VfGH B247/79

VfGHB247/7916.3.1981

Tir. Grundverkehrsgesetz 1970; keine denkunmögliche Anwendung des §6 Abs1 litc; kein Entzug des gesetzlichen Richters; keine Verletzung der Liegenschaftserwerbsfreiheit; keine Willkür

Normen

B-VG Art83 Abs2
StGG Art5
StGG Art6 Abs1 / Liegenschaftserwerb
Tir GVG 1970 §1 Abs1, §1 Abs2
Tir GVG 1970 §3 Abs1
Tir GVG 1970 §6 Abs1 litc
B-VG Art83 Abs2
StGG Art5
StGG Art6 Abs1 / Liegenschaftserwerb
Tir GVG 1970 §1 Abs1, §1 Abs2
Tir GVG 1970 §3 Abs1
Tir GVG 1970 §6 Abs1 litc

 

Spruch:

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Der Beschwerdeführer übertrug mit Übergabsvertrag vom 29. März 1978 das Eigentum an der Gp. 196 W., R.-gasse 2, zugehörig zur EZ 146 II KG L., sowie an den Überlandsparzellen Gp. 977/1 Wald und 969 Wald - deren Gesamtausmaß ca. 2,23 ha beträgt -, einliegend in der KG O., an seinen Sohn N.O. Der Beschwerdeführer ist Kaufmann, sein Sohn ist Drogist.

In dem an die Grundverkehrsbehörde Oberlienz gerichteten Ansuchen wird die Genehmigung hinsichtlich der Waldgrundstücke 977/1 und 969 begehrt, weil es sich um einen Erbteilsvorausempfang handle.

Nachdem sich die Bezirksforstinspektion Lienz gegen die beabsichtigte Übertragung ausgesprochen hatte, da der Übernehmer weder ein landwirtschaftliches Grundstück besitze noch die forstwirtschaftlichen Kaufparzellen von einer Hofstelle aus bewirtschaften könne und auch die Bezirkslandwirtschaftskammer Lienz geltend machte, daß die Eigentumsübertragung an eine Person, die den Beruf eines Landwirtes nicht hauptberuflich ausübe, gegen die Schutzinteressen des Grundverkehrsrechtes verstoße, wurde vom Beschwerdeführer geltend gemacht, daß es sich bei den Kaufgrundstücken um ehemalige Teilwälder handle, die schon seit Jahrhunderten der Instandhaltung und Erneuerung des W. dienten, sodaß weder das öffentliche Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes noch jenes an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes berührt werde. Es dürfe auch als amtsbekannt bezeichnet werden, daß der Beschwerdeführer ein besonderes Verhältnis zu seinen land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken besitze und besondere "Sorgfalt zur Erhaltung, Bewahrung und Bewirtschaftung gerade seiner Wälder" aufwende.

Mit Bescheid der Grundverkehrsbehörde Oberlienz vom 27. September 1978 wurde dem Ansuchen keine Folge gegeben und der beabsichtigten Eigentumsübertragung gemäß §§4 Abs1 und 6 Abs1 litc des Grundverkehrsgesetzes 1970, LGBl. 4/1971 idF LGBl. 6/1974 (künftig: GVG) die Zustimmung versagt.

2. Die gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tir. Landesregierung vom 6. April 1979, Z LGv-236/2-1978, als unbegründet abgewiesen.

3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums, auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und die Abweisung der Beschwerde begehrt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. a) Der Beschwerdeführer regt vorerst an, ein Verfahren gemäß Art140 B-VG zur Prüfung der "Kompetenzbestimmungen" des GVG einzuleiten, da gerade für Fälle wie diesen Beschwerdefall aus dem Gesetzestext nicht feststellbar sei, ob die Grundverkehrsbehörden zuständig seien, wobei durch die Bestimmung des §1 Abs2 GVG der Willkür Tür und Tor geöffnet werde.

b) Zur behaupteten Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen über den Anwendungsbereich des GVG genügt es, auf die Rechtsprechung des VfGH (vgl. VfSlg. 7838/1976, 7898/1976 und insbesondere VfSlg. 9005/1981) zu verweisen, in der klargestellt ist, welcher Inhalt §1 Abs1 GVG bei verfassungskonformer Auslegung beizumessen ist. Dies gilt auch für Fälle, in denen die Grundverkehrsbehörde gemäß §1 Abs2 GVG im Zweifel zu entscheiden hat, ob ein Grundstück den Bestimmungen dieses Gesetzes unterliegt.

Sollte der Beschwerdeführer mit seinen Ausführungen zur Bedenklichkeit der Rechtsgrundlagen die im Beschwerdefall angewendeten Bestimmungen der §§4 Abs1 und 6 Abs1 litc GVG meinen, so ist darauf zu verweisen, daß der VfGH in einer Vielzahl von Entscheidungen ausgesprochen hat, daß er weder im Hinblick auf das Determinierungsgebot (VfSlg. 7198/1973 und 7546/1975), noch sonst gegen diese Normen verfassungsrechtliche Bedenken hegt (VfSlg. 6991/1973, 7538/1975, 7685/1975, 7881/1976, 8011/1977 und 8245/1978).

Auch aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles sind im VfGH gegen keine der angewendeten Gesetzesbestimmungen verfassungsrechtliche Bedenken entstanden.

2. Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, daß er durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden sei. Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH wird das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter ua. dann verletzt, wenn sich die Behörde eine ihr nicht zukommende Zuständigkeit zur Fällung einer Sachentscheidung anmaßt (VfSlg. 7108/1973).

