VfGH B2401/07

VfGHB2401/0726.6.2009

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Arzt und Kammerfunktionär wegen Verstoßes gegen die Berufspflicht zur Verschwiegenheit durch Offenlegung von Informationen betreffend Gebarungsmanipulationen; keine Verletzung im Recht auf ein faires Verfahren wegen Mitwirkung eines befangenen Mitglieds des Disziplinarrates bzw Disziplinarsenates

Normen

B-VG Art83 Abs2
EMRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien
ÄrzteG 1989 §89, §136
B-VG Art83 Abs2
EMRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien
ÄrzteG 1989 §89, §136

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Bescheid des Disziplinarrates der Österreichischen

Ärztekammer, Disziplinarkommission für Wien, Niederösterreich und Burgenland, vom 29. August 2006 wurde der nunmehrige Beschwerdeführer gemäß §136 Abs1 Z1 und 2 des Bundesgesetzes über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 - ÄrzteG 1998) der Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung des Ansehens der Ärzteschaft und des Verstoßes gegen die Berufspflicht zur Verschwiegenheit des §89 ÄrzteG 1998 schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe sowie gemäß §163 Abs1 ÄrzteG 1998 zum Ersatz der Kosten des Disziplinarverfahrens verurteilt. Gemäß §139 Abs10 ÄrzteG 1998 wurde die Veröffentlichung der Entscheidung angeordnet.

2. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Disziplinarsenates der Österreichischen Ärztekammer beim Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend vom 9. Juli 2007 teilweise Folge gegeben und die Höhe der verhängten Geldstrafe herabgesetzt; im Übrigen wurde die Berufung abgewiesen.

2.1. Begründend führt der Disziplinarsenat nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, bei der der Beschwerdeführer auch anwaltlich vertreten war, eingangs wörtlich Folgendes aus:

"Dem Schuldspruch zufolge hat er das Ansehen der in Österreich tätigen Ärzteschaft beeinträchtigt und gegen die Berufspflicht zur Verschwiegenheit gemäß §89 ÄrzteG verstoßen, indem er in der Zeit vom 2. Juni 2005 bis 21. Dezember 2005 überwiegend in Wien in seiner Eigenschaft als Funktionär der Ärztekammer für Niederösterreich (und zwar einerseits als Mitglied des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds und andererseits als Vorsitzender der gemäß §36 Abs2 der Dienstordnung der Angestellten der Ärztekammer für Niederösterreich im Fall L eingerichteten Disziplinarkommission) dem Geschäftsführer der E Versicherung und Wirtschaftsberatung GmbH Ing. Z, sohin einer außenstehenden Person anbot, ihm vertrauliche interne Dokumente der Ärztekammer für Niederösterreich zu übergeben, und diese in der Folge auch tatsächlich übergab, wobei er sein Verhalten gegenüber Ing. Z ausdrücklich damit begründete, er wolle aus kammerpolitischem Interesse, dass der Ärztekammer im Rahmen einer möglichen gerichtlichen Auseinandersetzung mit der E Versicherung und Wirtschaftsberatung GmbH Nachteile erwachsen, um damit für ihn vorteilhafte Auswirkungen bei der nächsten Wahl zu bewirken, und indem er weiters erklärte, nicht daran interessiert zu sein, belastendes Material gegen den ehemaligen Rechnungsdirektor L zu erhalten, er sei vielmehr 'an Beschuldigungen und Unterlagen interessiert, die Dr. H und andere Spitzenfunktionäre der 'Überparteilichen' belasten und politisch schädigen könnten'."

2.2. Dem Vorwurf der Befangenheit eines Mitgliedes der Disziplinarkommission wird wie folgt entgegengetreten:

"Richtig ist, dass OMR Dr. R als Vizepräsident der niederösterreichischen Ärztekammer einem im Jahre 1990 abgeschlossenen Rahmenvertrag zwischen der M-Versicherung und dem Wohlfahrtsfonds der niederösterreichischen Ärztekammer mitunterfertigt hat und dieser Vertrag in der Folge eine wesentliche Basis der Geschäftsbeziehungen zwischen den Vertragsparteien darstellte. Zu den darauf beruhenden vertraglichen Rechtskonsequenzen wurden zugunsten bestimmter Kammermitglieder Besonderheiten in der Richtung vereinbart, dass von ihnen verursachte Schäden nicht vom Versicherer, sondern von der niederösterreichischen Ärztekammer zu tragen sind.

