VfGH B516/09

VfGHB516/0916.12.2009

Keine Bedenken gegen das Erfordernis einer Mindestanzahl von 2 Promille der Bevölkerung an Angehörigen einer Religionsgemeinschaft für die gesetzliche Anerkennung als Kirche oder Religionsgesellschaft im Hinblick auf das Gleichheitsrecht angesichts der Ziele eines dauerhaften Bestandes, der Fähigkeit zur Aufgabenerfüllung bzw der finanziellen Selbständigkeit einer Religionsgesellschaft

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
AnerkennungsG §1
BG über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften §11 Abs1 Z2
EMRK Art9
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
AnerkennungsG §1
BG über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften §11 Abs1 Z2
EMRK Art9

 

Spruch:

Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit dem angefochtenen Bescheid der Bundesministerin für

Unterricht, Kunst und Kultur wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei - der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten -, der staatlich eingetragenen religiösen Bekenntnisgemeinschaft Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten die gesetzliche Anerkennung als Religionsgesellschaft gemäß §1 des Gesetzes vom 20. Mai 1874 betreffend die gesetzliche Anerkennung von Religionsgesellschaften, RGBl. 68, (im Folgenden: AnerkennungsG) iVm §11 Abs1 des Bundesgesetzes über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften, BGBl. I 19/1998, (im Folgenden: BekGG) auszusprechen, gemäß §11 Abs1 Z2 BekGG abgewiesen.

Der Bescheid wird im Wesentlichen wie folgt begründet:

Zwar sei ein Bestand der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Österreich durch mehr als 20 Jahre gegeben und sei durch den langen Bestand ebenfalls der Nachweis der hinreichenden Mittel zur Erhaltung einer ordentlichen Seelsorge und eines Religionsunterrichts erbracht worden. Auch bestehe die religiöse Bekenntnisgemeinschaft Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten seit mehr als 10 Jahren, da sie gemäß §2 Abs1 BekGG mit Wirksamkeit vom 11. Juli 1998 Rechtspersönlichkeit erlangt habe, worüber der Feststellungsbescheid vom 20. Juli 1998 ergangen sei, und wodurch sie das Recht erworben habe, sich als "staatlich eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaft" zu bezeichnen.

Die religiöse Bekenntnisgemeinschaft Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten verfüge aber laut Volkszählung 2001 nur über 4.220 ordentliche Mitglieder bzw. wäre auch bei Hinzuzählung von

1.550 "vorläufigen Gemeindegliedern" (dabei handle es sich um wegen der praktizierten Erwachsenentaufe noch nicht getaufte Kinder) erst die Zahl von 5.770 Personen erreicht. Damit sei das Erfordernis des §11 Abs1 Z2 BekGG, wonach die Anzahl der Angehörigen einer Bekenntnisgemeinschaft mindestens 2‰ der Bevölkerung Österreichs nach der letzten Volkszählung erreichen muss, nicht erfüllt.

2. In der gegen diesen Bescheid erhobenen, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde wird ein Verstoß gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz durch die Anwendung eines gleichheitswidrigen Gesetzes behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt.

In ihrer Begründung verweist die beschwerdeführende Partei zunächst auf gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften mit wesentlich weniger als den vom Gesetz geforderten Mitgliedern. Insbesondere der Umstand, dass die beschwerdeführende Partei bereits seit mehr als 20 Jahren in Österreich existiere und damit einen gleich langen, teilweise sogar längeren Bestand aufweisen könne als andere gesetzlich anerkannte Kirchen mit weniger als der vom Gesetz geforderten Mitgliederzahl, zeige, dass eine derartige Differenzierung nicht mit Unterschieden im Tatsachenbereich gerechtfertigt werden könne. Abgesehen vom derzeitigen Mitgliederstand der diversen anerkannten Kirchen habe zumindest die Methodistenkirche in Österreich auch zum Zeitpunkt der staatlichen Anerkennung das Kriterium der 2‰-Grenze nicht erfüllt, sodass eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz vorliege, wenn der beschwerdeführenden Partei eine Anerkennung auf Grund der "Mitgliederklausel" verwehrt werde.

