VfGH B445/78

VfGHB445/7812.6.1981

EStG 1972; keine Bedenken gegen §68 Abs1 und 2; keine denkunmögliche und keine gleichheitswidrige Gesetzesauslegung; keine Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
EStG §68
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
EStG §68

 

Spruch:

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. In Zuge einer am 13. und 14. Oktober 1976 im protokollierten Unternehmen "Fahrschule K. Ing. H.B." stattgefundenen Lohnsteuerprüfung für die Zeit vom 1. Jänner 1972 bis 31. Dezember 1975 stellte der Prüfer ua. fest, der Inhaber des Unternehmens, Ing. H.B., habe seinen Fahrlehrern Erschwerniszulagen (für die Abhaltung von Fahrstunden auf Motorrädern und Lastkraftwagen), die als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu behandeln seien, steuerfrei gewährt.

Demgemäß wurde Ing. H.B. mit Haftungs- und Zahlungsbescheid des Finanzamtes f. d. 1. Bezirk in Wien vom 25. Oktober 1976, StNr. 720/0767, eine Lohnsteuernachforderung in der Höhe von S 15.406,-

vorgeschrieben.

1.2. Mit Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. vom 19. Juni 1978, Z GA 5-2049/77, wurde die Berufung des Ing. H.B. gegen diesen Bescheid des Finanzamtes für den 1. Bezirk in Wien als unbegründet abgewiesen. In den Gründen dieser Entscheidung heißt es ua. wörtlich:

"Aus ... (§68 Abs1 und 2 EStG 1972) ... ergibt sich, daß die Angehörigkeit zu einem bestimmten Beruf für sich allein noch nicht die steuerfreie Behandlung von gewährten Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen rechtfertigt. Es müssen vielmehr zu den allgemein üblichen Arbeitsbedingungen in einer bestimmten Berufssparte im einzelnen Fall Arbeitsverrichtungen treten, die eine besondere Erschwernis, Verschmutzung oder Gefahr gegenüber den in dieser Berufssparte sonst üblichen Arbeitsbedingungen darstellen. Dabei ist es erforderlich, daß die Tätigkeit, für die die Zulage gewährt wird, überwiegend unter den in den Z1 bis 3 des §68 Abs2 EStG 1972 näher bezeichneten Umständen erfolgt.

Die Gehaltsordnungen der maßgeblichen kollektivvertraglichen Bestimmungen bezeichnen die dem Fahrlehrer pro Unterrichtsstunde zustehende Zulage als Erschwernis-(Witterungs-)Zulage. Unter Erschwerniszulagen sind solche Zulagen zu verstehen, die eine außerordentliche Erschwernis im Vergleich zu den allgemein üblichen Arbeitsbedingungen abgelten. Danach müssen sich die Arbeitsbedingungen des mit einer Erschwerniszulage bedachten Personenkreises von den üblichen Arbeitsbedingungen erheblich unterscheiden. Dies wird immer dann der Fall sein, wenn die Arbeiten unter Einwirkung von Hitze, Kälte oder Nässe, bei Arbeiten im Wasser oder Schlamm, bei Arbeiten auf Gerüsten, in Stollen, Tunnels oder dergleichen ausgeführt werden. ...

Es steht fest, daß die strittige Zulage, die für jede Fahrunterrichtsstunde am Motorrad gewährt wird, nicht deshalb gewährt wird, weil die Unterrichtserteilung am Motorrad überwiegend unter Umständen erfolgt, die im Vergleich zu den allgemeinen Arbeitsbedingungen eine außerordentliche Erschwernis darstellt. ...

Aber auch bei der dem Fahrlehrer für die Unterrichtserteilung am Lastkraftwagen gezahlten Zulage muß man zu dem Ergebnis gelangen, daß hier von einer außerordentlichen Erschwernis gar nicht die Rede sein kann, zumal die zu verrichtenden Arbeiten nicht durch den Fahrlehrer zu erbringen sind, sondern vom Fahrschüler, und der Fahrlehrer hiezu lediglich seine Anweisungen zu geben hat. Darüber hinaus ist zu bedenken, daß diese Arbeiten, die vermeintlich eine steuerfreie Behandlung der betreffenden Zulagen auslösen sollen, Arbeiten darstellen, die im täglichen Leben laufend vorkommen und im Arbeitsablauf der in Frage kommenden Arbeitnehmer immer wieder nur einzelne Handgriffe darstellen. ..."

1.3.1. Dagegen richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde des Ing. H.B. an den VfGH, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG), auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG, Art2 StGG) und auf Freiheit der Erwerbsbetätigung (Art6 StGG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, ferner hilfsweise, und zwar mit Bezugnahme auf Art144 Abs2 B-VG, die Abtretung der Beschwerde an den VwGH begehrt wird.

1.3.2. Die Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. als belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und beantragte darin die Abweisung der Beschwerde.

2. Über die - zulässige - Beschwerde wurde erwogen:

2.1. Ein in das Eigentum des Beschwerdeführers eingreifender Bescheid - wie der angefochtene (vgl. VfSlg. 4743/1964) - verletzt nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH das verfassungsgesetzlich gewährleistete Eigentumsrecht nur dann, wenn er unter Heranziehung einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage oder gesetzlos erging, wobei eine denkunmögliche Anwendung des Gesetzes ebenfalls als Gesetzlosigkeit angesehen wird (vgl. zB VfSlg. 7773/1976, 8010/1977).

2.1.1. Der angefochtene Bescheid wurde nicht ohne jede gesetzliche Grundlage erlassen.

Daß die ihn tragenden Rechtsvorschriften, insbesondere die Bestimmungen des §68 Abs1 und 2 EStG 1972 verfassungswidrig seien, wird vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Auch der VfGH hegt unter dem Blickwinkel des vorliegenden Beschwerdefalles keine derartigen Bedenken.

In diesem Zusammenhang sei angemerkt, daß der Beschwerdeführer zur Stützung seiner Rechtsmeinung in der später zu erörternden Frage denkmöglicher Gesetzeshandhabung zwar den unter "Lohnsteuererläuterungen 1972 (LStE 1972) zum EStG 1972, BGBl. Nr. 440" im AÖFV 309/1972 veröffentlichten Erlaß des Bundesministers für Finanzen vom 5. Dezember 1972, Z 262.000-9b/72, erwähnt, der mit Erlaß des Bundesministers für Finanzen vom 19. Jänner 1973, Z 250.781-9b/73, AÖFV 86/1973 ergänzt und berichtigt wurde und in seinem Abschnitt 25 ua. lautet: "Soweit Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen schon bisher auf Grund lohngestaltender Vorschriften iS des §3 Abs2 und 3 EStG 1967 - ungeachtet einer steuerfreien Behandlung gemäß §3 Abs1 Z16 EStG 1967 - gezahlt wurden, wird es sich im Regelfall um auch nunmehr steuerbegünstigte Zulagen iS des §68 Abs2 handeln." Diese Erläuterungen deklarieren sich in ihrem Eingang jedoch zum Großteil als Wiedergabe der Rechtsprechung des VfGH und des VwGH, soweit das "neue EStG 1972 in seinen Bestimmungen mit der überholten Rechtslage im Einklang steht"; im übrigen handle es sich - heißt es dort weiter - um die Mitteilung der Rechtsauffassung des Bundesministers für Finanzen, woran sich die Aufforderung knüpft, jede finanzbehördliche Entscheidung ausschließlich aus dem Gesetz abzuleiten: Der Bundesminister für Finanzen sprach damit seinen Erläuterungen selbst jegliche normative Wirkung ab und brachte zum Ausdruck, daß der in Rede stehende Erlaß als Rechtsgrundlage einer in Durchführung des EStG 1972 ergehenden finanzbehördlichen Entscheidung nicht in Betracht kommen kann. Daraus folgt, daß diese Erläuterungen - in Ermangelung eines normativen Charakters - auch nicht Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides zu bilden vermögen (vgl. die ständige Rechtsprechung des VfGH: VfSlg. 5300/1966, 5799/1968, 6928/1972, VfSlg. 8858/1980). Das gleiche gilt für den vom Beschwerdeführer ebenfalls erwähnten Erlaß der Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. vom 4. November 1974, Z GA 5-61/32/74, welcher der Sache nach lediglich eine vom Bundesminister für Finanzen der Gewerkschaft der Privatangestellten mitgeteilte Rechtsansicht - an Finanzdienststellen - weitergibt.

2.1.2. Der Beschwerdeführer könnte demnach im Eigentumsrecht nur verletzt sein, wenn der belangten Behörde eine - der Gesetzlosigkeit gleichzuhaltende - denkunmögliche Rechtsanwendung zur Last fiele.

In diese Richtung deuten die Beschwerdeausführungen, wenn der Beschwerdeführer - sinngemäß zusammengefaßt - einwendet, die besondere Art und Weise der Berufsausübung der angestellten Fahrlehrer rechtfertige eine Schmutzzulage und die Bejahung sowohl einer außerordentlichen Erschwernis als auch einer gesundheitlichen Gefährdung.

