VfGH B362/81

VfGHB362/813.3.1982

Elektrotechnikgesetz; keine Zuständigkeit des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie zur Erteilung einer elektrizitätsrechtlichen Bewilligung eines Projektes auch nicht im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Bauten und Technik; Entzug des gesetzlichen Richters

Normen

B-VG Art83 Abs2
BundesministerienG 1973 §13
ElektrotechnikG
StarkstromwegeG 1968
B-VG Art83 Abs2
BundesministerienG 1973 §13
ElektrotechnikG
StarkstromwegeG 1968

 

Spruch:

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Bescheid vom 20. April 1981 wurde der Österreichischen Elektrizitätswirtschafts-AG - Verbundgesellschaft die Bewilligung zur Abänderung, Erweiterung und Errichtung bestimmter Hochspannungsfreileitungsanlagen und des "380 kV-Umspannwerkes Ernsthofen" erteilt. Der Spruch dieses Bescheides hat - soweit er im vorliegenden Fall von Belang ist - folgenden Wortlaut:

"Der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie erteilt im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Bauten und Technik der Österreichischen Elektrizitätswirtschafts-AG - Verbundgesellschaft sowie deren allfälligen Rechtsnachfolgern für das oben beschriebene Detailprojekt - erste Ausbaustufe sowie der für die späteren Ausbaustufen bereits jetzt erforderlichen Baumaßnahmen - der Errichtung des den vorgenannten elektrischen Leitungsanlagen gemeinsamen 380 kV-Netzknotens samt dadurch erforderlicher Abänderung der beiden vorgenannten 220 kV-Hochspannungsfreileitungsanlagen samt allen erforderlichen gemeinsamen Steuer-, Hilfs-, Meß- und sonstigen gemeinsamen Einrichtungen und den unmittelbaren Abgängen und Einbindungen dieser Hochspannungsfreileitungsanlagen im Bereich des Netzknotens

a) auf Grund der §§6 und 7 des Bundesgesetzes vom 6. Februar 1968 über elektrische Leitungsanlagen die sich auf zwei oder mehrere Bundesländer erstrecken (Starkstromwegegesetz 1968), BGBl. Nr. 70/1968, (in der Folge StWG bezeichnet) die Bewilligung zur Durchführung des eingangs bezeichneten Detailprojektes (energiewirtschaftsrechtliche Baubewilligung);

b) auf Grund der gemäß §9 des Bundesgesetzes vom 17. März 1965, BGBl. Nr. 57/1965, über Sicherheitsmaßnahmen, Normalisierung und Typisierung auf dem Gebiete der Elektrotechnik (in der Folge ETG bezeichnet) vorgenommenen Überprüfung des Projektes und der hiezu getroffenen Feststellung, daß gemäß §§2, 3, 9 und 12, Abs2 ETG samt den hiezu ergangenen Durchführungsverordnungen gegen die Planung und bauliche Durchführung des Projekts vom Standpunkt der elektrotechnischen Sicherheit, der Normalisierung und Typisierung auf dem Gebiete der Elektrotechnik keine Einwände zu erheben sind, die elektrizitätsrechtliche Bewilligung iS des Elektrotechnikgesetzes."

Der Bescheid enthält im Kopf den Aufdruck "Republik Österreich, Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie" und ist "für den Bundesminister" von einem Beamten - offenkundig aus dem Personalstand des Bundesministeriums für Handel, Gewerbe und Industrie unterfertigt.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde. Die Beschwerdeführerin, deren Grundstücke von der Errichtung der geplanten Anlage betroffen sind, erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (vgl. zB VfSlg. 8828/1980).

Mit dem angefochtenen Bescheid hat der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie sowohl über die Bewilligung nach dem Starkstromwegegesetz als auch über die Bewilligung nach dem Elektrotechnikgesetz entschieden. Wohl fällt es in die Zuständigkeit des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie, über die Genehmigung nach dem Starkstromwegegesetz zu entscheiden (§13 des Bundesministeriengesetzes 1973, BGBl. 389, in Verbindung mit der Anlage zu §2, Teil 2, Abschnitt F Z13). Anders ist jedoch die Rechtslage hinsichtlich der elektrizitätsrechtlichen Bewilligung nach dem Elektrotechnikgesetz; diese Entscheidung fällt (s. §3 Abs1 Z9 des BG vom 25. Mai 1966, BGBl. 70) ausschließlich in den Wirkungsbereich des Bundesministers für Bauten und Technik. Dem Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie kam weder auf Grund des Bundesministeriengesetzes 1973 noch einer anderen gesetzlichen Bestimmung das Recht zur Fällung dieser in die Zuständigkeit des Bundesministers für Bauten und Technik fallenden Entscheidung zu.

Die von der belangten Behörde in der Gegenschrift aufgestellte Behauptung, es handle sich um einen "gemeinsamen" Bescheid der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie sowie Bauten und Technik trifft schon deshalb nicht zu, weil der angefochtene Bescheid, wie aus dessen Inhalt (s. oben unter Pkt. I.1.) klar zu erkennen ist, (nur) vom Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie nach Herstellung des Einvernehmens mit dem Bundesminister für Bauten und Technik erlassen und mit der Fertigungsklausel für den Bundesminister versehen worden ist.

Auch der Hinweis der belangten Behörde auf das Erk. VfSlg. 7878/1976 führt zu keinem anderen Ergebnis, weil im dort angefochtenen Bescheid die energiewirtschaftsrechtliche Bewilligung und die elektrizitätsrechtliche Bewilligung trennbar waren.

Die Beschwerdeführerin ist somit dadurch, daß der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie eine Zuständigkeit in Anspruch genommen hat, die einem anderen Bundesminister zustand, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden. Da die Entscheidung über beide Bewilligungen im angefochtenen Bescheid einheitlich gefällt wurde und dieser untrennbaren Inhaltes (derselbe Sachverhalt, dieselben Auflagen und Bedingungen, einheitliche Begründung) ist, war der Bescheid zur Gänze aufzuheben, ohne daß auf das weitere Vorbringen der Beschwerdeführerin einzugehen war (vgl. das einen gleichgelagerten Bescheid des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie betreffende Erk. des VfGH vom 1. Juli 1981, B309/77).

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