Für die in §11 Abs1 Z2 BekGG enthaltene Grenze von 2‰ der Bevölkerung Österreichs nach der letzten Volkszählung als Mindestmitgliederzahl für eine Anerkennung nach dem AnerkennungsG liege keine sachliche Differenzierung vor. Auch wenn die Intention des Gesetzgebers bei der Einführung dieser Grenze möglicherweise darin gelegen sei, eine Art "Bestandsgarantie" für Kirchen zu verlangen, so sei einerseits die gezogene Grenze völlig willkürlich und sei andererseits in Bezug auf die beschwerdeführende Partei wohl durch ihr mehr als 20-jähriges Bestehen in der Praxis dokumentiert, dass diese Absicht des Gesetzgebers weitestgehend vorliege. Ziehe man außerdem in Betracht, dass die Bevölkerung Österreichs und damit natürlich auch die 2‰-Grenze schwanke, ergebe sich daraus, dass je nach dem Zeitpunkt der Antragstellung einem Antrag stattgegeben oder dieser - bei gleicher Mitgliederanzahl aber schwankender Gesamtbevölkerung Österreichs - abgewiesen werden würde.

3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen und auszusprechen, dass die beschwerdeführende Partei in keinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht bzw. nicht durch Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden sei.

Zur behaupteten Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz wegen der in der Beschwerde angestellten Vergleiche zum Beweis der Ungleichbehandlung mit in der Vergangenheit anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften hält die belangte Behörde fest, dass bei einer Änderung der Rechtslage durch den Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens naturgemäß ein Stichtag eintrete und sich somit eine unterschiedliche Rechtslage davor und danach ergebe. Im Zusammenhang mit dem BekGG sei zur Frage der Wirkungen der Änderungen der Rechtslage im Jahre 1998 bereits das Erkenntnis VfSlg. 16.102/2001 über einen Antrag eines Vereins zur Unterstützung der religiösen Arbeit der "Christengemeinschaft" ergangen. Zudem sei auf die "Härtefalljudikatur" des Verfassungsgerichtshofes zu verweisen, wonach das Entstehen von Härtefällen ein Gesetz nicht gleichheitswidrig mache (zB VfSlg. 3568/1959, 9908/1983, 10.276/1984 sowie VfSlg. 10.455/1985, 11.616/1988). Ein Bezug zu teilweise mehr als 50 Jahre zurückliegenden Anerkennungen sei daher nicht geeignet, eine Verletzung des Gleichheitssatzes zu begründen.

Die belangte Behörde hält ferner fest, dass bei den angeführten Kirchen und Religionsgesellschaften unterschiedliche Sachverhalte vorlägen, und führt dazu im Einzelnen wie folgt aus:

"Beim Fall der Armenisch-apostolischen Kirche, der Koptisch-orthodoxen Kirche und der Syrisch-orthodoxen Kirche, somit des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 20/2003, orientalisch - orthodoxes Kirchengesetz, verkennt die Beschwerdeführerin, dass die altorientalischen Kirchen teilweise bereits seit Jahrhunderten anerkannt sind. Es wurde dabei lediglich die, hier nicht näher zu erörternde Frage, des Verhältnisses der verschiedenen in Österreich bestehenden vorchalzedonensischen Kirchen zueinander, einer Lösung zugeführt. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, dass eine Ungleichbehandlung vorliegt, zeigt, dass das Verhältnis des Anerkennungsgesetzes 1874 zu den Anerkennungen durch eigenes Gesetz - dieser Weg wurde in der Vergangenheit bereits durch das Gesetz vom 21. März 1890, betreffend die Regelung der äußeren Rechtsverhältnisse der israelitischen Religionsgesellschaft, das Gesetz vom 15. Juli 1912, betreffend die Anerkennung der Anhänger des Islams als Religionsgesellschaft oder das Bundesgesetz vom 23. Juni 1967 über äußere Rechtsverhältnisse der griechisch - orientalischen Kirche in Österreich beschritten - nicht erkannt wird. Das Anerkennungsgesetz 1874, das die Grundlage für eine Anerkennung durch Verordnung bildet, ist in seinen Möglichkeiten auf besondere Erfordernisse der jeweiligen Kirchen oder Religionsgesellschaften einzugehen, begrenzt. Da dies im Sinne eines allgemeinen Sachlichkeitsgebotes aber erforderlich ist, musste zur Einhaltung dieses Gebotes teilweise der Weg eines eigenen Gesetzes gewählt werden.