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die grundverkehrsbehördliche Genehmigung eines Kaufvertrages verweigert und damit eine Sachentscheidung gefällt. Wäre sie nicht zuständig gewesen, so hätte sie damit den Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

In der Beschwerde wird ausgeführt, daß die Grundstücke im Waldgürtel um den Lienzer Talboden mittlere gut bestockte Hochwälder in mäßiger bis steiler Hanglage sind, die "der Vorsorge der Forstbehörde unterstellt seien". Die Beschwerde führt weiters aus, daß der Wald in fünfzigjährigem Umtrieb bewirtschaftet werde und bis auf die Beseitigung von Schadholz oder überständigem Holz nach Bedarf vornehmlich für das Stammhaus genutzt werde. Der Beschwerdeführer berief sich schon im Verfahren vor der Grundverkehrsbehörde erster Instanz darauf, daß er amtsbekannterweise "besondere Sorgfalt zur Erhaltung, Bewahrung und Bewirtschaftung seiner Wälder" aufwende. Seine Ansicht, daß die kaufgegenständlichen Kaufgrundstücke dem Anwendungsbereich des GVG nicht unterliegen, wird von ihm ausschließlich darauf gestützt, daß es sich um ehemalige Teilwälder handle.

Bei dieser Sachlage hat der VfGH schon nach dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers nicht den geringsten Zweifel, daß es sich bei den Kaufparzellen um Grundstücke handelt, welche forstwirtschaftlich genutzt werden, die also dem forstwirtschaftlichen Betrieb gewidmet sind (VfSlg. 6342/1970, 7838/1976, 7898/1976, 8257/1978). Ihre rechtsgeschäftliche Übertragung bedarf demnach der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung. Daran ändert auch nichts, daß es sich nach Behauptung des Beschwerdeführers um ehemalige Teilwälder handelt.

Die belangte Behörde hat somit die Zuständigkeit zur Fällung einer Sachentscheidung zu Recht in Anspruch genommen, die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter liegt somit nicht vor.

3. Der Beschwerdeführer beruft sich auch auf das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes.

Das durch Art6 StGG gewährleistete Recht, Liegenschaften zu erwerben und darüber frei zu verfügen, richtet sich nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (VfSlg. 7539/1975) nur gegen jene historisch gegebenen Beschränkungen, die ehemals zugunsten bestimmter bevorrechteter Klassen bestanden haben. Allgemeine Einschränkungen des Liegenschaftsverkehrs, wie sie in den Grundverkehrsgesetzen enthalten sind, werden dagegen durch Art6 StGG nicht ausgeschlossen (VfSlg. 8174/1977). Das durch Art6 StGG gewährleistete Recht könnte durch den angefochtenen Bescheid somit nur dann berührt worden sein, wenn die Genehmigung des Rechtsgeschäfts versagt worden wäre, um einen Landwirt beim Erwerb der Grundstücke zu bevorzugen. Dies kann der belangten Behörde offenkundig nicht angelastet werden.

4. Mit den gleichen Argumenten, mit denen von ihm die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend gemacht wird, behauptet der Beschwerdeführer, auch in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit verletzt worden zu sein.

Bei der Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur im Falle einer denkunmöglichen Anwendung des Gesetzes (VfSlg. 8238/1978), im Gleichheitsrecht nur dann verletzt worden sein, wenn die Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie Willkür geübt hätte (VfSlg. 8092/1977).

All dies ist jedoch nicht der Fall.

Die belangte Behörde hat die Genehmigung des Rechtsgeschäftes versagt, weil gemäß der Bestimmung des §6 Abs1 litc GVG die grundverkehrsbehördliche Zustimmung nur dann zu erteilen sei, wenn Grundstücke vom Erwerber im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes selbst bewirtschaftet werden. Daraus gehe hervor, daß der Gedanke der Sicherung der Eigenbewirtschaftung von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken als tragender Grundsatz des Grundverkehrsrechtes anzusehen sei. Die Zustimmung sei auch dann zu versagen, wenn das Grundstück schon bisher vom Eigentümer nicht selbst bewirtschaftet wurde und diesbezüglich durch die Eigentumsübertragung keine Änderung eintrete. Es sei nur entscheidend, ob der Erwerber die Liegenschaft selbst bewirtschaften werde oder nicht. Eine derartige Selbstbewirtschaftung sei vom Erwerber in keiner Lage des Verfahrens dargetan worden. Zudem sei der Erwerber von Beruf Drogist und somit in einem nicht land- und forstwirtschaftlichen Berufszweig tätig.

Diese Ausführungen der belangten Behörde können nicht als denkunmögliche Anwendung des §6 Abs1 litc GVG erachtet werden. Gemäß dieser Bestimmung ist einem Rechtserwerb iS des §3 Abs1 insbesondere nicht zuzustimmen, wenn ua. zu besorgen ist, daß Grundstücke der ihrer Bodenbeschaffenheit entsprechenden land- oder forstwirtschaftlichen Bestimmung ohne zureichenden Grund entzogen bzw. jemandem zur land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung überlassen werden, der sie nicht selbst im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaften wird. Daß der Beschwerdeführer über keinen land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb verfügt und er auch nicht Landwirt ist - er ist von Beruf Drogist - steht nach der Aktenlage außer Streit; die kaufgegenständlichen Grundstücke besitzen, wie ebenfalls feststeht, nur ein Gesamtausmaß von ca. 2,23 ha. Bei dieser Sachlage kann der Behörde der Vorwurf eines denkunmöglichen Gesetzesvollzuges schon aufgrund der objektiven Gegebenheiten nicht gemacht werden.

Daß die Behörde den angewendeten Bestimmungen einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hätte, wird vom Beschwerdeführer gar nicht behauptet. Auch für Willkür findet sich kein Anhaltspunkt.

Die behaupteten Verletzungen der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit haben somit nicht stattgefunden.

5. Das Verfahren hat auch keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß der Beschwerdeführer in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden wäre.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte