VfGH B412/10

VfGHB412/1030.6.2011

B-VG Art144 Abs1 / Anlassfall
B-VG Art144 Abs1 / Anlassfall

 

Spruch:

I. Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundesministerin für Finanzen) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.600,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Die Beschwerdeführerin war in den Jahren 2000 bis 2005 zu 50 % an einer GmbH beteiligt, die im Jahr 2005 in eine KG umgewandelt wurde. Die KG wurde im Jahr 2006 aufgelöst; die Beschwerdeführerin war fortan unselbständig beschäftigt. Da die GmbH bis zu ihrer Umwandlung keine Gewinne erwirtschaftet hatte, ging ein von ihr entrichteter Betrag an Mindestkörperschaftsteuer iHv € 7.499,38 im Zuge der Umwandlung auf ihre Gesellschafter über. Die Beschwerdeführerin begehrte im Zuge der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2008 (der eine Gutschrift iHv € 258,73 auswies) den auf sie entfallenden Betrag an Mindeststeuern (€ 3.749,69) anzurechnen bzw. auszuzahlen.

Mit letztinstanzlichem Bescheid versagte die belangte Behörde die Anrechnung bzw. Auszahlung des geltend gemachten Betrages. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, die die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie die Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet.

2. Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "nach Berücksichtigung der in §46 Abs1 des Einkommensteuergesetzes 1988 genannten Beträge" im dritten Satz sowie der Verfassungsmäßigkeit des vierten Satzes des §9 Abs8 des Umgründungssteuergesetzes, BGBl. 699/1991 idF BGBl. 201/1996, ein. Mit Erkenntnis vom 30. Juni 2011, G15/11, hob er die Wortfolge "nach Berücksichtigung der in §46 Abs1 des Einkommensteuergesetzes 1988 genannten Beträge" im dritten Satz dieser Bestimmung als verfassungswidrig auf.

3. Die Beschwerde ist begründet.

Die belangte Behörde hat eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin nachteilig war.

Die Beschwerdeführerin wurde also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg. 10.404/1985).

Der Bescheid war daher aufzuheben.

4. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,-- sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 220,-- enthalten.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte