Normen
MRK Art6
Tir GVG 1970 §1 Abs1 Z2 idF LGBl 6/1974
Tir GVG 1970 §1 Abs2 idF LGBl 6/1974
Tir GVG 1970 §3 Abs1 litf idF LGBl 6/1974
Tir GVG 1970 §3 Abs1 lith idF LGBl 6/1974
MRK Art6
Tir GVG 1970 §1 Abs1 Z2 idF LGBl 6/1974
Tir GVG 1970 §1 Abs2 idF LGBl 6/1974
Tir GVG 1970 §3 Abs1 litf idF LGBl 6/1974
Tir GVG 1970 §3 Abs1 lith idF LGBl 6/1974
Spruch:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Nach dem Tir. Grundverkehrsgesetz 1970, LGBl. 4/1971, bedürfen alle nicht unter die Z1 des §1 Abs1 fallenden (also alle nicht land- und forstwirtschaftlichen) Grundstücke bei Rechtserwerb durch natürliche Personen, die die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen, mit Ausnahmen, die in §3 Abs2 umschrieben sind, bei Vorliegen der in §3 Abs1 genannten Voraussetzungen der Genehmigung der Grundverkehrsbehörde. Genehmigungspflichtig ist nach §3 Abs1 lita leg. cit. jeder originäre und derivative Eigentumserwerb durch Ausländer.
1.2. Gemäß ArtI Punkt 1 des Gesetzes vom 28. November 1973, LGBl. 6/1974, wurde das Grundverkehrsgesetz 1970 insbesondere im §3 Abs1 geändert; diese Bestimmungen lauten - auszugsweise wiedergegeben - wie folgt:
§3 Abs1 GVG:
"Der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde bedarf, soweit im Abs2 nichts anderes bestimmt ist,
a) jeder originäre oder derivative Eigentumserwerb;
..."
ArtI Punkt 1. der Nov.:
"Im Abs1 des §3 haben die litd bis f zu lauten:
...
f) die Bestandgabe von Grundstücken an Bestandnehmer, die dem Personenkreis nach §1 Abs1 Z2 angehören, sofern die Bestandgabe grundbücherlich eingetragen werden soll;
...
h) jede Art der Begründung von Pfandrechten an Grundstücken zugunsten von Personen, die dem Personenkreis nach §1 Abs1 Z2 angehören, soweit das Pfandrecht der Besicherung einer Forderung im Zusammenhang mit einem Rechtserwerb dient, der nach diesem Gesetz der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde bedarf;"
Nach ArtII Abs1 trat diese Gesetzesänderung mit 1. Jänner 1974 in Kraft; nach Abs2 wurde weiters verfügt, daß die Bestimmungen der Nov. 1974 auf Rechtserwerbe nach der geänderten Fassung der Tatbestände gemäß §3 Abs1 litf und h keine Anwendung finden, wenn über diesen Rechtserwerb bereits vor dem 1. Jänner 1974 eine verbücherungsfähige Urkunde oder ein Notariatsakt errichtet wurde.
2. Am 2. Juni 1972 schloß die W-GesmbH Hall mit den deutschen
Staatsangehörigen H P und W P auf die Dauer von 99 Jahren einen
Mietvertrag ab, dessen Gegenstand ... Anteile der Liegenschaft EZ ...
II, KG Vill, samt der damit untrennbar verbundenen Eigentumswohnung
Top ... und ... Anteile der Liegenschaft EZ ... II, KG Vill, samt dem
damit untrennbar verbundenen Wohnungseigentum an der Garage Top ...
bilden. Im Vertrag stimmt die Bestandgeberin in verbücherungsfähiger Form der grundbücherlichen Eintragung des Bestandrechtes zu.
Im Mietvertrag wird weiters festgehalten, daß die Bestandnehmer für Baukosten Zahlungen in Höhe von 442344 S zu leisten haben, die mit dem Bestandzins gegenzuverrechnen und im Grundbuch pfandrechtlich sicherzustellen sind. Die Bestandgeberin verzichtete des weiteren für die Vertragsdauer auf jede Verfügung über die Bestandobjekte und zedierte für den Fall einer vertragswidrigen Veräußerung oder Belastung des Mietgegenstandes alle Ansprüche an die Bestandnehmer.