Dass OMR Dr. R einer dieser Nutznießer dieser Sonderregelung ist, ist dem Berufungsstandpunkt zuwider durchaus im Sinn der erstinstanzlichen Begründung nicht geeignet, auch nur den äußeren Anschein einer Befangenheit des abgelehnten Kommissionsmitglieds zu begründen. Der vom Berufungswerber in diesem Zusammenhang reklamierte Interessenskontext zwischen dem Gegenstand des Disziplinarverfahrens und den persönlichen Versicherungsinteressen Dris. R liegt nicht vor. Der gegen Dr. S [Anm.: den nunmehrigen Beschwerdeführer] gerichtete disziplinäre Vorwurf konzentriert sich auf die Problematik seiner funktionsbedingten Verpflichtung zur Geheimhaltung im Sinne des §89 ÄrzteG. Abstrakte Denküberlegungen zu jedweder Aktualität entbehrenden Fallkonstellationen, die eine rechtlich vom hier in Rede stehenden Verfahrensgegenstand völlig unabhängige Zahlungsverpflichtung der niederösterreichischen Ärztekammer zugunsten des abgelehnten Kommissionsmitglieds bedeuten könnten, lassen keinen auch nur den Anschein nach fassbaren Befangenheitskontext erkennen, dem hier Rechnung zu tragen wäre. Von einer Beeinträchtigung entscheidender Verteidigungsinteressen kann demnach vorliegend nicht die Rede sein."

2.3. Nach ausführlicher Darstellung der Begleitumstände kommt der Disziplinarsenat hinsichtlich der Verletzung des §89 ÄrzteG 1998 zu folgendem Schluss:

"Dem Berufungsstandpunkt zuwider trifft es zunächst nicht zu, dass das dem Disziplinarbeschuldigten vorgeworfene Verhalten mangels entsprechender Eignung, geschützte Interessen zu gefährden, keine disziplinäre Verletzung seiner Verschwiegenheitsverpflichtung bedeute, sein Verhalten vielmehr als bloßer Informationsaustausch zu legalen Ermittlungszwecken im Disziplinarverfahren gegen L zu verstehen sei, wobei Dr. S als Vorsitzender der dazu berufenen Disziplinarkommission im Einverständnis mit deren Mitgliedern und im Interesse der disziplinären Aufklärung, sohin letztlich im Kammerinteresse vorgegangen sei und dabei eine Person kontaktiert hätte, die ihm als Versicherungsexperte genannt worden sei. Diese Sicht auf die inkriminierten Fakten hält einer am Gesamtzusammenhang der Verfahrensergebnisse orientierten Überprüfung nicht stand. Bei dieser ist zunächst das Spektrum an Unterlagen in Rechnung zu stellen, die der Disziplinarbeschuldigte dem Geschäftsführer eines Unternehmens zukommen ließ, das aktuell in eine rechtliche Kontroverse mit der niederösterreichischen Ärztekammer verwickelt war. Bei diesen Unterlagen handelte es sich u.a. um Protokolle über Besprechungen des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds, um Protokolle über Sitzungen des Kammervorstandes, eine Sachverhaltsdarstellung der niederösterreichischen Ärztekammer an die Staatsanwaltschaft in der Causa L und teilweise um Schriftstücke, deren Behandlungsbedarf ausdrücklich als vertraulich hervorgehoben wurde. Dass inhaltliche Vorhalte an eine ermittlungsrelevante Auskunftsperson bei Vorliegen unmissverständlicher Vertrauensimplikationen eine hochsensible Problematik beinhalten und daher nicht bei individuell initiierten Unterredungen am Kaffeehaustisch oder unter anderen informellen Rahmenbedingungen umzusetzen, vielmehr Verfahrensschritten vorzubehalten sind, die eine nach den jeweiligen Verfahrensvorschriften garantierte Nachvollziehbarkeit ihrer Legalität eröffnen, ist nicht nur einem juristisch geschulten Verantwortungsträger, vielmehr als allgemein einsichtig jedem einschlägig befassten Funktionär abzufordern, der sich zur Übernahme einer vergleichbaren Aufgabe bereit erklärt. Vor dem Hintergrund der in erster Instanz mitberücksichtigten kammerpolitischen Spannungen konnte die Disziplinarkommission demnach mit mängelfreier und zureichender Begründung aus der Art der von Dr. S an Ing. Z übergebenen Unterlagen und aus den äußeren Begleitumständen dieses sukzessiven Informationstransfers auf ein doloses und plausibel motiviertes Fehlverhalten des Disziplinarbeschuldigten schließen, ohne dabei die Grenzen pflichtgemäßer Verschwiegenheit zu verkennen."

