VfGH B507/79

VfGHB507/7926.2.1983

Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit; gemäß §53 Abs1 VStG 1950 ist Vollzug einer Freiheitsstrafe von der zwingend vorgesehenen Aufforderung zum Antritt der Freiheitsstrafe abhängig; Verletzung der persönlichen Freiheit

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Allg
StGG Art8
VStG §53 Abs1
B-VG Art144 Abs1 / Allg
StGG Art8
VStG §53 Abs1

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch seine Anhaltung im Polizeigefangenenhaus Wien in der Zeit vom 23. November 1979, 0.30 Uhr, bis 13. Dezember 1979 im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt worden.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. In der auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde wird vorgebracht, über den Beschwerdeführer seien mit zwei im Instanzenzug ergangenen Bescheiden des Amtes der Wr. Landesregierung vom 8. Oktober 1979 und vom 11. Oktober 1979 wegen Übertretungen von Bestimmungen der StVO eine Arreststrafe in der Dauer von sechs Wochen sowie Geldstrafen verhängt worden. Die Verwaltungsstraftatbestände seien am 23. November 1976 in der Zeit von 0.20 Uhr bis 0.30 Uhr gesetzt worden.

Seit dem 20. November 1979 (die Beschwerde wurde am 6. Dezember 1979 beim VfGH eingebracht) werde die Arreststrafe im Polizeigefangenenhaus Wien vollzogen, obwohl am 23. November 1979 die dreijährige Frist des §31 Abs3 VStG abgelaufen und somit Vollstreckungsverjährung eingetreten sei.

Der Beschwerdeführer beantragt, der VfGH möge erkennen, daß er durch "die Fortsetzung des Strafvollzuges" trotz Eintrittes der Vollstreckungsverjährung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt worden sei.

2. Die Bundespolizeidirektion Wien als belangte Behörde hat mit Schreiben vom 13. Dezember 1979 mitgeteilt, daß die Vorführung des Beschwerdeführers am 20. November 1979 zum Antritt der rechtskräftig über ihn verhängten Arreststrafe erfolgt sei, ohne daß er gemäß §53 Abs1 VStG zu deren Antritt aufgefordert worden wäre. Somit sei durch die Vorführung und den anschließenden Vollzug der Arreststrafe ein Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf persönliche Freiheit erfolgt. Der Beschwerdeführer sei auf Grund dessen in den Nachmittagsstunden des 13. Dezember 1979 auf freien Fuß gesetzt worden.

Die von der belangten Behörde mit ihrer Vertretung betraute Finanzprokuratur hat in der Folge die Verwaltungsakten mit dem Beifügen vorgelegt, daß die Sachverhaltsdarstellung der Beschwerde den Tatsachen entspreche.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Die zwangsweise Vorführung zum Antritt einer Arreststrafe und die Verbüßung dieser Strafe sind eine Verhaftung iS des Gesetzes vom 27. Oktober 1862, RGBl. 87, zum Schutze der persönlichen Freiheit, welches gemäß Art8 StGG sowie gemäß Art149 Abs1 B-VG als Verfassungsgesetz gilt. Wäre die Anhaltung des Beschwerdeführers gesetzwidrig erfolgt, so wäre er im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt worden (vgl. zB VfSlg. 8642/1979).

2. Die Gesetzmäßigkeit des Vollzuges einer Freiheitsstrafe ist zunächst davon abhängig, daß die betreffende Strafe rechtskräftig verhängt worden ist. Dies war hier unbestritten der Fall.

Eine weitere Voraussetzung hiefür bildet die in §53 Abs1 VStG zwingend vorgeschriebene Aufforderung zum Antritt der Freiheitsstrafe (vgl. auch VfSlg. 8642/1979, 8770/1980). Da - wie auch den Akten zu entnehmen ist - feststeht, daß eine solche Aufforderung an den Beschwerdeführer nicht ergangen ist, war seine Anhaltung im Polizeigefangenenhaus Wien schon deshalb rechtswidrig, sodaß auf das Beschwerdevorbringen nicht weiter einzugehen war.

Die daraus resultierende Feststellung eines Verstoßes gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf persönliche Freiheit ist jedoch auf den vom Antrag des Beschwerdeführers umfaßten Zeitraum zu beschränken, da der VfGH nicht befugt ist, über den Antrag hinauszugehen.

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