3. Nachdem über die Bestandgeberin ein Konkursverfahren eröffnet worden war, begehrte der Masseverwalter gerichtlich die Feststellung der Nichtigkeit des vorgenannten Mietvertrages, weil er zur Umgehung des Grundverkehrsgesetzes abgeschlossen worden sei; in Wirklichkeit liege ein verdeckter Kaufvertrag vor, der im Hinblick auf die deutsche Staatsbürgerschaft der Bestandnehmer der Genehmigung der Grundverkehrsbehörde bedurft hätte.
4. Während des gerichtlichen Verfahrens legten die Bestandnehmer den in Rede stehenden Mietvertrag der Grundverkehrsbehörde Innsbruck-Stadt vor, welche mit Bescheid vom 9. Juni 1980 feststellte, daß der Vertrag gemäß §1 Abs2 iZm. §1 Abs1 Z2 und §3 Abs1 litf und h des Grundverkehrsgesetzes 1970 idF LGBl. 6/1974 nicht der Genehmigung der Grundverkehrsbehörde bedürfe.
5. Gegen diesen Bescheid erhob der Masseverwalter Berufung und stellte im Zuge des Berufungsverfahrens an den VfGH gemäß Art138 Abs1 lita B-VG und §48 VerfGG den Antrag auf Entscheidung eines bejahenden Kompetenzkonfliktes zwischen dem Gericht und der Grundverkehrsbehörde.
Mit Erk. VfSlg. 9060/1981 wurde dieser Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, daß das Gericht darüber zu entscheiden habe, ob ein Vertrag nach den Normen des Zivilrechtes nichtig sei, während die Verwaltungsbehörde darüber zu entscheiden habe, ob der Vertrag nach den Normen des Grundverkehrsrechtes genehmigungspflichtig ist. Die Frage der Genehmigungspflicht sei daher nur für die Verwaltungsbehörde eine Hauptfrage, für das Gericht hingegen lediglich eine Vorfrage. Es liege somit ein Kompetenzkonflikt iS des Art138 Abs1 lita B-VG nicht vor.
6. Mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tir. Landesregierung vom 3. August 1982 wurde sodann die Berufung des Masseverwalters gegen den Bescheid der Grundverkehrsbehörde Innsbruck vom 9. Juni 1980 als unbegründet abgewiesen, der angefochtene Bescheid jedoch insoweit abgeändert, daß er sich auch auf ArtII Abs2, LGBl. 6/1974, stütze.
7.1. Gegen diesen Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde des Masseverwalters, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichbehandlung aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
7.2. Die bel. Beh. legte die Verwaltungsakten vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand. Die Eheleute H P und Ing. W P erstatteten als Beteiligte des Verfahrens eine Äußerung, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehren.
8. Bei der Beratung über diese Beschwerde sind Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der lita sowie des Buchstaben "c" in der litb des §13 Abs4 Z2 des Grundverkehrsgesetzes 1970 idF der Nov. LGBl. 6/1974 - später wiederverlautbart mit Kundmachung der Tir. Landesregierung vom 18. Oktober 1983, LGBl. 69/1983, als Grundverkehrsgesetz 1983 (GVG 1983) - entstanden, sodaß mit Beschluß vom 1. März 1985 gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Gesetzesprüfungsverfahren eingeleitet wurde.
Der Gerichtshof folgte den Überlegungen, die der EuGMR mit Urteil vom 22. Oktober 1984 im Fall Sramek angestellt hatte. Es schien ihm mit Art6 MRK unvereinbar, daß ein Tribunal - die Landesgrundverkehrsbehörde ist ein solches - jemand zu seinen Mitgliedern zählt, der sich gegenüber einer Partei des Verfahrens in einem Verhältnis funktioneller oder dienstlicher Unterordnung befindet, wie dies beim Berichterstatter der Landesgrundverkehrsbehörde in der Rechtssache Sramek in Relation zum Landesgrundverkehrsreferenten der Fall war; er hegte den Verdacht, daß es den Bestimmungen, die die Zusammensetzung der Landesgrundverkehrsbehörde regeln - nämlich den in Prüfung gezogenen -, anzulasten sei, daß es zu einer solchen Situation kommen könne. Es werde allerdings im Gesetzesprüfungsverfahren auch zu prüfen sein, ob der aufgegriffene Mangel nicht dem Gesetz, sondern dem Vollzug anzulasten sei.
Mit Erk. VfSlg. 10639/1985 wurde sodann ausgesprochen, daß die genannten Gesetzesbestimmungen nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden.