2.4. Dem Berufungsvorbringen, wonach die Offenlegung von Ungereimtheiten im Zusammenhang mit der Verwendung von Barmitteln des Wohlfahrtsfonds den Tatbestand des §136 Abs1 Z1 ÄrzteG 1998 nicht verwirklichen könnte, weil dies geradezu im Interesse der Ärzteschaft gelegen sei, wird Folgendes entgegengehalten:

"Auch unter Berücksichtigung des vitalen Interesses der Ärzteschaft an der Aufdeckung entsprechender Gebarungsmanipulationen, die nach Berufungsauffassung u.a. auch in den Modalitäten der Vergleichsannäherung zwischen Ärztekammer und E zum Ausdruck kommen sollen (Entfall einer Provisionsrückzahlung in Millionenhöhe trotz Auflösung eines für die Dauer von 20 Jahren abgeschlossenen Vertrages nach wenigen Monaten), haben sich jedoch Ermittlungsaktivitäten (auch und im Besonderen) eines standesrechtlich autorisierten ärztlichen Organs ohne Rücksicht auf Gewicht und Bedeutung des Untersuchungsgegenstands an den jeweils verfahrensrechtlich vorgegebenen Befugnisrahmen zu halten. Eine partielle Aufgabe gesetzlicher Verschwiegenheitspflicht kommt als Gegenleistung für sonst nicht oder nur schwer erreichbare Beiträge zur Wahrheitsfindung legal grundsätzlich nicht in Betracht, dies umso weniger im Zusammenhang mit der Berufsrechtspflege der Ärzteschaft, sohin eines Berufsstandes mit Höchstanforderungen an die persönliche Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit. Dabei kommt es dem Berufungsstandpunkt zuwider nicht entscheidend darauf an, ob eine legalitätsüberschreitende Aufdeckung von Gebarungsmanipulationen oder aber deren Nichtaufdeckung für das Ansehen der Ärzteschaft mehr ins Gewicht fällt. Die Disziplinarkommission ist daher im Recht, wenn sie den (hier noch dazu dolosen) Bruch der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht durch Dr. S als für die Ärzteschaft doppelten Funktionsträger als zur Tatbestandsverwirklichung (auch) nach §136 Abs1 Z1 ÄrzteG geeignet beurteilt. Ob und inwieweit das pflichtwidrige und dem Ansehen der Ärzteschaft insgesamt abträgliche Verhalten des Disziplinarbeschuldigten Ergebnisse zeitigte, die letztlich zu objektiv sachdienlichen Prüfungsinitiativen führten, kann im vorliegenden Zusammenhang als disziplinarrechtlich unerheblich auf sich beruhen."

2.5. Nach Erörterung weiterer Berufungsvorbringen gelangt der Disziplinarsenat hinsichtlich der Verletzung des §136 Abs1 Z1 und 2 ÄrzteG 1998 zu folgendem Schluss:

"Insgesamt ist daher - dem Berufungsstandpunkt zuwider - der Disziplinarkommission kein Rechtsfehler unterlaufen, wenn sie die pflichtwidrige Eigeninitiative des Disziplinarbeschuldigten, ihm nützlich erscheinende Aufschlüsse nicht im Wege legaler Verfahrensschritte, vielmehr durch sukzessive, geradezu konspirative Gesprächs- und Tauschkontakte zu Ing. Z zu beschaffen, als Disziplinarvergehen im Sinne beider in §136 Abs1 Ärztegesetz normierter Tatbestände beurteilte. Dass es dabei mit hinreichender Deutlichkeit auch auf den Inhalt der von Ing. Z am 28.2.2006 unterfertigten eidesstattlichen Erklärung Bezug nahm, stellt sich als Akt freier Beweiswürdigung dar, dessen unbestritten objektivierte Grundlage sich aus dem Akteninhalt ergibt."

