VfGH B2907/97

VfGHB2907/977.6.1999

Anlaßfallwirkung der Feststellung der Verfassungswidrigkeit des letzten Satzes des §118 Abs9 Nö BauO mit E v 09.12.98, G134/98.

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

 

Spruch:

Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Niederösterreich ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Rabenstein a.d. Pielach vom 28. Februar 1997 wurde der mitbeteiligten Partei die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung einer Autowerkstätte und einer Verkaufshalle erteilt. Die vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wurde vom Gemeinderat abgewiesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 15. Oktober 1997, berichtigt durch Bescheid vom 23. Oktober 1997, wies die Niederösterreichische Landesregierung die vom Anrainer erhobene Vorstellung ab und verwies in der Begründung auf den letzten Satz des §118 Abs9 der Niederösterreichischen Bauordnung 1976, LGBl. 8200-0 idF LGBl. 8200-14, wonach subjektiv-öffentliche Rechte des Anrainers bei Bauvorhaben, die außer der baubehördlichen auch einer gewerbebehördlichen Bewilligung bedürfen, nur durch die Bestimmung gemäß Z4 begründet werden. Von daher prüfte die belangte Behörde alle bei der mündlichen Verhandlung gemachten Einwendungen nur im Hinblick auf Z4 dieser Bestimmung.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde des Anrainers, in der die Verletzung in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen (des §118 Abs9 letzter Satz NÖ BauO 1976 sowie des Flächenwidmungsplanes) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

3. Die Niederösterreichische Landesregierung als belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragt, die Beschwerde abzuweisen bzw. aus Anlaß der Bescheidbeschwerde kein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplanes der Marktgemeinde Rabenstein a.d. Pielach einzuleiten.

4. Der Gemeinderat der Marktgemeinde Rabenstein erstattete eine Äußerung, in welcher er seine Entscheidung verteidigt.

5. Mit amtswegigem Beschluß vom 16. Juni 1998, B1364/96 leitete der Verfassungsgerichtshof das Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des letzten Satzes des §118 Abs9 NÖ BauO 1976, LGBl. 8200-0 idF LGBl. 8200-14, ein. Mit Erkenntnis vom 9. Dezember 1998, G134/98, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, daß diese Bestimmung verfassungswidrig war.

II. 1. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10616/1985, 11711/1988).

Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren zu G134/98 begann am 9. Dezember 1998. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 2. Dezember 1997 eingelangt, war also zum Zeitpunkt des Beginns der nichtöffentlichen Beratung im Verfahren zu G134/98 schon anhängig; der Fall ist somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.

Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war. Der Beschwerdeführer wurde somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt.

Der Bescheid ist daher aufzuheben.

2. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG 1953 abgesehen.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG 1953. In den zuerkannten Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von

S 3.000,-- enthalten.

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