Der VfGH schloß sich der im Urteil des EuGMR vom 22. Oktober 1984 im Fall Sramek vertretenen Rechtsansicht an und vertrat ebenso wie der Europäische Gerichtshof die Auffassung, daß das Tätigwerden eines Mitgliedes der Tir. Landesgrundverkehrsbehörde, das in seiner Eigenschaft als Beamter des Amtes der Tir. Landesregierung dem beamteten Grundverkehrsreferenten und damit einer Partei des Verfahrens dienstlich untersteht, unter besonderen Umständen, wie sie im Fall Sramek - iS einer das Vertrauen in die Kommission beeinträchtigenden besonderen Verflechtung zwischen Berichterstatter der Landesgrundverkehrsbehörde (und damit eines Tribunals) und Grundverkehrsreferent - vorlagen, mit der Verfassungsbestimmung des Art6 MRK unvereinbar ist. Der Verfassungsverstoß sei jedoch nicht in den in Prüfung gezogenen Bestimmungen grundgelegt. Diesen sei auch nicht anzulasten, daß sie ein derartiges verfassungswidriges Vorgehen nahelegen. Da die in Frage stehende, aus Art6 MRK erfließende Verfassungsanordnung einfach-gesetzlicher Bestimmungen nicht bedürfe, um der Verfassung Geltung zu verschaffen, seien die aufgeworfenen Bedenken nicht den in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen anzulasten.
9. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:
9.1. Aus dem eben zitierten Erk. des VfGH vom 17. Oktober 1985 folgt, daß der Bf. - was die Bestimmungen über die Zusammensetzung der bel. Beh. betrifft - nicht durch Anwendung von gegen Art6 MRK verstoßenden Bestimmungen in seinen Rechten verletzt wurde. Verfassungsrechtliche Bedenken anderer Art gegen die die Zusammensetzung der Landesgrundverkehrsbehörde regelnden oder sonstige im Beschwerdefall von der bel. Beh. angewendete Bestimmungen wurden nicht behauptet; solche sind auch im VfGH bei der Beratung des Beschwerdefalles nicht entstanden. Der Bf. wurde daher wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen in seinen Rechten nicht verletzt.
9.2.1. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet die Feststellung der Grundverkehrsbehörde, daß der in Frage stehende Vertrag für seine Wirksamkeit der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde nicht bedarf.
9.2.2. Der Bf. vermeint, der angefochtene Bescheid verstoße gegen die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums. Die bel. Beh. gehe in der Begründung des angefochtenen Bescheides zu Unrecht davon aus, daß es der Grundverkehrsbehörde verwehrt sei, einen Vertrag ohne Rücksicht auf die von den Parteien gewählte Bezeichnung nach seinem wahren Inhalt darauf zu prüfen, ob er einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung bedürfe. Es sei zwar richtig, daß die Grundverkehrsbehörde nicht berufen sei, über die Frage der zivilrechtlichen Gültigkeit von Verträgen abzusprechen. Sofern jedoch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Vorfrage nicht ausgesetzt werde, habe auch die Grundverkehrsbehörde die eine Vorfrage des grundverkehrsbehördlichen Verfahrens bildende Frage der zivilrechtlichen Gültigkeit eines Vertrages in Anwendung des §38 AVG zu beurteilen. Die bel. Beh. habe aber die Beurteilung dieser für das grundverkehrsbehördliche Verfahren wesentlichen Vorfrage unterlassen und sich zu Unrecht an die von den Vertragsparteien gewählten Bezeichnung "Bestandvertrag" gebunden erachtet. Da Verträgen gleichen Inhalts, sofern sie die Bezeichnung "Kaufvertrag" tragen, die grundverkehrsbehördliche Genehmigung regelmäßig versagt werde, verstoße der angefochtene Bescheid gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit. Durch den angefochtenen Bescheid werde auch die Löschung des eingetragenen Pfandrechtes verhindert, sodaß auch das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt werde.
9.2.3. Aus dem Inhalt des angefochtenen Bescheides (9.2.1.) und den Ausführungen unter 9.1. folgt einerseits, daß der Bf. nicht durch eine verfassungswidrig zusammengesetzte Behörde in seinen Rechten verletzt wurde, und andererseits, daß der angefochtene Bescheid die übrigen Rechte des Bf. gar nicht verletzen konnte und auch nicht verletzt hat. Da im Beschwerdefall der Landesgrundverkehrsreferent nicht eingeschritten ist, kommt auch ein dem Vollzugsgeschehen anzulastender Verfassungsverstoß, wie er in dem dem Erk. des VfGH VfSlg. 10634/1985 zugrunde liegenden Rechtsfall vorlag, nicht in Frage.
9.3. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
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