Normen
B-VG Art2
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
StGG Art5
Tir BauO §27
ABGB §354
ABGB §523
B-VG Art2
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
StGG Art5
Tir BauO §27
ABGB §354
ABGB §523
Spruch:
Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid nicht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt wurde.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Am 12. April 1996 suchte die R-ges.mbH als Bauwerberin um die baubehördliche Bewilligung zum Abbruch und zum Umbau eines bestehenden Einkaufszentrums in Innsbruck an.
Mit Bescheid vom 28. Juni 1996 erteilte der Stadtmagistrat Innsbruck gemäß §31 Abs10 der Tiroler Bauordnung die Baubewilligung für den "Umbau des bestehenden Einkaufszentrums" unter Vorschreibung von insgesamt 25 Auflagen.
1.2.1. Gegen diesen Bescheid erhob die Grundeigentümerin, die Landeshypothekenbank Tirol, Berufung, weil die Baubewilligung ohne Zustimmung des Grundeigentümers erteilt worden sei.
1.2.2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die gemäß §51 Abs2 der Tiroler Bauordnung eingerichtete Berufungskommission in Bausachen die Berufung mit folgender Begründung ab:
Strittig sei, ob das vorliegende Bauvorhaben als Umbau iSd §3 Abs7 der Tiroler Bauordnung zu qualifizieren und deshalb die Zustimmungserklärung der Miteigentümer gemäß §27 Abs3 litb Tiroler Bauordnung erforderlich sei. Dabei bestimme die genannte Gesetzesstelle (Begriffsbestimmung §3 Abs7 Tiroler Bauordnung), daß der Umbau die bauliche Veränderung eines Gebäudes sei, durch die, ohne die Außenmaße zu vergrößern, die Raumeinteilung oder die äußere Gestalt des Gebäudes so geändert werde, daß das Gebäude nach der Veränderung im Verhältnis zum ursprünglichen Gebäude als ein anderes anzusehen sei.
Durch die in der Baubeschreibung festgelegten baulichen Änderungen sei das gesamte Gebäude nach den beabsichtigten Baumaßnahmen zweifelsfrei ebenfalls als Einkaufszentrum anzusehen, weil die Außenmaße nicht vergrößert und das äußere Erscheinungsbild sowie der Verwendungszweck nicht grundlegend geändert werden.
Zutreffenderweise sei daher die Baubehörde erster Instanz davon ausgegangen, daß das Gebäude nach der Veränderung im Verhältnis zum ursprünglichen Gebäude als kein anderes anzusehen ist, sodaß bloß eine bewilligungspflichtige Veränderung des Gebäudes vorliege und daher vom Erfordernis der Beibringung der Zustimmungserklärung abgesehen werden konnte.
Darüber hinaus stehe aufgrund ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs fest, daß dem grundbücherlichen Miteigentümer lediglich eine eingeschränkte Parteistellung zukomme (nämlich Erteilung bzw. Versagung der Zustimmungserklärung zu einem Bauverfahren), sodaß die Baubehörde erster Instanz davon ausgehen konnte, daß durch das Bauvorhaben Interessen der Nachbarn offensichtlich nicht beeinträchtigt werden, und sohin von der Abhaltung einer Bauverhandlung nach §29 Tiroler Bauordnung abgesehen werden konnte.
1.2.3.1. Dagegen richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde der Grundeigentümerin, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) und auf Gleichheit aller Bundesbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG), und zwar durch die Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm, geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
1.2.3.2. Die Berufungskommission in Bausachen der Landeshauptstadt Innsbruck erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
1.2.3.3. Die Tiroler Landesregierung erstattete eine Stellungnahme zu den von der Beschwerde vorgebrachten Bedenken gegen die angewendeten Rechtsvorschriften.
2. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
2.1.1. Gemäß §27 Abs2 der Tiroler Bauordnung (TBO), LGBl. 33/1989 (WV) idF 10/1995, sind einem Bauansuchen alle Unterlagen anzuschließen, die für die Beurteilung der Zulässigkeit des Bauvorhabens (nach diesem Gesetz und den Verordnungen auf Grund dieses Gesetzes) erforderlich sind.
In den lita bis c leg. cit. folgt eine Aufzählung von Unterlagen, die jedenfalls anzuschließen sind. In dieser Aufzählung ist die Zustimmungserklärung des Grundeigentümers nicht enthalten.
Gemäß §27 Abs3 litb TBO sind einem Ansuchen um die Erteilung der Bewilligung für den Neu-, Zu- oder Umbau eines Gebäudes überdies anzuschließen:
"b) die Zustimmungserklärung des Grundeigentümers oder des Bauberechtigten, wenn der Bauwerber nicht Grundeigentümer bzw. Bauberechtigter ist, sowie die Bestätigung des Vorsitzenden der Grundverkehrsbehörde nach §2 Abs2 des Grundverkehrsgesetzes 1983, LGBl. Nr. 69, oder den Bescheid der Grundverkehrsbehörde, mit dem sie feststellt, daß die Erteilung dieser Zustimmung nicht der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde bedarf, oder den Bescheid der Grundverkehrsbehörde, mit dem sie die Zustimmung erteilt;"
2.1.2. Daraus ergibt sich, daß für bewilligungspflichtige Nnderungen eines Gebäudes, die kein Umbau sind, eine Zustimmungserklärung des Grundeigentümers samt grundverkehrsbehördlicher Entscheidung nicht zwingend erforderlich ist. (Diese Rechtslage besteht seit der 3. BauONov. LGBl. 10/1989.)
