VfGH B473/99

VfGHB473/9911.10.1999

Anlaßfallwirkung der Aufhebung des §25 Abs2 letzter Satz Tir BauO 1998, LGBl 15/1998, mit E v 01.10.99, G73/99.

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

 

Spruch:

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Tirol ist schuldig, den Beschwerdeführern zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit S 32.200,- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Bescheid vom 20. August 1998 erteilte der Bürgermeister der Gemeinde Aldrans der G reg.Gen.m.b.H. Innsbruck die Baubewilligung zur Errichtung einer Wohnanlage mit

20 Wohneinheiten und einer Tiefgarage auf Grundstück Nr. 709/1 KG Aldrans unter Vorschreibung im Bescheid näher angeführter Auflagen. Die Einwendungen der nunmehrigen Beschwerdeführer wurden mangels Parteistellung als unzulässig zurückgewiesen. Die Berufungen wurden durch den Gemeindevorstand als unzulässig zurückgewiesen.

Die Tiroler Landesregierung wies mit Bescheid vom 21. Jänner 1999 die Vorstellungen als unbegründet ab unter Anwendung des §25 Abs2 Tiroler Bauordnung 1998. Demnach komme den Vorstellungswerbern aufgrund der Lage der Grundstücke keine Parteistellung zu, um die Verletzung von Abstandsvorschriften nach §6 TBO geltend zu machen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde der Nachbarn, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art5 StGG), Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm (§25 Abs2 TBO) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

3. Die Tiroler Landesregierung als belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den angefochtenen Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

4. Mit amtswegigem Beschluß vom 27. Februar 1999, B2126/98, leitete der Verfassungsgerichtshof das Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §25 Abs2 letzter Satz Tiroler Bauordnung 1998, LGBl. Nr. 15/1998, ein. Mit Erkenntnis vom 1. Oktober 1999, G73/99, hat der Verfassungsgerichtshof diese Bestimmung als verfassungswidrig aufgehoben.

II. 1. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10616/1985, 11711/1988).

Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren zu G73/99 begann am 1. Oktober. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 17. März 1999 eingelangt, war also zum Zeitpunkt des Beginns der nichtöffentlichen Beratung im Verfahren zu G73/99 schon anhängig; der Fall ist somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.

Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführer nachteilig war. Die Beschwerdeführer wurden somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt.

Der Bescheid ist daher aufzuheben.

2. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG 1953 abgesehen.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG 1953. In den zuerkannten Kosten sind Streitgenossenzuschlag in der Höhe von S 2.250,-, Umsatzsteuer in der Höhe von S 4.950,- und eine Eingabengebühr in der Höhe von S 2.500,- enthalten.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte