungsanlage in die Rechte der Bf. als Grundeigentümerin eingegriffen werde. Die Wasseranlage hätte sohin nicht bewilligt werden dürfen, wenn nicht die entgegenstehenden privaten Rechte durch Zwangsrechte iS der §§60 ff WRG beseitigt hätten werden können. Für die Einräumung der beantragten Zwangsdienstbarkeiten seien aber alle Voraussetzungen vorgelegen. Grundsätzlich seien Zwangsrechte gemäß §60 Abs2 WRG nur gegen angemessene Entschädigung und dann zulässig, wenn eine gütliche Übereinkunft zwischen den Beteiligten nicht erzielt werden könne. Eine solche Übereinkunft sei tatsächlich nicht erzielt worden, eine angemessene Entschädigung sei nach dem im Verfahren ebenfalls nicht bekämpften Gutachten des landwirtschaftlichen Sachverständigen zugesprochen worden. Die Versorgung der Gäste eines behördlich konzessionierten Gastgewerbebetriebes mit einwandfreiem Trinkwasser liege im allgemeinen Interesse und stelle nicht - wie die Bf. vermeine - ein Privatinteresse der Wirtsleute dar. Die Berufungsausführungen, daß den Enteignungswerbern eine eigene einwandfreie Quelle zur Verfügung stehe, hätte sich als unrichtig erwiesen.

2. Gegen den Berufungsbescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Bf. eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums geltend macht und die Bescheidaufhebung begehrt.

II. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:

1. Der Landeshauptmann erteilte mit seinem im Instanzenzug erlassenen Bescheid die wasserrechtliche Genehmigung der Wasserversorgungsanlage und räumte die näher umschriebene Dienstbarkeit der Wasserleitung über Grundstücke der Bf. unter Berufung auf §63 litb WRG ein. Diese Bestimmung besagt (soweit sie hier in Betracht zu ziehen ist), daß die Wasserrechtsbehörde, um die nutzbringende Verwendung der Gewässer zu fördern, in dem Maße als erforderlich für Wasseranlagen, deren Errichtung oder Erhaltung im Vergleiche zu den Nachteilen der Zwangsrechte überwiegende Vorteile im allgemeinen Interesse erwarten läßt, die notwendigen Dienstbarkeiten einräumen kann, damit Wasser zugeleitet, die genehmigte Anlage mit den zu ihr gehörigen Werken und Vorrichtungen hergestellt und betrieben werden kann.

Die Bf. kritisiert den Bescheid aus dem Blickwinkel der (als Enteignung zu wertenden - vgl. zur zwangsweisen Begründung von Grunddienstbarkeiten zB VfSlg. 7145/1973, S 129) Einräumung der Zwangsrechte und sieht darob das ihr verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums als verletzt an. Ihr Vorwurf ist aber nicht gerechtfertigt.

2. Eine Verletzung des geltend gemachten Rechtes könnte bei der aus der Sicht dieses Beschwerdefalles gegebenen verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften nur durch eine denkunmögliche Anwendung der Rechtsgrundlagen bei der Bescheiderlassung erfolgt sein. Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH ist eine Enteignung nur dann verfassungsrechtlich erlaubt, wenn und soweit es notwendig ist, Privatrechte zu entziehen, um einem Gebot des allgemeinen Besten zu entsprechen. Es muß demnach ein konkreter Bedarf vorliegen, dessen Deckung im öffentlichen Interesse liegt, es muß weiter das Objekt der Enteignung überhaupt geeignet sein, diesen Bedarf unmittelbar zu decken, und es muß schließlich unmöglich sein, den Bedarf anders als durch Enteignung zu decken (VfSlg. 8822/1980 mit Bezugnahme auf VfSlg. 3666/1959 und die dort zitierte Vorjudikatur).

Betrachtet man die Anwendung des §63 litb WRG durch die bel. Beh. aus diesem Blickwinkel, so ist ihr, wie die folgenden Ausführungen zeigen, ein in die Verfassungssphäre reichender Fehler nicht anzulasten.

a) Die Bf. weist darauf hin, daß den Beteiligten kraft des zwischen ihnen und der Bf. geschlossenen Vertrages eine andere Quelle, nämlich die Quelle auf dem Grundstück ... KG Kirchbichl, zur Verfügung stehe, und will daraus ableiten, daß ein "allgemeines Interesse" iS des §63 litb WRG nicht gegeben sei. Damit bestreitet sie aber der Sache nach die Annahme der Behörde, daß es unmöglich sei, den Bedarf anders als durch Enteignung zu decken.

Dieser Argumentation hielt der Landeshauptmann zutreffend entgegen, daß den Beteiligten aufgrund des erwähnten Vertrages bloß das Recht zusteht, das für den eigenen Hausgebrauch notwendige Wasser abzuleiten, sowie daß die Bf. in der Verhandlung vor der Berufungsbehörde ausdrücklich erklärte, sie gebe zur Fassung und Ableitung der Quelle zwecks Versorgung des Gastgewerbebetriebs keine Zustimmung, sondern nur zum Bezug für den Hausbedarf. Weshalb bei dieser Situation dennoch angenommen werden sollte, daß eine Nutzung der Quelle auf der Grundparzelle ... den Bedarf für den Gastgewerbebetrieb deckt, ist unerfindlich.

b) Dem sachlichen Gehalt des weiteren Beschwerdevorbringens nach verneint die Bf. auch das öffentliche Interesse an der Deckung eines konkreten Bedarfs, indem sie auf andere (ihrer Auffassung nach in die gemäß §63 litb WRG vorzunehmende Interessensabwägung einzubeziehende) Interessen hinweist.

Sie behauptet zunächst, daß ihr das Befahren der für landwirtschaftliche Zwecke erforderlichen Wegparzellen (über welche die Wasserleitung führt) in den letzten Jahren infolge des ohne Genehmigung durchgeführten Wasserleitungsbaus nicht möglich gewesen sei. Hiezu genügt jedoch der Hinweis, daß dieses kritisierte Verhalten der Beteiligten - wie die Bf. im Ergebnis selbst deutlich hervorhebt - zeitlich vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides liegt.

Weiters behauptet die Bf. eine Beeinträchtigung ihrer eben erwähnten Interessen im Fall von Erhaltungsarbeiten an der Wasserleitung sowie eine Interessenbeeinträchtigung dadurch, daß infolge der verminderten Wasserzufuhr zu ihrem Kleinkraftwerk die Stromausbeute geringer sei. Beide Interessenpositionen fallen hier jedoch - wie die bel. Beh. richtig erkennt - praktisch überhaupt nicht ins Gewicht, weil es sich im einen Fall nur um eine kurzfristige Nichtbenützbarkeit eines Weges und im anderen Fall (wie aus dem eingeholten Sachverständigengutachten hervorgeht) um eine kaum meßbare Leistungsminderung einer lediglich 2,2 kW liefernden Anlage handelt.

3. Die Bf. bemängelt schließlich auch die Höhe der ihr zugesprochenen Entschädigung, ohne dies jedoch näher zu konkretisieren und sich mit dem darüber im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten auseinanderzusetzen.

Hiezu genügt anzumerken, daß damit eine denkunmögliche Gesetzeshandhabung nicht dargetan wird.

4. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß im Beschwerdeverfahren weder eine Verletzung des geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums noch die eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes hervorkam. Da auch jeglicher Anhaltspunkt dafür fehlt, daß die bel. Beh. eine rechtswidrige generelle Norm angewendet hätte, war die Beschwerde abzuweisen.

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