3. Gegen diesen Bescheid des Disziplinarsenates richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein faires Verfahren gemäß Art6 EMRK sowie auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art83 Abs2 B-VG behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

3.1. Zur behaupteten Verletzung des Art6 EMRK wird in der Beschwerde wörtlich Folgendes ausgeführt (Hervorhebungen im Original):

"... Dies bedeutet auch, dass sämtliche Mitglieder dieses

Tribunals unabhängig und unparteilich sein müssen. Die Unparteilichkeit ist nicht nur am subjektiven Empfinden und der persönlichen Überzeugung des Richters zu messen, sondern auch ein objektiver Maßstab anzuwenden. Unabhängig vom persönlichen Verhalten des Richters zu prüfen ist, ob feststellbare Umstände Anlass zu Zweifeln an seiner Unparteilichkeit geben.

Nach herrschender Judikatur ist dabei im Interesse des Ansehens der Justiz ein strenger Maßstab anzulegen. Der Anschein der Voreingenommenheit genügt. Es muss sich dabei um Umstände handeln, die nach objektiver Prüfung und Beurteilung rechtfertigen, die Unbefangenheit des Richters in Zweifel zu ziehen. Diese so genannte 'Anscheinsjudikatur' ist ständige Rechtsprechung des VfGH und EGMR:

'Justice must not only be done: it must also be seen to be done' (EGMR, Campbell und Fell, EuGRZ 1985, 534).

...

Die Teilnahme von Dr. R als Mitglied der Disziplinarkommission und die Abweisung des Antrages auf Ablehnung sowohl vor de[m] Disziplinarrat als auch vor dem Disziplinarsenat verletzt das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein faires Verfahren gemäß Artikel 6 EMRK:

Wie bereits dargestellt, kommt es auf den äußeren Anschein an: Sind die äußeren Umstände geeignet, bei einem verständig würdigenden objektiven Beurteilenden nahe liegende Zweifel an der unvoreingenommenen sowie unparteilichen Dienstverrichtung zu wecken, kann das Mitglied der Disziplinarkommission wegen Befangenheit abgelehnt werden.

Es kommt daher keinesfalls darauf an, ob sich Dr. R selbst nicht als befangen erklärt bzw. dass er eine langjährige Erfahrung als Mitglied einer Disziplinarkommission aufweisen kann. Selbst ein langjähriges Mitglied einer Disziplinarkommission kann aufgrund einer thematischen oder persönlichen Verbindung zum Inhalt eines Disziplinarverfahrens bzw. Disziplinarbeschuldigten befangen sein. Allein ausschlaggebend ist, ob nach einer objektiven Prüfung und Beurteilung der Sachlage Zweifel an einer unvoreingenommenen und unparteilichen Dienstverrichtung bestehen.

Dem Schreiben der Firma E, welches dem Ablehnungsantrag vom 14.08.2006 beigelegt wurde[,] zeigt, dass es sich bei Dr. R um einen begünstigten Versicherungsnehmer der M Versicherung handelt. Es ergibt sich somit eindeutig, dass jedenfalls eine thematische Verbindung zwischen Dr. R und den vom Disziplinarbeschuldigten als Vorsitzenden der Disziplinarkommission im Verfahren gegen L behandelten Themen und Unterlagen besteht. Die Geschehnisse im Rahmen dieses Disziplinarverfahrens sind Gegenstand des gegenständlichen Disziplinarverfahrens. Schon aufgrund dieser äußeren Umstände bestehen Zweifel an der Objektivität von Dr. R, welche die Ablehnung wegen Befangenheit jedenfalls rechtfertigen.

...

Hätte nicht der befangene Dr. R über den Beschwerdeführer geurteilt, wäre es durchaus möglich gewesen, dass der Disziplinarrat zu einem anderen, für den Beschwerdeführer positiven, Ergebnis gelangt wäre.

Noch drastischer stellt sich die Situation bei der ganz offenkundigen Befangenheit von OMR Dr. T dar:

Insbesondere die Ausführungen 'Bock zum Gärtner' gemacht und 'in Misskredit gebracht' stellen Vorverurteilungen dar.

...

Diese Äußerungen widersprechen nicht nur der Verpflichtung zur Unparteilichkeit sondern stellen auch eine Verletzung der Unschuldsvermutung dar.

Diese von Dr. T mitgetragenen Behauptungen zeigen ganz klar, dass Zweifel an der vollen Unbefangenheit bestehen. Trotz dieser vorliegenden Befangenheitsgründe hat Dr. T in Kenntnis der von ihm mitgestalteten, mitgetragenen und mitgezeichneten Aussendung vom Juli 2007 als Mitglied des Disziplinarsenats der Österreichischen Ärztekammer über den Beschwerdeführer geurteilt.

