VfGH B2388/98

VfGHB2388/982.12.2002

Abweisung der Beschwerde gegen die Vorschreibung einer Wasseranschlußgebühr im Anlaßfall; keine Bedenken gegen die Höhe dieser Benützungsgebühr

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
FAG 1997 §15 Abs3 Z15
WasserleitungsgebührenO der Gemeinde Kirchdorf in Tirol vom 01.02.93 §4
B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
FAG 1997 §15 Abs3 Z15
WasserleitungsgebührenO der Gemeinde Kirchdorf in Tirol vom 01.02.93 §4

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Bescheid vom 2. April 1998 erteilte der Bürgermeister der Gemeinde Kirchdorf in Tirol dem Beschwerdeführer die Baubewilligung für ein Bauvorhaben, das den Neubau einer Tennisanlage und einer Tiefgarage umfaßte. In der Folge schrieb er dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 15. April 1998 eine Wasseranschlußgebühr von S 156.966,92 (einschließlich 10 % USt.) vor. Der Gemeindevorstand der Gemeinde Kirchdorf in Tirol gab mit Bescheid vom 30. September 1998 einer Berufung keine Folge, nachdem bereits der Bürgermeister eine abweisende Berufungsvorentscheidung erlassen hatte.

Mit Bescheid vom 2. November 1998 wies die Tiroler Landesregierung eine Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Berufungsbescheid ab.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unverletzlichkeit des Eigentums, und zwar auch wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung (der Wasserleitungsgebührenordnung der Gemeinde Kirchdorf in Tirol, in der Folge: WLGO), behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

3. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens sowie Akten, die sich auf die WLGO beziehen, vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie für die Abweisung der Beschwerde eintritt.

Die Gemeinde Kirchdorf hat keine Äußerung erstattet.

4. Die maßgeblichen Rechtsvorschriften lauten:

4.1. §14 Abs1 des - hier maßgeblichen - Finanzausgleichsgesetzes 1997, Art65 BG BGBl. 201/1996 (FAG 1997), lautet auszugsweise:

"Ausschließliche Landes(Gemeinde)abgaben sind insbesondere:

1. - 14. ...

  1. 15. Interessentenbeiträge von Grundstückseigentümern und Anrainern;

  1. 16. Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen;

17. ..."

§15 Abs3 FAG 1997 lautet auszugsweise:

"Die Gemeinden werden ferner ermächtigt, durch Beschluß der Gemeindevertretung folgende Abgaben vorbehaltlich weitergehender Ermächtigung durch die Landesgesetzgebung auszuschreiben:

1. - 4. ...

5. Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen, die für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben werden, mit Ausnahme von Weg- und Brückenmauten, bis zu einem Ausmaß, bei dem der mutmaßliche Jahresertrag der Gebühren das doppelte Jahreserfordernis für die Erhaltung und den Betrieb der Einrichtung oder Anlage sowie für die Verzinsung und Tilgung der Errichtungskosten unter Berücksichtigung einer der Art der Einrichtung oder Anlage entsprechenden Lebensdauer nicht übersteigt."

Vergleichbare Bestimmungen enthielt auch das Finanzausgleichsgesetz 1993 BGBl. 30, in §14 Abs1 Z15 und 16 sowie in §15 Abs3.

4.2.1. Die WLGO lautet auszugsweise:

"§2 Anschlußgebühr:

1. Die Gemeinde erhebt zur Deckung der Kosten der Errichtung oder Erweiterung der Wasserleitungsanlage eine Anschlußgebühr. Die Bestimmungen des §12 der WLO, über die Einhebung von Benützungsgebühren für den laufenden Wasserbezug und für die Bereitstellung des Wasserzählers werden hievon nicht berührt.

2. Die Gebührenpflicht entsteht mit Baubeginn eines Objektes oder mit Genehmigung des Ansuchens für ein bestehendes Objekt. Bei Zu- und Umbauten und bei Wiederaufbau von abgerissenen Bauten entsteht die Gebührenpflicht mit Baubeginn nur insoweit, als die Bemessungsgrundlage den Umfang der früheren übersteigt.