Diese weitläufig vorgetragenen Einwände sind jedoch im Verfahren vor dem VfGH nicht zielführend; denn der VfGH hat nicht zu untersuchen, ob der dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Sachverhalt den Tatsachen entspricht und die von der belangten Behörde gewählte Auslegung des EStG 1972 richtig ist: Keinesfalls kann der Berufungsbescheid als schlechthin denkunmöglich qualifiziert werden, und zwar weder in sachverhaltsmäßiger noch in rechtlicher Hinsicht. So ist angesichts des Gesetzeswortlautes (§68 Abs1 Z2 EStG 1972) insbesondere die Rechtsauffassung denkmöglich, eine Zulage in der Bedeutung des §68 EStG 1972 setze voraus, daß sich die Arbeitsbedingungen des zu berücksichtigenden Personenkreises von den in dieser Berufssparte allgemein üblichen erheblich unterscheiden; ebenso denkmöglich ist aber auch die tatsächliche Annahme der belangten Behörde, daß im konkreten Fall von einem derartigen erheblichen Unterschied nicht gesprochen werden könne: In Wahrheit suchen die dem Grundrecht nach Art5 StGG gewidmeten Beschwerdepartien nach Inhalt und Zielsetzung lediglich nachzuweisen, daß die Berufungsbehörde in verfehlter Verneinung der Voraussetzungen des §68 EStG 1972 rechtsirrig entschieden habe. Damit wird jedoch nicht ein in die Verfassungssphäre reichendes Fehlverhalten der belangten Behörde aufgezeigt, vielmehr einzig und allein die einfachgesetzliche Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestritten, worüber nicht der VfGH nach Art144 B-VG, sondern ausschließlich der nach Art129 B-VG zur Sicherung der Gesetzmäßigkeit der gesamten öffentlichen Verwaltung berufene VwGH zu befinden hat.

2.1.3. Abschließend bleibt festzuhalten, daß der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nicht verletzt wurde.

2.2. Die vom Beschwerdeführer weiters behauptete Gleichheitsverletzung läge angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften (s. 2.1.1.) nur dann vor, wenn die Behörde bei Erlassung des bekämpften Bescheides Willkür geübt hätte (vgl. VfSlg. 7619/1975, 8275/1978 ua.).

2.2.1. Daß das vom Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes gerügte Verhalten der belangten Behörde nicht mit einer der Gesetzlosigkeit gleichkommenden Denkunmöglichkeit belastet ist, wurde schon zu 2.1.2. festgehalten. Eine solche unter Umständen als Indiz für Willkür in Betracht zu ziehende Wertung scheidet daher bei Prüfung der Frage, ob eine Gleichheitsverletzung stattfand, von vornherein aus (vgl. VfSlg. 7962/1976 ua.). Es finden sich aber auch sonst keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung von unsachlichen Erwägungen geleitet worden wäre. Das gesamte Verwaltungsgeschehen, insbesondere jedoch die ausführliche Begründung des angefochtenen Bescheides, zeigt vielmehr, daß die Behörde bemüht war, dem Gesetz die von ihr als richtig erkannte Geltung zu verschaffen; ein solches Bemühen schließt nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH Willkür aus, und zwar auch dann, wenn es nicht von Erfolg begleitet gewesen sein sollte (vgl. VfSlg. 7860/1976 ua.).

2.2.2. Auch aus der erkennbaren Beschwerdeeinrede, die Behörde habe in gleichartigen Fällen anders entschieden, ist für den Standpunkt des Beschwerdeführers letztlich nichts zu gewinnen.

Denn selbst wenn in anderen Rechtssachen gesetzwidrig verfahren worden sein sollte, könnte ein solches Vorgehen dem Beschwerdeführer kein Recht auf gleiches behördliches Fehlverhalten einräumen (vgl. zB VfSlg. 6992/1973, 7962/1976).

2.2.3. Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß der Beschwerdeführer auch nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsrecht verletzt wurde.

2.3. Gemäß Art6 StGG darf jeder Staatsbürger an jedem Ort des Staatsgebietes unter den gesetzlichen Bedingungen jeden Erwerbszweig ausüben. Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH setzt eine Verletzung dieses Grundrechtes voraus, daß jemandem durch verwaltungsbehördlichen Bescheid der Antritt oder die Ausübung einer bestimmten Erwerbstätigkeit untersagt wird (zB VfSlg. 1372/1931, 1494/1932, 3404/1958, 4940/1965, 5305/1966).

Dies ist hier offenkundig nicht der Fall.

2.4. Die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes wurde nicht behauptet und kam auch im Verfahren vor dem VfGH nicht hervor.

Im Hinblick auf die aus der Sicht dieses Beschwerdefalles gegebene verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der dem bekämpften Bescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschriften wurde der Beschwerdeführer aber auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt (s. auch 2.1.1.).

2.5. Die Beschwerde war bei der geschilderten Sach- und Rechtslage als unbegründet abzuweisen.

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