Hätte nicht der befangene Dr. T über den Beschwerdeführer geurteilt, wäre es durchaus möglich gewesen, dass der Disziplinarsenat zu einem anderen, für den Beschwerdeführer positiven, Ergebnis gelangt wäre.

Aus all diesen Gründen wurde das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht des Beschwerdeführers auf ein faires Verfahren gemäß Artikel 6 EMRK verletzt."

3.2. Auch die behauptete Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter erblickt der Beschwerdeführer darin, dass - aus seiner Sicht - sowohl an der Entscheidung des Disziplinarrates als auch des Disziplinarsenates Mitglieder mitgewirkt hätten, die befangen gewesen seien.

4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch Abstand genommen.

II. Zur Rechtslage:

1. §89 ÄrzteG 1998, BGBl. I 169 idF BGBl. I 110/2001, lautet:

"Verschwiegenheitspflicht

§89. Die Organe und Referenten sowie das gesamte Personal der Ärztekammer sind, soweit sie nicht schon nach anderen gesetzlichen Vorschriften zur Verschwiegenheit verpflichtet sind, zur Verschwiegenheit über alle ihnen aus ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen verpflichtet, deren Geheimhaltung im Interesse der Kammer, einer Gebietskörperschaft oder der Parteien geboten ist; dies gilt insbesondere für Schriftstücke, die für vertraulich erklärt wurden. Von dieser Verpflichtung hat die Aufsichtsbehörde auf Verlangen eines Gerichtes oder einer Verwaltungsbehörde den zur Verschwiegenheit Verpflichteten zu entbinden, wenn dies im Interesse der Rechtspflege oder im sonstigen öffentlichen Interesse liegt. Eine Entbindung kann auch auf Verlangen des zur Verschwiegenheit Verpflichteten erfolgen, wenn sich aus der Ladung erkennen lässt, dass der Gegenstand der Aussage vor Gericht oder einer Verwaltungsbehörde der Verschwiegenheitspflicht unterliegen könnte und die Entbindung im Interesse der Rechtspflege oder im sonstigen öffentlichen Interesse liegt."

2. §136 ÄrzteG 1998, BGBl. I 169 idF BGBl. I 156/2005, lautet auszugsweise:

"2. Abschnitt

Disziplinarvergehen

§136. (1) Ärzte machen sich eines Disziplinarvergehens schuldig, wenn sie im Inland oder im Ausland

1. das Ansehen der in Österreich tätigen Ärzteschaft durch ihr Verhalten der Gemeinschaft, den Patienten oder den Kollegen gegenüber beeinträchtigen oder

2. die Berufspflichten verletzen, zu deren Einhaltung sie sich anläßlich der Promotion zum Doctor medicinae universae verpflichtet haben oder zu deren Einhaltung sie nach diesem Bundesgesetz oder nach anderen Vorschriften verpflichtet sind.

(2) Ärzte machen sich jedenfalls eines Disziplinarvergehens nach Abs1 Z1 oder Z2 schuldig, wenn sie

1. den ärztlichen Beruf ausüben, obwohl über sie rechtskräftig die Disziplinarstrafe der befristeten Untersagung der Berufsausübung (§139 Abs1 Z3) verhängt worden ist oder

2. eine oder mehrere strafbare Handlungen vorsätzlich begangen haben und deswegen von einem in- oder ausländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder zu einer Geldstrafe von zumindest 360 Tagessätzen oder zu einer Geldstrafe von mehr als 36 340 Euro verurteilt worden sind.

Werden in einem oder mehreren Urteilen Freiheitsstrafen und Geldstrafen (nebeneinander) verhängt, ist die Summe der Freiheitsstrafen und der für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafen verhängten Freiheitsstrafen maßgeblich. Wird in einem oder mehreren Urteilen ausschließlich auf Geldstrafen erkannt, sind diese zusammen zu zählen.

..."

3. §139 ÄrzteG 1998, BGBl. I 169 idF BGBl. I 110/2001, lautet auszugsweise:

"4. Abschnitt

Disziplinarstrafen

§139. (1) Disziplinarstrafen sind

  1. 1. der schriftliche Verweis,
  2. 2. die Geldstrafe bis zum Betrag von 36 340 Euro,
  3. 3. die befristete Untersagung der Berufsausübung,
  4. 4. die Streichung aus der Ärzteliste.