Im Fall des Islam war dies eine Einschränkung der Anerkennung auf jene Bereiche der Lehren des Islam, die mit den Regelungen und liberalen Grundrechten eines demokratischen Rechtsstaates im Einklang stehen, wie es am Beispiel der Frage der Polygamie diskutiert wurde. Nach heutigem Verständnis handelt es sich dabei um eine Einschränkung der Religionsfreiheit zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Im Fall der orientalisch-orthodoxen Kirchen, deren Älteste, die Armenisch-apostolische Kirche, ihre Anerkennung bereits durch ein Allerhöchstes Handschreiben vom 19. Juni 1783 erlangt hat, war dies beispielsweise für die Einrichtung einer orientalisch-orthodoxen Kirchenkommission (§2 OrientKG), die unter anderem für den Religionsunterricht zuständig ist und ihre Beschlüsse einstimmig zu fassen hat, zwingend notwendig.

Im Fall der in der Beschwerde angeführten Methodistenkirche besteht ebenfalls eine sachliche Differenzierung, da beispielsweise in einem der zentralen Elemente einer gesetzlich anerkannten Kirche, dem Religionsunterricht an öffentlichen oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schulen, aufgrund einer Vereinbarung mit der evangelischen Kirche die Kinder der methodistischen Kirche am evangelischen Religionsunterricht teilnehmen. Das Argument, dass die erforderliche Mitgliederzahl nach dem BekGG 1998 zum Zeitpunkt der Anerkennung nicht gegeben war, ist vor allem deshalb unerheblich, da das Gesetz erst 47 Jahre später beschlossen wurde. Es darf daher auf die oben erwähnte Judikatur verwiesen werden."

Der Behauptung, das in §11 Abs1 Z2 BekGG enthaltene Erfordernis wäre gleichheitswidrig, hält die belangte Behörde Folgendes entgegen:

"Neben dem Prinzip der Religionsfreiheit als Gruppenrecht und der Parität, ist ein zentrales Element des Verhältnisses zwischen Staat und Kirchen in Österreich die Kooperation. Eine solche Zusammenarbeit setzt Leistungen, sowohl materielle als auch ideelle, beider Seiten voraus. Die mit der Stellung als gesetzlich anerkannte Kirche oder Religionsgesellschaft verbundenen Leistungen des Staates stellen nur eine teilweise Unterstützung der konfessionellen, materiellen und ideellen, Leistungen, beispielsweise im Privatschulwesen oder im Bereich der Kranken- und Altenbetreuung, dar. Für den Staat ist eine solche Unterstützung zumeist insgesamt kostengünstiger, als diese Leistungen selbst anzubieten, bzw. anbieten zu müssen. Diese für die öffentlichen Haushalte wichtige Kosten-Nutzen Betrachtung, die nicht mit der geltend gemachten Frage der Religionsfreiheit in Verbindung steht, setzt aber gewisse Rahmenbedingungen in der Religionsgesellschaft voraus. Dies lässt sich am Beispiel einer konfessionellen Schule näher verdeutlichen:

Um eine Hauptschulklasse zu führen, sind laut Rechnungshof 2,5 Lehrkräfte erforderlich. Nach dem Schlüssel für das Lehrpersonal (für je 10 Schüler ein Lehrer) der aufgrund des Finanzausgleichs für öffentliche Schulen maßgeblich ist, sind daher 25 Schüler je Hauptschulklasse erforderlich. Bei zwei Parallelklassen sind daher 50 Schüler je Schulstufe erforderlich. Da zumeist nicht alle Kinder einer Konfession am gleichen Ort versammelt sind, muss vom fünffachen als Erfordernis für die gesamtösterreichische Größe, somit von 250 je Altersgruppe ausgegangen werden. Bei einer Lebenserwartung von rund 80 Jahren ergäben sich somit rund 20.000 Personen über alle Jahrgänge. Das 5-fache ergibt sich dabei aus der Normalverteilung der Schülerzahlen. Wien hat z.B. rund 20 % aller Schüler in Österreich, d. h. rund 1/5 der österreichischen Schüler besuchen Schulen in Wien, geht man davon aus, dass sich die Kinder der Religionsgesellschaft annähernd ähnlich wie die Bevölkerung auf Österreich verteilen, so ergibt sich das Erfordernis des 5-fachen, um mittelfristig eine gesicherte Schülerpopulation zumindest in den Ballungsräumen zu erreichen. Das Beispiel könnte ähnlich für den Religionsunterricht dargestellt werden, wobei in diesem Bereich die Problematik der Ausbildung der Lehrkräfte hinzukommt, so dass die sich aus der derzeitigen Bevölkerungsanzahl ergebende Wert vor dem Hintergrund des Aufwandes eines Religionsunterrichts und einer dafür erforderlichen Ausbildung von Lehrkräften am unteren Rand des organisatorisch sinnvollen liegt.

