Normen
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
Nö GdO 1973 §35 Abs2 Z10
Nö GdO 1973 §38 Abs3
VfGG §19 Abs3 Z2 lite
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
Nö GdO 1973 §35 Abs2 Z10
Nö GdO 1973 §38 Abs3
VfGG §19 Abs3 Z2 lite
Spruch:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. 1. a) Mit dem Bescheid des Vorsitzenden der Grundverkehrs-Bezirkskommission für den Wirkungsbereich der Bezirksbauernkammer Ebreichsdorf am Sitze der Bezirkshauptmannschaft Baden, Z 9-G-80088 vom 1. September 1982, wurde gemäß §1 Abs3 des Nö. Grundverkehrsgesetzes 1973, LGBl. 6800-1 (im folgenden GVG), festgestellt, daß näher umschriebene Liegenschaften nicht als land- oder forstwirtschaftliche Liegenschaften iS des §1 Abs2 GVG gelten.
b) Gegen den Bescheid des Vorsitzenden der Grundverkehrs-Bezirkskommission für den Wirkungsbereich der Bezirksbauernkammer Ebreichsdorf vom 1. September 1982 erhob die Marktgemeinde Ebreichsdorf Berufung.
c) Die Grundverkehrs-Landeskommission beim Amt der Nö. Landesregierung hat mit dem Bescheid vom 6. Dezember 1982 die Berufung der Marktgemeinde Ebreichsdorf gegen den erstinstanzlichen Bescheid gemäß §66 Abs4 AVG 1950 iVm. §16 lite GVG zurückgewiesen.
In der Begründung des Bescheides wird nach dem Hinweis auf die Bestimmungen des §1 Abs2 und 3 sowie des §16 lite GVG sowie auf die von der Bezirksbauernkammer Ebreichsdorf und von der Marktgemeinde Ebreichsdorf abgegebenen Stellungnahmen folgendes ausgeführt:
"Die Behörde I. Instanz ist ausgehend vom Erhebungsergebnis und in Übereinstimmung mit den Stellungnahmen der Bezirksbauernkammer Ebreichsdorf und der Marktgemeinde Ebreichsdorf zu dem Schluß gekommen, daß weder die Beschaffenheit noch die Art der tatsächlichen Verwendung derzeit eine land- oder forstwirtschaftliche sei. Aus dem Akt ergeben sich keinerlei Gründe zur Annahme, daß der Bescheid entgegen den Ausführungen der Marktgemeinde Ebreichsdorf erlassen wurde, sodaß sich die gegenständliche Berufung im Sinne der Bestimmung des §16 lite des NÖ Grundverkehrsgesetzes 1973 als unzulässig erweist und daher zurückzuweisen war."
2. Gegen den Bescheid der Grundverkehrs-Landeskommission vom 6. Dezember 1982 richtet sich die von der Marktgemeinde Ebreichsdorf unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde. Es wird der Antrag gestellt, der VfGH wolle "- allenfalls nach amtswegiger Unterbrechung des Verfahrens zur Prüfung der angezogenen Bestimmungen des NÖ Grundverkehrsgesetzes 1973, insbesondere des §16 lite hinsichtlich allfälliger Verletzung der Bundesverfassung - den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte aufheben und der belangten Behörde den Ersatz der Verfahrenskosten auftragen".
3. Die Grundverkehrs-Landeskommission beim Amt der Nö. Landesregierung hat eine Gegenschrift erstattet, in der der Antrag gestellt wird, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II. Der VfGH hat erwogen:
2. Nach §16 lite GVG kommt der Gemeinde, in der die Liegenschaft liegt, im Falle einer Entscheidung gemäß §1 Abs3, wenn die Entscheidung entgegen ihrem Gutachten ergangen ist, ein Berufungsrecht zu.
Nach §1 Abs3 GVG steht die Entscheidung, ob eine land- oder forstwirtschaftliche Liegenschaft iS des §1 Abs2 GVG vorliegt, dem Vorsitzenden der Grundverkehrs-Bezirkskommission nach Anhörung der Gemeinde, in deren Gemeindegebiet, und der Bezirksbauernkammer, in deren Wirkungsbereich die Liegenschaft liegt, zu.
Nach §17 GVG hat die Gemeinde die in §16 lite geregelten Aufgaben im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen.
2. a) Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die von der bf. Gemeinde gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobene Berufung als unzulässig zurückgewiesen und damit ausgesprochen, daß der Gemeinde ein Recht zur Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid nicht zukommt.
Die Erhebung einer Beschwerde nach Art144 Abs1 B-VG gegen den das Berufungsrecht der Gemeinde versagenden angefochtenen Bescheid ist eine in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde fallende Angelegenheit, deren Besorgung dem Gemeinderat vorbehalten ist (vgl. §35 Abs2 Z10 der Nö. Gemeindeordnung 1973 - Nö. GO 1973, LGBl. 1000-4).
b) Die Beschwerde gegen den Bescheid der Grundverkehrs-Landeskommission vom 6. Dezember 1982 wurde nicht vom Gemeinderat, sondern vom Bürgermeister unter Berufung auf §38 Abs3 Nö. GO 1973 eingebracht. Nach dieser Bestimmung ist der Bürgermeister, wenn bei Gefahr im Verzuge der Beschluß des zuständigen Kollegialorganes nicht ohne Nachteil für die Sache oder ohne Gefahr eines Schadens für die Gemeinde abgewartet werden kann, berechtigt, anstelle des sonst zuständigen Organes tätig zu werden.