(2) Die Strafe gemäß Abs1 Z3 darf im Falle eines Disziplinarvergehens gemäß §136 Abs2 höchstens auf die Zeit von drei Jahren verhängt werden. In den übrigen Fällen darf die Strafe gemäß Abs1 Z3 höchstens für die Dauer eines Jahres, das erste Mal höchstens für die Dauer von drei Monaten verhängt werden. Die Untersagung der Berufsausübung gemäß Abs1 Z3 bezieht sich auf die Ausübung des ärztlichen Berufes im Inland mit Ausnahme der ärztlichen Berufsausübung im Zusammenhang mit den Dienstpflichten von Ärzten, die ihren Beruf im Rahmen eines Dienstverhältnisses bei einer Gebietskörperschaft oder einer anderen Körperschaft öffentlichen Rechts mit eigenem Disziplinarrecht ausüben.

...

(10) Sofern es im Interesse der Wahrung des Ansehens der österreichischen Ärzteschaft und der Einhaltung der Berufspflichten gelegen ist, kann im Disziplinarerkenntnis auf Veröffentlichung des gesamten Disziplinarerkenntnisses in den Mitteilungen der zuständigen Ärztekammer oder allenfalls zusätzlich auch in der Österreichischen Ärztezeitung erkannt werden."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsvorschriften wurden nicht vorgebracht und sind aus Anlass der vorliegenden Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof auch nicht entstanden.

2. Der Beschwerdeführer behauptet im Wesentlichen, dass sowohl an der Entscheidung des Disziplinarrates als auch an jener des belangten Disziplinarsenates jeweils ein Mitglied mitgewirkt hätte, das - aus jeweils unterschiedlichen Gründen - objektiv befangen gewesen sei. Dies führe im Ergebnis zu einer Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein faires Verfahren, sowie des Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.

3. Damit ist der Beschwerdeführer jedoch nicht im Recht:

3.1. Der Verfassungsgerichtshof teilt die auch vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerde dargestellte, vom EGMR im Fall Sramek (22.10.1984, Serie A Nr. 84 = EuGRZ 1985, 336) und von der EKMR im Fall Ettl ua. (9.3.1984, Appl. 9273/81, EuGRZ 1985, 364) vertretene Ansicht, dass Recht nicht nur gesprochen werden muss, sondern dass es auch augenscheinlich zu sein hat, dass Recht gesprochen wird; ein Tribunal muss daher derart zusammengesetzt sein, dass keine berechtigten Zweifel an der Unabhängigkeit seiner Mitglieder entstehen. Bei der Beurteilung der Fairness eines Verfahrens ist auch der äußere Anschein von Bedeutung (vgl. etwa VfSlg. 11.211/1987, 14.564/1996, 14.901/1997).

Konflikte, Nahebeziehungen und sonstige Verbindungen einer Verfahrenspartei können Anlass zu Zweifeln über die Unabhängigkeit und die Unparteilichkeit der Mitglieder des Tribunals geben (vgl. EGMR 25.11.1993, Fall Holm, Serie A Nr. 279 = ÖJZ 1994, 522). Das Vorliegen der Unparteilichkeit iSd Art6 Abs1 EMRK ist nämlich nicht nur im Hinblick auf subjektive, sondern auch auf objektive Umstände zu beurteilen, deren Bestehen Zweifel an der Unparteilichkeit eines Tribunalmitgliedes hervorrufen können (vgl. EGMR 24.2.1993, Fall Fey, Serie A Nr. 255 = ÖJZ 1993, 394; 6.12.1993, Appl. 20.577/92, ÖJZ 1994, 524 sowie VfSlg. 14.901/1997).

In diesem Sinne hat der EGMR eine Verletzung der Unparteilichkeit etwa in einem Fall bejaht, in dem mehrere Geschworene einer bestimmten politischen Partei angehörten, die ihrerseits enge Verbindungen zu einer Prozesspartei unterhielt (vgl. dazu Grabenwarter, Art6 EMRK, in: Korinek/Holoubek [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Rz 62 [2007]).

Eine vergleichbare Konstellation liegt im Beschwerdefall jedoch nicht vor:

3.2. Der Beschwerdeführer hat in seiner Eigenschaft als Funktionär der Ärztekammer für Niederösterreich, insbesondere als Mitglied der Disziplinarkommission, an der Aufklärung von Vorkommnissen betreffend die Gebarung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich in einer Weise mitgewirkt, die ihrerseits danach zum Gegenstand eines Disziplinarverfahrens gegen ihn wurde.