Ein Grundsatz des österreichischen Staatskirchenrechts ist die Selbsterhaltungsfähigkeit der anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften, wie es sich beispielsweise in den Bestimmungen des §5 und §6 Z. 6 AnerkennungsG 1874 findet. Weiters wäre eine finanzielle Unterstützung für selbstständig wirtschaftlich nicht tragfähige Gemeinschaften ein Widerspruch zu den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit, da der öffentliche Haushalt hier finanzielle Aufwendungen aus Mitteln der Steuerzahler aufbrächte, die den Unterstützungszweck mangels mittelfristiger Existenzfähigkeit nicht erreichen können. Die in §11 BekGG vorgesehenen Kriterien dienen daher unter anderem dem Zweck die mittelfristige Existenz sicher zu stellen, in Form der erforderlichen Bestandszeit, und einer Mindestgröße, die zumindest eine gewisse Bestandsgarantie und finanzielle Selbstständigkeit für die Zukunft bilden. Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin handelt es sich daher keinesfalls um eine willkürliche Zahl, sondern um eine sachliche Unterscheidung, mit der das Erfordernis der Selbsterhaltungsfähigkeit, somit der Fähigkeit für die religiösen Bedürfnisse der Mitglieder aus eigenen Mitteln Sorge zu tragen, die Fähigkeit zur Leistung der mit der Rechtsstellung als gesetzlich anerkannte Kirche oder Religionsgesellschaft sonstigen verbundenen Aufgaben, z.B. zur Erteilung von Religionsunterricht, zu erfüllen und eines mittelfristig gesicherten Bestandes, geprüft werden. Im Zusammenhang mit dem Religionsunterricht, darf auf die in Art14 Abs5a B-VG verankerte Aufgabe des Schulwesens, die Kinder und Jugendlichen zu befähigen an unter anderem religiösen Werten orientierten Verantwortung für sich Selbst, Umwelt, Mitmenschen und nachfolgende Generationen zu übernehmen, hingewiesen werden. Da die Vermittlung religiöser Inhalte in die inneren Angelegenheiten der Kirchen und Religionsgesellschaften fällt und daher die genannte Bestimmung nur von diesen erfüllt werden kann, ist mit der gesetzlichen Anerkennung auch ein Auftrag zur religiösen Bildung verbunden. Die Festlegung eines einfachen Kriteriums und eines einfachen Prüfungsverfahrens, hier in Form eines Anteiles an der Bevölkerung und durch Heranziehung der Ergebnisse der Volkszählung hat sachliche Gründe und liegt im Interesse sowohl des Antragsstellers als auch einer wirtschaftlichen, zweckmäßigen und sparsamen Verwaltung. Durchaus im Interesse der Antragsteller wird dabei allein aufgrund der Mitgliederzahl in Verbindung mit einer positiven Grundeinstellung gegenüber Staat und Gesellschaft davon ausgegangen, dass die Arbeit der Kirche oder Religionsgesellschaft positive Wirkungen für die Gesellschaft entfaltet und daher das den staatlichen Kostenbeteiligungen zugrunde liegende Ziel, durch eine Unterstützung der Leistungen der Kirchen und Religionsgesellschaften für die Allgemeinheit, somit einen über die eigenen Mitglieder, Anhänger und Nahestehende, hinausreichenden Nutzen für die Gesellschaft und Staat zu erreichen, erfüllt wird.

Durch das Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 31. Juni 2008 im Verfahren Jehovas Zeugen u.a. gegen Österreich, ist für die Beschwerdeführerin ebenfalls keine Ableitung einer Verfassungswidrigkeit der genannten Bestimmung möglich. Der Gerichtshof hat klar festgehalten, dass die rechtliche Stellung einer anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft in einem fairen, auf objektiven Entscheidungskriterien beruhenden Verfahren grundsätzlich erreichbar sein muss. Es wird somit ebenfalls auf die Frage der sachlichen Begründung der im Gesetz vorgesehenen Kriterien abgestellt, die, wie oben dargelegt, gegeben ist."