2.2.1. Unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums bringt die Beschwerde vor, es handle sich um einen Eigentumseingriff ("Quasi-Enteignung"), wenn der Mieter oder sonst Nutzungsberechtigte jegliche nicht unter den Begriff des Neu-, Zu- oder Umbaues von Gebäuden fallende Änderung ohne Zustimmung vornehmen dürfe. Daran vermögen auch die zivilrechtlichen Bestimmungen nichts zu ändern, weil bei maßgeblichen Änderungen eine Wiederherstellung entweder nicht tunlich sei oder der scheidende Mieter finanziell nicht in der Lage sein werde, dem Vermieter die dafür anfallenden Kosten zu ersetzen.
Auch sei der zivilrechtliche Schutz des Grundeigentümers vor unzulässigen Bauführungen nicht ausreichend. Es sei fraglich, ob die gemäß §§340 bis 342 ABGB dem Besitzer zustehende Berechtigung, das Verbot einer beabsichtigten Bauführung vor Gericht zu fordern, - analog angewendet - dem bücherlichen Eigentümer zukomme.
Ferner widerspreche es dem Gleichheitsgrundsatz, wenn der Eigentümer trotz Offenkundigkeit der Unzulässigkeit einer Bauführung auf ein Zivilverfahren verwiesen werde, welches naturgemäß länger dauere als ein "verwaltungsgerichtliches Verfahren" (offensichtlich gemeint: Verwaltungsverfahren); schließlich sei es gleichheitswidrig, wenn ein Grundeigentümer in Tirol - dem einzigen Bundesland, in dem der Grundeigentümer seine Zustimmung zur Erteilung einer Baubewilligung nicht geben müsse - schlechter behandelt werde als in den übrigen Bundesländern.
2.2.2. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die Beschwerde allein mit dem Hinweis auf andere österreichische Bauordnungen unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes nichts zu gewinnen vermag, liegt es doch in der Natur eines Bundesstaates, daß sich die einzelnen landesrechtlichen Regelungen voneinander unterscheiden (s. etwa VfSlg. 8161/1977, 8247/1978, 8475/1978, 8934/1980, 9116/1981, 9546/1982, 9804/1983, 10457/1985, 11641/1988, 11979/1989, 12949/1991).
Es kann daher dahingestellt bleiben, inwieweit die Behauptung der Beschwerde zutrifft, Tirol sei das einzige Bundesland, in dem die Baubewilligung für Veränderungen eines Gebäudes ohne Zustimmung des Grundeigentümers erteilt werden könne.
2.2.3. Es ist einzuräumen, daß die meisten Bauordnungen aus der vorrepublikanischen Zeit den Bauwerber dazu verpflichteten, mit dem Antrag auf Erteilung der Baubewilligung sein Eigentumsrecht am Baugrund oder die Zustimmung des Grundeigentümers nachzuweisen (vgl. die Übersicht bei Mayerhofer - Pace, Handbuch für den politischen Verwaltungsdienst Bd 3 1897 S. 952 f).
Krzizek, System des Österreichischen Baurechts Bd 1 1972 S. 125, leitet dieses Erfordernis daraus ab, daß das subjektive Baurecht aus dem Eigentum am Baugrund erfließt. Daher könne ein Dritter nur mit Zustimmung des Grundeigentümers um die Erteilung einer Baubewilligung ansuchen.
2.2.4.1. Dem ist aber zu erwidern: Prüfungsmaßstab für die Erteilung einer Baubewilligung nach der im vorliegenden Fall anzuwendenden TBO ist nicht die privatrechtliche Verfügungsmacht, auf einem Grundstück ein Bauwerk zu errichten, sondern ausschließlich das dem öffentlichen Recht angehörende Raumordnungsrecht und Baurecht.
Gemäß §31 Abs9 TBO ist die Baubewilligung zu erteilen, wenn keine Gründe für eine Zurückweisung oder Abweisung vorliegen.
Ein Bauansuchen ist abzuweisen, wenn
es dem Flächenwidmungsplan, dem Bebauungsplan, örtlichen Bauvorschriften oder einer Bausperre widerspricht,
das Grundstück für die vorgesehene Bebauung nicht geeignet ist,
das Bauvorhaben der Bauordnung oder ihren Durchführungsverordnungen widerspricht oder
das Bauvorhaben das Orts-, Straßen- oder Landschaftsbild erheblich beeinträchtigt (§31 Abs4 TBO).
2.2.4.2. Die Baubewilligung als Ergebnis der materiellen Prüfung eines Bauansuchens am Maßstab der öffentlich-rechtlichen Regelungen des Raumordnungsrechts und Baurechts bedeutet die Verleihung des subjektiven öffentlichen Rechts, einen Bau nach Maßgabe der bewilligten Pläne zu errichten, und beinhaltet lediglich die Feststellung, daß das geplante Vorhaben vom öffentlich-rechtlichen Standpunkt des Raumordnungsrechts und des Baurechts her zulässig ist. Normativer Gehalt einer Baubewilligung ist nur der Ausspruch, daß dem zur Bewilligung beantragten Bau kein im öffentlichen Recht fußendes Hindernis entgegensteht. Die Baubewilligung sagt nichts darüber aus, ob der bewilligte Bau nicht etwa mit Mitteln des Privatrechtes verhindert werden kann (VwSlg A8161/1972). Sie ist daher schon an sich nicht geeignet, in das Eigentumsrecht des Grundeigentümers einzugreifen.
Nun könnte dem entgegengehalten werden, daß zwar nicht die materielle, sondern die formelle Prüfung des Bauansuchens in der Regel doch auf die privatrechtliche Verfügungsmacht abstellt; denn das Bauansuchen ist gemäß §31 Abs2 TBO zurückzuweisen, wenn die nach §27 TBO erforderlichen Unterlagen trotz Setzung einer Nachfrist (§13 Abs3 AVG) nicht vollständig beigebracht werden. Zu diesen Unterlagen gehört bei einem Ansuchen um Erteilung der Bewilligung für den Neu-, Zu- oder Umbau (und nicht auch für die Änderung) eines Gebäudes die Zustimmungserklärung des Grundeigentümers.
Der Grund, weshalb fast alle Bauordnungen der Länder als Formerfordernis eines Bauantrages die Zustimmung des Bauwerbers fordern, liegt offenkundig einerseits darin, daß dadurch ein aufwendiges Verwaltungsverfahren bezüglich eines Vorhabens vermieden wird, das letztlich mangels Zustimmung des Grundeigentümers nicht realisiert werden kann. Andererseits können verschiedene Verpflichtungen, die sich an eine Baubewilligung knüpfen (wie zB die Verpflichtung zur Grundabtretung), nur vom Grundeigentümer erfüllt werden.
2.2.5.3. Der Verfassungsgerichtshof ist mit dem Verwaltungsgerichtshof (VwSlg A8161/1972) der Auffassung, daß es nicht verfassungsrechtliche, sondern rechtspolitische und verwaltungsökonomische Gründe waren, die den Landesgesetzgeber bewogen haben, den Anspruch auf Erteilung einer Baubewilligung für eine Bauführung auf fremdem Grund - bis zur 3. BauONov ausnahmslos - von der Zustimmung des Eigentümers dieses Grundes abhängig zu machen.
Eine solche Regelung ist aber - da die Baubewilligung nicht in das Eigentumsrecht des Grundeigentümers eingreifen kann - unter dem Gesichtspunkt des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums nicht geboten. Dem Grundeigentümer, der gemäß §354 ABGB jeden anderen vom Betreten seines Grundstückes und damit auch von Bauführungen auf seinem Grund auszuschließen berechtigt ist, bleibt es im Falle einer nach dem Privatrecht unzulässigen Bauführung jedoch unbenommen, eine derartige Bauführung mit den Mitteln des Privatrechtes (Eigentumsfreiheitsklage - §523 ABGB) zu bekämpfen.
Dem Gesetzgeber kann daher von Verfassungs wegen nicht entgegengetreten werden, wenn er - sei es aus Gründen der Klarstellung der Rechtslage, der Deregulierung oder der Verwaltungsvereinfachung - bei bestimmten Bauführungen auf fremdem Grund auf die Beibringung der Zustimmungserklärung des Grundeigentümers verzichtet. Die angewendeten Bestimmungen der TBO widersprechen daher nicht Art5 StGG.
2.3. Ist aber das Erfordernis der Zustimmungserklärung des Grundeigentümers vor dem Hintergrund des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums nicht geboten, so gehen auch die unter dem Gesichtspunkt des auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgrundsatzes vorgetragenen Argumente der Beschwerde ins Leere. Denn dann ergibt sich die unterschiedliche Rechtsstellung des Grundeigentümers im Bauverfahren und in einem zivilgerichtlichen Verfahren aus der Natur des jeweiligen subjektiven Rechtes. Erfordert es die Verfassung nicht, dem Grundeigentümer ein subjektives öffentliches Recht auf Nichterteilung der Baubewilligung einzuräumen und räumt die konkrete Bauordnung ihm auch einen solchen Anspruch nicht ein, so folgt daraus notwendig, daß der Grundeigentümer seine Ansprüche mit den Mitteln des Privatrechtes durchsetzen muß. Aus diesem Grunde bestehen gegen die angewendeten Bestimmungen der TBO auch keine gleichheitsrechtlichen Bedenken.
2.4. Die Beschwerdeführerin hat der Sache nach und substantiiert nur die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm behauptet. Vollzugsfehler sind nicht hervorgekommen. Auch die Beschwerde bringt in dieser Hinsicht nichts vor.
Die Beschwerde war daher abzuweisen und antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.
3. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
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