In diesem - der vorliegenden Beschwerde zugrunde liegenden - Verfahren, wurde der "Ablehnungsantrag" des Beschwerdeführers gegen ein Mitglied der Disziplinarkommission, das ökonomische Vorteile aus einem Versicherungsvertrag ziehe, der Gegenstand eines Disziplinarverfahrens war, in dem der Beschwerdeführer als Vorsitzender mitgewirkt hat, vom Vorsitzenden der Disziplinarkommission im Rahmen der mündlichen Verhandlung abgewiesen; mehr wurde auch in der Berufung des nunmehrigen - stets anwaltlich vertretenen - Beschwerdeführers diesbezüglich nicht vorgebracht. Was die behaupteten "Verflechtungen" eines an der erstinstanzlichen Entscheidung mitwirkenden Mitgliedes der Disziplinarkommission mit den "Gebarungsmissständen des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer Niederösterreich" betrifft, übersieht der Beschwerdeführer zunächst, dass ausschließlich sein Fehlverhalten bei der Ermittlung des Sachverhalts Gegenstand des gegen ihn geführten Disziplinarverfahrens war.

3.3. Ob im erstinstanzlichen Verfahren Anlass zu Zweifeln an der Unparteilichkeit des vom Beschwerdeführer abgelehnten Kommissionsmitgliedes gegeben war, kann dahingestellt bleiben: Ein allfälliger Mangel des erstinstanzlichen Disziplinarverfahrens ist jedenfalls durch die Entscheidung der Berufungsbehörde, die als unabhängiges und unparteiliches Gericht im Sinne des Art6 EMRK eingerichtet ist, geheilt, zumal dieser volle Kognitionsbefugnis in Tatsachen- und Rechtsfragen zukommt und im Übrigen der festgestellte Sachverhalt nicht strittig ist (vgl. hierzu Matscher, Heilung von konventionswidrigen Mängeln unterinstanzlicher Verfahren durch Rechtsmittel; konventionswidrige Rechtsmittelverfahren bei konventionskonformen unterinstanzlichen Verfahren, FS Adamovich, 1992, 405 [417] mwN). Die belangte Behörde hat sich mit der Frage der Unparteilichkeit im Verfahren über die Berufung des Beschwerdeführers auch hinreichend auseinander gesetzt.

3.4. Weiters übersieht der Beschwerdeführer, dass auch die zitierte ihn betreffende Aussendung einer standespolitischen Gruppierung, der ein Mitglied des Disziplinarsenates angehört, keinen Anlass zu Zweifeln an der Unparteilichkeit dieses Mitgliedes gibt, da das Berufungsverfahren zum Zeitpunkt dieser Aussendung bereits abgeschlossen war. Die belangte Behörde musste von dieser Aussendung zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung und ihrer am selben Tag erfolgten Entscheidung daher noch keine Kenntnis haben. Die Frage der Unparteilichkeit eines Mitgliedes des Disziplinarsenates, die erst nach Abschluss des Berufungsverfahrens zu Tage getreten ist, ist vielmehr im Rahmen des Verfahrens über die Wiederaufnahme, die vom Beschwerdeführer am 31. Juli 2007 beantragt wurde, zu klären.

Der Verfassungsgerichtshof verkennt nicht, dass bei kammerinternen - noch dazu im Vorfeld von Kammerwahlen auftretenden - Auseinandersetzungen derart enge Verbindungen der Parteien zueinander bestehen können, dass ein besonderes Augenmerk auf die Unparteilichkeit zu legen ist. Der Verfassungsgerichtshof ist jedoch mit Blick auf die unter Pkt. 3.3. und 3.4. dargestellten Ausführungen der Auffassung, dass der Beschwerdeführer nicht im Recht auf ein faires Verfahren verletzt wurde.

3.5. Insoweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behauptet, geht sein Vorbringen schon deshalb ins Leere, weil dieses Recht nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes durch die Mitwirkung eines befangenen Organwalters an der Entscheidung nicht verletzt wird (vgl. etwa VfSlg. 10.205/1984, 13.976/1994, 16.209/2001, 16.348/2001).

4. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.

Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall (vgl. §181 Abs1 ÄrzteG 1998) - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg. 10.659/1985, 12.915/1991, 14.408/1996, 16.570/2002 und 16.795/2003).

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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