3. ...

§4 Berechnung der Anschlußgebühr:

1. Bemessungsgrundlage ist die verbaute Grundfläche, vervielfacht mit der Anzahl der Geschoße, wobei Keller und ausgebautes Dachgeschoße als je ein Geschoß zählen.

2. Die Anschlußgebühr beträgt pro Quadratmeter der Bemessungsgrundlage ÖS ....... Schilling."

[Der Betrag ist in der Verordnung nicht angegeben.]

4.2.2. Am 17. November 1997 beschloß der Gemeinderat der Gemeinde Kirchdorf eine Verordnung, mit der - mit Wirkung ab 1. Jänner 1998 - verschiedene Gebühren, Steuern und Hebesätze festgelegt wurden, so auch die "Wasseranschlußgebühr pro m2 verbaute Fläche/Stockwerke" mit S 40,-. Die entsprechende Kundmachung wurde vom 19. November 1997 bis zum 9. Dezember 1997 an der Amtstafel angeschlagen.

5.1. Die Beschwerde führt aus, in der Tiefgarage gebe es keine Wasserstellen und daher auch keinen Wasseranschluß; in der Tennishalle seien zwei Waschbecken vorgesehen. Die Tiefgarage und die Tennishalle stünden in einem "wirtschaftlichen Zusammenhang" mit einem Hotel. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes berechtigten die bundesgesetzlichen Ermächtigungen (hier des §15 Abs3 Z5 FAG 1997; die Beschwerde spricht freilich von §15 Abs3 Z5 Finanzausgleichsgesetz 1985) die Gemeinden zur selbständigen Schaffung materiellen Steuerrechts. Die Gebühr dürfe jedoch ein angemessenes Verhältnis zur Leistung nicht übersteigen. Dieser Grundsatz sei im vorliegenden Fall nicht gewahrt, weil eine Anschlußgebühr von S 136.832,80 für eine Tiefgarage, die über keinen Wasseranschluß verfüge, und von S 5.840,- für zwei Waschbecken überschießend sei. Da §4 WLGO keine differenzierende Regelung treffe, sei er verfassungswidrig.

Die Ermächtigung des §15 Abs3 Z5 FAG 1997 gelte nur vorbehaltlich weitergehender Ermächtigungen durch die Landesgesetzgebung. An einer landesgesetzlichen Ermächtigung zur Erlassung einer Verordnung wie der WLGO fehle es jedoch in Tirol. Es bestünden daher auch im Hinblick auf Art18 B-VG Bedenken gegen diese Verordnung.

5.2. Die belangte Behörde widerspricht dem Tatsachenvorbringen des Beschwerdeführers und führt aus, in der Tiefgarage befänden sich Wandhydranten für Feuerlöschzwecke. Da die Tennishalle öffentlich zur Benützung angeboten werden solle, müßte sie über sanitäre Einrichtungen wie WC und Duschanlagen verfügen. Für das Buffet, das im Zusammenhang mit der Tennishalle geplant sei, sei eine ordnungsgemäße Wasserversorgung gleichfalls Voraussetzung. Die WLGO knüpfe für die Anschlußgebühr an das gesamte Objekt an, das mit Wasser versorgt werden solle, und nicht an die Größe der Räume, in denen sich Wasserauslässe befänden.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10413/1985, 11682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewandten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

