Normen
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
FremdenG 1997 §36 Abs2
FremdenG 1997 §37
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
FremdenG 1997 §36 Abs2
FremdenG 1997 §37
Spruch:
I. Den Anträgen auf Gewährung der Verfahrenshilfe wird stattgegeben.
II. Die Beschwerdeführerinnen sind, soweit jeweils durch Punkt 3. des Spruches der angefochtenen Bescheide ihre Anträge auf Erteilung eines einjährigen Abschiebungsaufschubes wegen Unzulässigkeit der Abschiebung gemäß §36 Abs2 Fremdengesetz, BGBl. 838/1992, abgewiesen wurden, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.
Die Bescheide werden insoweit aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, den Beschwerdeführerinnen zu Handen ihrer Rechtsvertreter die mit jeweils S 18.000,-- bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Beschwerdeführerinnen - beide sind Staatsangehörige der Volksrepublik China - versuchten am 6. März 1997 an der Grenzkontrollstelle Salzburg-Hauptbahnhof mit Hilfe eines "Schleppers" und unter Verwendung verfälschter Reisedokumente nach Deutschland auszureisen. Am selben Tag wurden sie gemäß §41 Fremdengesetz, BGBl. 838/1992 (im folgenden: FrG), in Schubhaft genommen. Mit Bescheiden vom 11. März 1997 wurde gegen die Beschwerdeführerinnen gemäß §18 Abs1 und 2 Z6 und 7 unter Bedachtnahme auf die §§19 und 20 des FrG jeweils ein bis zum 11. März 2002 befristetes Aufenthaltsverbot verhängt. Mit Bescheiden jeweils vom 21. August 1997 wies die Bundespolizeidirektion Salzburg mit Punkt 3. des Spruches der Bescheide die Anträge auf Erteilung eines einjährigen Abschiebungsaufschubes wegen Unzulässigkeit der Abschiebung gemäß §36 Abs2 FrG ab. Begründend führte die belangte Behörde jeweils aus, daß eine Abschiebung in die Volksrepublik China nicht unzulässig sei, da ein Antrag im Sinne des §54 FrG trotz ausdrücklicher Rechtsbelehrungen nicht rechtzeitig gestellt worden sei und daher eine Feststellung gemäß §37 Abs1 und 2 FrG nicht erfolgte.
2. Gegen Punkt 3. des Spruches dieser - gemäß §70 Abs3 FrG keinem Instanzenzug unterliegenden - Bescheide wenden sich die vorliegenden, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof, in welcher die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte, nicht der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden, auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der bekämpften Bescheidteile begehrt wird.
3. Die Bundespolizeidirektion Salzburg als belangte Behörde dieser verfassungsrechtlichen Beschwerdeverfahren hat die Verwaltungsakten vorgelegt und Äußerungen erstattet, in welchen beantragt wird, die Beschwerden als unbegründet abzuweisen.
4. §36 Abs2 FrG steht in folgendem normativen Zusammenhang:
"Abschiebung
§36. (1) Fremde, gegen die ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung durchsetzbar ist, können von der Behörde zur Ausreise verhalten werden (Abschiebung), wenn
1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint oder
2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind oder
3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen oder
4. sie dem Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.
(2) Die Abschiebung eines Fremden ist auf Antrag oder von Amts wegen auf bestimmte, jeweils ein Jahr nicht übersteigende Zeit aufzuschieben (Abschiebungsaufschub), wenn sie unzulässig ist (§37) oder aus tatsächlichen Gründen unmöglich scheint. Für die Festsetzung von Auflagen und für den Widerruf gelten die §§24 und 25 Abs1.
(3) Liegen bei Angehörigen (§72 StGB) die Voraussetzungen für die Abschiebung gleichzeitig vor, so hat die Behörde bei deren Durchführung besonders darauf zu achten, daß die Auswirkung auf das Familienleben dieser Fremden so gering wie möglich bleibt.
(4) Die Abschiebung kann im Reisedokument des Fremden ersichtlich gemacht werden.
Verbot der Abschiebung, Zurückschiebung und
Zurückweisung
§37. (1) Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß er Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.
(2) Die Zurückweisung oder Zurückschiebung eines Fremden in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dort sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre (Art33 Z1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolles über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974).
(3) Ein Fremder der sich auf eine der in Abs1 oder 2 genannten Gefahren beruft, darf erst zurückgewiesen oder zurückgeschoben werden, nachdem er Gelegenheit hatte, entgegenstehende Gründe darzulegen. In Zweifelsfällen ist die Behörde vor der Zurückweisung vom Sachverhalt in Kenntnis zu setzen.
(4) Die Abschiebung eines Fremden in einem Staat, in dem er im Sinne des Abs2 bedroht ist, ist nur zulässig, wenn der Fremde aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder wenn er nach rechtskräftiger Verurteilung wegen eines Verbrechens, das mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist, eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet (Art33 Z2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge).
(5) Das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs4 ist mit Bescheid festzustellen. Dies obliegt in den Fällen des §5 Abs1 Z3 des Asylgesetzes 1991 der Asylbehörde, sonst der Sicherheitsdirektion.
(6) Die Abschiebung eines Fremden in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer einstweiligen Maßnahme durch die Europäische Kommission für Menschenrechte oder die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
...
...
Feststellung der Unzulässigkeit
der Abschiebung in einen bestimmten Staat
§54. (1) Auf Antrag eines Fremden hat die Behörde mit Bescheid festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß §37 Abs1 oder 2 bedroht ist.
(2) Der Antrag kann nur während des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes eingebracht werden; hierüber ist der Fremde rechtzeitig in Kenntnis zu setzen.
(3) Über Berufungen gegen Bescheide, mit denen die Zulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat festgestellt wurde, ist binnen Wochenfrist zu entscheiden, es sei denn, die Anhaltung hätte vorher geendet.
(4) Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antag darf der Fremde in diesen Staat nicht abgeschoben werden. Nach Abschiebung des Fremden in einen anderen Staat ist das Feststellungsverfahren als gegenstandslos einzustellen."
II. Die Voraussetzungen für die
Gewährung der Verfahrenshilfe liegen vor; sie war deshalb zu gewähren.
III. Der Verfassungsgerichtshof
hat über die zulässigen - in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG 1953 zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen - Beschwerden erwogen:
1. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 14191/1995, 14369/1995, 14393/1995, 14448/1996, 14516/1996) enthält ArtI Abs1 des BVG zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein - auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes - Gebot der Gleichbehandlung von Fremden; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist. Eine Verletzung des durch dieses Bundesverfassungsgesetz verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichbehandlung von Fremden liegt auch dann vor, wenn die Behörde Willkür geübt hat.
Ein willkürliches Verhalten der Behörde liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (vgl. VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10338/1985, 11213/1987, 14728/1997). Ein solches liegt auch dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (s. etwa VfSlg. 13302/1992 mit weiteren Judikaturhinweisen, 14421/1996).
2. Gemäß §36 Abs2 FrG ist auf Antrag die Abschiebung eines Fremden auf bestimmte, ein Jahr nicht übersteigende Zeit aufzuschieben, wenn diese unzulässig ist oder aus tatsächlichen Gründen unmöglich scheint. Die Gründe der Unzulässigkeit einer Abschiebung sind in §37 Abs1 und Abs2 FrG geregelt. §36 Abs2 FrG sieht somit im Zusammenhang mit einer drohenden Abschiebung ein besonderes Verfahren vor (vgl. VwGH 24.4.1998, Zl. 98/21/0123). Die belangte Behörde führt in ihren Begründungen betreffend die Abweisung des Antrages auf Abschiebungsaufschub aus, da ein Antrag im Sinne des §54 FrG nicht rechtzeitig gestellt worden und daher eine Feststellung gemäß §37 Abs1 und 2 FrG nicht erfolgt sei, seien die Abschiebungen nicht unzulässig.
Zwar ist es, wie auch der Verwaltungsgerichtshof in der zitierten Entscheidung erkannt hat, der zur Entscheidung über einen Abschiebungsaufschub zuständigen Behörde aufgrund des in §46 AVG verankerten Grundsatzes der Unbeschränktheit der Beweismittel nicht verwehrt, die Ergebnisse eines denselben Fremden betreffenden Feststellungsverfahrens gemäß §54 FrG zu berücksichtigen. Es entbindet die Behörde jedoch keinesfalls von ihrer Verpflichtung zu ermitteln, ob die in §37 Abs1 und Abs2 FrG genannten Gefahren vorliegen. Die Behörde hat jedenfalls zu begründen, aus welchen Erwägungen in Bezug auf den Antragsteller die in §37 Abs1 und 2 FrG genannten Gefahren nicht vorliegen.
In grundlegender Verkennung der Rechtslage durch die belangte Behörde hat sie im Hinblick auf §36 Abs2 iVm §37 Abs1 und Abs2 FrG kein Ermittlungsverfahren durchgeführt.
Die angefochtenen Bescheide verletzen damit durch Punkt 3. ihrer Sprüche die Beschwerdeführerinnen im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander.
3. Die angefochtenen Spruchpunkte 3. der bekämpften Bescheide waren daher schon aus diesem Grund aufzuheben.
IV. 1. Der Kostenausspruch stützt sich auf §88 VerfGG 1953. Im zugesprochenen Betrag sind öS 3.000,-- an Umsatzsteuer enthalten.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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