Mangels jeglicher Darlegung von Gründen, aus denen die Beschwerde anstelle des Gemeinderates vom Bürgermeister zu erheben gewesen wäre, hat der VfGH die Marktgemeinde Ebreichsdorf mit Schreiben vom 16. Feber 1983 aufgefordert, glaubhaft zu machen, daß gemäß §38 Abs3 Nö. GO 1973 Gefahr im Verzuge gewesen sei, und darzulegen, aus welchen Gründen eine Einberufung des Gemeinderates nicht habe in Erwägung gezogen werden können.
c) Von der bf. Gemeinde wurde daraufhin mitgeteilt, daß am 3. Dezember 1982 eine Gemeinderatssitzung stattgefunden habe. Die nächste Gemeinderatssitzung sei für den 25. Feber 1983 zur Mitteilung der vom Bürgermeister vorgenommenen Beschwerdeerhebung einberufen worden.
Der angefochtene Bescheid sei der Gemeinde am 16. Dezember 1982 zugestellt worden. Die Einberufung des Gemeinderates während der Beschwerdefrist sei "mangels beschlußfähiger Mehrheit gemäß §48 der NÖ Gemeindeordnung nicht möglich" gewesen. "Dies infolge der Feiertage (Weihnachten, Neujahr), diverser Urlaube und auch Krankheit" (zB Krankenhausaufenthalt eines Gemeinderates). "Die Entschließung des Bürgermeisters der Marktgemeinde Ebreichsdorf gemäß §38 (3) der NÖ Gemeindeordnung" sei daher "zur Abwendung von Rechtsnachteilen unbedingt erforderlich" gewesen.
Ergänzend dazu wurde ausgeführt, daß nach Einlangen des Bescheides der bel. Beh. bei der Marktgemeinde Ebreichsdorf habe geprüft werden müssen, ob eine Beschwerde überhaupt Aussicht auf Erfolg haben könne oder nicht. Zu diesem Zweck seien die Unterlagen den einschreitenden Rechtsanwälten zur Prüfung und Begutachtung übergeben worden. Diese hätten so rasch wie möglich diese Begutachtung durchgeführt und am 13. Jänner 1983 berichtet. Für die Erteilung des Auftrages zur Verfassung der Beschwerde durch die einschreitenden Anwälte sei daher nur eine Frist von etwa 10 Tagen zur Verfügung gestanden, da sich die einschreitenden Anwälte ausbedungen hätten nach Auftragserteilung einige Zeit, wenigstens einige Tage zur Verfügung zu haben, um die Beschwerde tatsächlich auszuführen. Eine Beschlußfassung durch den Gemeinderat sei daher innerhalb dieser zur Verfügung stehenden wenigen Tage nicht möglich gewesen.
d) Aus den Ausführungen der Marktgemeinde Ebreichsdorf ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen zwischen dem Tag der ihr zugekommenen Beurteilung über die Möglichkeit und Zweckmäßigkeit einer Beschwerdeführung durch die Beschwerdevertreter (13. Jänner 1983) und dem letzten Tag der Beschwerdefrist (27. Jänner 1983) die Möglichkeit der Einberufung einer Sitzung des Gemeinderates nicht bestanden hätte. Die durch den Bürgermeister oder bei seiner Verhinderung durch seinen Stellvertreter gemäß §45 Abs1 Nö. GO 1973 vorzunehmende Einberufung des Gemeinderates ist allen Mitgliedern des Gemeindrates nachweislich und spätestens am fünften Tag vor dem Tag der Gemeinderatssitzung zuzustellen (§45 Abs3 Nö. GO 1973). Der Gemeinderat wäre beschlußfähig gewesen, wenn mindestens zwei Drittel seiner Mitglieder zur Zeit der Beschlußfassung anwesend gewesen wären (§48 Abs1 Nö. GO 1973).
In keiner Weise ist dargelegt, daß es ausgeschlossen gewesen wäre, innerhalb der zur Verfügung stehenden Frist die Gemeinderatsmitglieder zu einer Sitzung des Gemeinderates, mit deren Notwendigkeit bereits seit dem Tag der Zustellung des Bescheides (16. Dezember 1982) gerechnet werden mußte, einzuberufen. Hätte sich die Unmöglichkeit der Durchführung einer solchen Sitzung herausgestellt und wäre damit die Notwendigkeit entstanden, zum zweiten Mal die Mitglieder des Gemeinderates zur Beratung über denselben Gegenstand zu berufen (§48 Abs2 Nö. GO 1973), wäre für den Bürgermeister ohne Zweifel das Recht entstanden, die Beschwerde nach §38 Abs3 Nö. GO 1973 anstelle des Gemeinderates einzubringen.
Da der Mangel, daß die Beschwerde nicht von dem hiefür zuständigen Gemeinderat erhoben worden war, nicht behoben werden konnte, war die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen.
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