2.1. Aus Anlaß der vorliegenden Beschwerde beschloß der Verfassungsgerichtshof am 30. November 2001, gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des §2 Z2 WLGO einzuleiten. Er hatte das Bedenken, daß die Anschlußgebühr nach der WLGO ein Interessentenbeitrag iSd §14 Abs1 Z15 FAG 1997 sei. Solche Interessentenbeiträge bedürften, sollen sie aufgrund eines Beschlusses der Gemeindevertretung erhoben werden, gemäß §8 Abs5 F-VG eines Landesgesetzes, das die Gemeinden zur Erhebung solcher Abgaben ermächtige; ein solches Gesetz bestehe in Tirol nicht. Mit Erkenntnis vom 2. Dezember 2002, V123/01, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, daß §2 Z2 erster Satz WLGO nicht als verfassungswidrig aufgehoben werde, im übrigen stellte er das Verfahren ein. Er begründete dies damit, die Anschlußgebühr sei als Benützungsgebühr iSd §14 Abs1 Z16, §15 Abs3 Z5 FAG 1997 zu qualifizieren; dafür bedürfe es keiner landesgesetzlichen Grundlage, sondern es reiche die Ermächtigung des jeweiligen Finanzausgleichsgesetzes.

Damit ist auch den Bedenken der Boden entzogen, die der Beschwerdeführer unter dem Aspekt des Art18 B-VG gegen die WLGO vorbringt.

2.2. Nach §4 Z1 WLGO ist Bemessungsgrundlage für die Anschlußgebühr die verbaute Grundfläche, vervielfacht mit der Anzahl der Geschoße; Keller und ausgebaute Dachgeschoße zählen als Geschoße.

§4 Z2 WLGO sieht eine nach Quadratmetern zu berechnende Anschlußgebühr vor; der Betrag ist in der WLGO offen gelassen worden. Für das - hier maßgebliche - Jahr 1998 wurde die Wasseranschlußgebühr mit S 40,- "pro m2 verbaute Fläche/Stockwerke" festgelegt (Verordnung vom 17. November 1997; vgl. oben Pkt. I.4.2.2.). Bei einer Zusammenschau dieser beiden Vorschriften ist §4 WLGO vollziehbar (VfGH 2.12.2002, V123/01): Die Gebühr beträgt S 40,- je m².

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs müssen Gebühren iSd §15 Abs3 Z5 FAG 1997 in einem angemessenen Verhältnis zur Leistung stehen (zB VfSlg. 9889/1983, 10738/1985). Dadurch, daß seit dem Finanzausgleichsgesetz 1993 Gebühren bis zum doppelten Jahresaufwand ausgeschrieben werden dürfen, hat sich an diesen Grundsätzen nichts geändert (VfGH 10.10.2001, B260/01). Nach VfSlg. 13310/1992 muß die Gebühr in der Weise sachlich ausgestaltet sein, daß ihre Festsetzung in einer sachgerechten Beziehung zum Ausmaß der Benützung steht. Dieses Ausmaß kann unmittelbar oder mittelbar berechnet werden; als Beispiele mittelbarer Berechnungsgrundlagen führte der Gerichtshof die Anzahl der auf einer Liegenschaft wohnenden Personen, die Größe des Hauses oder die Nutzfläche an. Der Verordnungsgeber könne von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen; die Benützungsgebühr müsse nicht vom Ausmaß der konkreten Benützung im einzelnen berechnet werden, weil Kosten nicht nur für die tatsächliche Leistung der Gemeinde entstünden, sondern auch für die Bereithaltung der Anlage als solcher.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung erweist sich §4 WLGO als unbedenklich: Bemessungsgrundlage ist danach die verbaute Grundfläche, vervielfacht mit der Anzahl der Geschoße. Daran ändert es nichts, daß Keller und ausgebaute Dachgeschoße als je ein Geschoß zählen. Angesichts der - hier zulässigen - Durchschnittsbetrachtung kann dem Verordnungsgeber auch insoweit nicht entgegengetreten werden.

3.1. Soweit die Beschwerde dem angefochtenen Bescheid vorwirft, er verletze den Beschwerdeführer in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unverletzlichkeit des Eigentums, begründet sie dies damit, daß die Höhe der Anschlußgebühr unverhältnismäßig hoch sei. Diese Höhe ist aber nur die Folge des §4 WLGO, dessen Unbedenklichkeit bereits dargetan worden ist.

Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

3.2. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.

4. Die Beschwerde war daher abzuweisen und gemäß Art144 Abs3 B-VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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