II. Zur Rechtslage:

1. Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Gesetzes vom 20. Mai 1874 betreffend die gesetzliche Anerkennung von Religionsgesellschaften, RGBl. 68/1874, lauten wie folgt:

"§. 1.

Den Anhängern eines bisher gesetzlich nicht anerkannten Religionsbekenntnisses wird die Anerkennung als Religionsgesellschaft unter nachfolgenden Voraussetzungen ertheilt:

  1. 1. Daß ihre Religionslehre, ihr Gottesdienst, ihre Verfassung, sowie die gewählte Benennung nichts Gesetzwidriges oder sittlich Anstößiges enthält;

  1. 2. daß die Errichtung und der Bestand wenigstens Einer nach den Anforderungen dieses Gesetzes eingerichteten Cultusgemeinde gesichert ist.

§. 2.

Ist den Voraussetzungen des §. 1 genügt, so wird die Anerkennung von dem Cultusminister ausgesprochen.

Durch diese Anerkennung wird die Religionsgesellschaft aller jener Rechte theilhaftig, welche nach den Staatsgesetzen den gesetzlich anerkannten Kirchen- und Religionsgesellschaften zukommen.

[...]

§. 5.

Die staatliche Genehmigung zur Errichtung einer Cultusgemeinde (§. 4) ist durch den Nachweis bedingt, daß dieselbe hinreichende Mittel besitzt, oder auf gesetzlich gestattete Weise aufzubringen vermag, um die nöthigen gottesdienstlichen Anstalten, die Erhaltung des ordentlichen Seelsorgers und die Ertheilung eines geregelten Religionsunterrichtes zu sichern.

Vor ertheilter Genehmigung darf die Constituirung der Cultusgemeinde nicht stattfinden."

2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften, BGBl. I 19/1998, lauten:

"Begriff der religiösen Bekenntnisgemeinschaft

§1. Religiöse Bekenntnisgemeinschaften im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Vereinigungen von Anhängern einer Religion, die gesetzlich nicht anerkannt sind.

Erwerb der Rechtspersönlichkeit für einereligiöse Bekenntnisgemeinschaft

§2. (1) Religiöse Bekenntnisgemeinschaften erwerben die Rechtspersönlichkeit nach diesem Bundesgesetz durch Antrag beim Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten nach Ablauf einer Frist von sechs Monaten nach dem Einlangen dieses Antrages, wenn nicht innerhalb dieser Frist ein Bescheid über die Versagung der Rechtspersönlichkeit (§5) zugestellt worden ist.

(2) [...]

(3) Über den Erwerb der Rechtspersönlichkeit ist ein Feststellungsbescheid zu erlassen, der den Namen der religiösen Bekenntnisgemeinschaft sowie die nach außen vertretungsbefugten Organe in allgemeiner Bezeichnung zu enthalten hat.

(4) - (5) [...]

(6) Religiöse Bekenntnisgemeinschaften mit Rechtspersönlichkeit nach diesem Bundesgesetz haben das Recht, sich als 'staatlich eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaft' zu bezeichnen.

[...]

Zusätzliche Voraussetzungen für eine Anerkennungnach dem Anerkennungsgesetz

§11. (1) Zusätzliche Voraussetzungen zu den im Gesetz betreffend die gesetzliche Anerkennung von Religionsgesellschaften, RGBl. Nr. 68/1874, umschriebenen Voraussetzungen sind:

  1. 1. Bestand als Religionsgemeinschaft durch mindestens 20 Jahre, davon mindestens 10 Jahre als religiöse Bekenntnisgemeinschaft mit Rechtspersönlichkeit im Sinne dieses Bundesgesetzes,

  1. 2. Anzahl der Angehörigen in der Höhe von mindestens 2 vT der Bevölkerung Österreichs nach der letzten Volkszählung,

  1. 3. Verwendung der Einnahmen und des Vermögens für religiöse Zwecke (wozu auch in der religiösen Zielsetzung begründete gemeinnützige und mildtätige Zwecke zählen),

  1. 4. positive Grundeinstellung gegenüber Gesellschaft und Staat,

  1. 5. keine gesetzwidrige Störung des Verhältnisses zu den bestehenden gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften sowie sonstigen Religionsgemeinschaften.

(2) Dieses Bundesgesetz findet auf laufende Verwaltungsverfahren auf Grund des Gesetzes betreffend die gesetzliche Anerkennung von Religionsgesellschaften Anwendung. Anträge auf Anerkennung als Religionsgesellschaft sind als Anträge gemäß §3 zu werten, wobei der Tag des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes als Tag der Einbringung gilt."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Die beschwerdeführende Partei behauptet einen Verstoß des §11 Abs1 Z2 BekGG, wonach eine Religionsgemeinschaft als Voraussetzung für eine Anerkennung als Kirche oder Religionsgesellschaft über eine Anzahl an Mitgliedern in der Höhe von mindestens 2‰ der Bevölkerung Österreichs nach der letzten Volkszählung verfügen muss, gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz. Sie sei auf Grund dieser Regelung benachteiligt, da es gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften mit weniger Mitgliedern (auch bereits zum Zeitpunkt ihrer staatlichen Anerkennung) gebe, die beschwerdeführende Partei aber einen gleichlangen, teilweise sogar längeren Bestand als diese aufweise. Die Grenze von 2‰ der Bevölkerung Österreichs nach der letzten Volkszählung als Mindestmitgliederzahl für eine Anerkennung nach dem AnerkennungsG sei daher willkürlich gezogen.

2. Der Verfassungsgerichtshof teilt dieses Bedenken nicht:

2.1. Durch die Anerkennung als Kirche oder Religionsgesellschaft erlangt eine Religionsgemeinschaft die Qualität einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Kirchen und Religionsgesellschaften verfügen damit nicht nur über besondere Rechte, sondern haben auch besondere Aufgaben zu erfüllen, wodurch sie an der Gestaltung des staatlichen öffentlichen Lebens teilnehmen. Anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften haben etwa das Recht und die Aufgabe, für ihre Mitglieder an öffentlichen und mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schulen Religionsunterricht zu besorgen, zu leiten und unmittelbar zu beaufsichtigen (§2 Abs1 RelUG). Sie bestimmen damit insbesondere über die Lehrinhalte eines Pflichtgegenstandes und entscheiden über die Auswahl der Religionslehrer.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Religionsgemeinschaft sind im AnerkennungsG sowie in der Bestimmung des §11 Abs1 BekGG, welche als lex fugitiva zum AnerkennungsG ergangen ist, festgelegt. Der vorliegende Bescheid stützt sich auf §11 Abs1 Z2 BekGG, der als Voraussetzung für eine Anerkennung eine Mindestanzahl an Mitgliedern einer Religionsgemeinschaft in Höhe von 2‰ der Bevölkerung Österreichs nach der letzten Volkszählung festlegt. In den Erläuterungen zu §11 Abs1 BekGG wird zur Begründung dieses Erfordernisses festgehalten, dass die Anzahl der Angehörigen nicht nur für deren Bestand wichtig, sondern auch zur Gewährleistung der Erfüllung der Aufgaben, die mit der Stellung einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft verbunden sind, bedeutsam sei (RV 938 BlgNR 20. GP, 10).

2.2. Es ist im Hinblick auf die mit der Anerkennung einer Kirche oder Religionsgesellschaft verbundene Rechtsfolge der Erlangung des Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts jedenfalls gerechtfertigt, diese Anerkennung von der Prognose eines dauerhaften Bestandes der Religionsgemeinschaft abhängig zu machen, um eine zumindest mittelfristige Existenz einer Religionsgemeinschaft sicherzustellen. Damit soll gewährleistet werden, dass die Kirche oder Religionsgesellschaft ihre Aufgaben und insbesondere die ihr gesetzlich obliegenden Pflichten aus eigenem, dh. insbesondere ohne staatliche Unterstützung erfüllen kann. Mit diesem Erfordernis in Zusammenhang steht demgemäß auch das in §5 und §6 Z6 AnerkennungsG normierte Erfordernis hinreichender finanzieller Mittel einer Religionsgemeinschaft, um den Gottesdienst, die Seelsorge und einen geregelten Religionsunterricht sicherstellen zu können.

Dem Gesetzgeber kann dabei aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegengetreten werden, wenn er - wie dies aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage deutlich wird - von einem Konnex zwischen der Größe einer Religionsgemeinschaft bzw. der Anzahl ihrer Mitglieder und der Dauerhaftigkeit ihres Bestandes ausgeht. In ähnlicher Weise besteht auch - in einem vergleichbaren staatskirchenrechtlichen System - nach Art140 des deutschen Grundgesetzes iVm Art137 Weimarer Reichsverfassung für die öffentlich-rechtliche Anerkennung von Religionsgemeinschaften das ausdrückliche Erfordernis, dass die Gemeinschaft nach der "Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer" bietet, dh. (u.a.) die Zahl der Mitglieder dient als Grundlage für die prognostische Einschätzung eines künftigen dauerhaften Bestandes der Religionsgemeinschaft (vgl. BVerfGE 102, 370). Die Festlegung einer Promille-Grenze bezogen auf die Gesamtzahl der österreichischen Bevölkerung nach der letzten Volkszählung ist mit Blick auf das sachliche Ziel einer einfachen Handhabbarkeit der Regelung und vor dem Hintergrund der relativen Konstanz in der demographischen Entwicklung gerechtfertigt. Das Erfordernis einer Mindestanzahl von Mitgliedern als Voraussetzung für die Anerkennung als gesetzliche Religionsgesellschaft ist daher an sich nicht unsachlich.

2.3. Der Gesetzgeber verfügt bei der Festlegung einer Mindestanzahl an Mitgliedern als Voraussetzung für die Anerkennung über einen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum (zum Beurteilungsspielraum von Staaten in Bezug auf die Anerkennung von Religionsgesellschaften vgl. EGMR, 31.7.2008, Fall Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas ua., Appl. 40.825/98, ÖJZ 2008, 865, Z96; 10.12.2009, Fall Koppi, Appl. 33.001/03, Z33). Dieser Spielraum ist jedoch nicht unbegrenzt.

Die Festlegung, über welche konkrete Mitgliederzahl eine Religionsgemeinschaft zumindest verfügen muss, hat sich an den genannten Zielen (dauerhafter Bestand, Fähigkeit zur Aufgabenerfüllung bzw. finanzielle Selbständigkeit) zu orientieren. Der Gesetzgeber hat mit dem Erfordernis einer Mitgliederanzahl von 2‰ der österreichischen Bevölkerung seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum nicht überschritten, zumal die Möglichkeit der Erlangung von Rechtspersönlichkeit nach dem BekGG unabhängig davon gegeben ist und damit das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Religionsfreiheit gemäß Art9 EMRK gewahrt ist (vgl. auch das Sondervotum von Richterin Steiner zu EGMR Fall Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas ua.).

Vor diesem Hintergrund hegt der Verfassungsgerichtshof keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine Vorschrift, die die gesetzliche Anerkennung als Kirche oder Religionsgesellschaft von einer Mindestanzahl an Angehörigen der Religionsgemeinschaft abhängig macht. Der Verfassungsgerichtshof hält auch die Mindestanzahl von 2‰ der Bevölkerung Österreichs nach der letzten Volkszählung nicht für bedenklich.

2.4. Dass andere durch eigenes Gesetz anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften über weniger Mitglieder verfügen (und auch im Zeitpunkt ihrer Anerkennung behauptetermaßen über weniger Mitglieder verfügt haben), verschlägt dabei schon deshalb nichts, da diese zum Teil bereits längere Zeit vor In-Kraft-Treten der Regelung des §11 Abs1 Z2 BekGG anerkannt worden sind. Die Anerkennung der Koptisch-Orthodoxen Kirche mit BGBl. I 20/2003 erfolgte durch Gesetz und vor dem Hintergrund des besonderen Umstandes, dass andere orientalisch-orthodoxe Kirchen wie die Armenisch-apostolische und die Syrisch-orthodoxe Kirche bereits seit den Jahren 1973 (BGBl. 5/1973) und 1988 (BGBl. 129/1988) anerkannt waren (s. RV 8 BlgNR 22. GP, 4).

3. Da die beschwerdeführende Partei im Ergebnis nur die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm behauptet hat, ist nicht darauf einzugehen, ob die Verletzung eines anderen (verfassungsgesetzlich gewährleisteten) Rechtes vorliegt (zB VfSlg. 15.432/1999, 16.553/2002).

4. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

5. Dem Antrag der belangten Behörde auf Zuerkennung von Kosten als Ersatz des Vorlage- und Schriftsatzaufwandes ist schon deshalb nicht zu entsprechen, weil dies im VfGG nicht vorgesehen ist und eine sinngemäße Anwendung des §48 Abs2 VwGG im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nicht in Betracht kommt (VfSlg. 7315/1974, 10.003/1984, 13.012/1992, 14.573/1996, 15.727/2000, 16.338/2001, 17.873/2006 mwN).

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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