VfGH B223/78

VfGHB223/7814.10.1983

Art7 Abs1 B-VG; EStG 1972 §3 Z29; Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln an eine Gesellschaft, an der nur Körperschaften des öffentlichen Rechtes beteiligt sind; Gleichheitsverletzung durch Unterlassen jeglichen Ermittlungsverfahrens in einem entscheidenden Punkt infolge Verkennung der Rechtslage

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
EStG §3 Z29
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
EStG §3 Z29

 

Spruch:

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tir. (Berufungssenat) vom 15. Feber 1978, Z 20324-2/77, wurde die Berufung der bf. Gesellschaft gegen die Bescheide des Finanzamtes Innsbruck betreffend Körperschaft- und Gewerbesteuer für die Jahre 1971 bis 1974, Einheitswert und Vermögensteuer samt Zuschlägen für 1971 bis 1975 sowie Umsatzsteuer für die Jahre 1973 und 1974 als unbegründet abgewiesen. Hiebei wurde festgestellt, daß die Bemessungsgrundlagen und die Höhe sowie die Fälligkeit der angeführten Abgaben gegenüber dem erstinstanzlichen Bescheid keine Änderung erfahren.

In der Begründung des Bescheides wurde ausgeführt, die bf. Gesellschaft sei laut Gesellschaftsvertrag vom 22. Juli 1966 als Kongreßhausbau-GesmbH zur Planung, Finanzierung und zum Bau eines Kongreßhauses in Innsbruck gegründet worden. Ihre Gesellschafter seien das Land Tir., die Stadt Innsbruck und die Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Tir. gewesen, die am Stammkapital von 2500000 S mit folgenden Einlagen beteiligt gewesen seien: das Land mit 250000 S, die Stadtgemeinde mit 2125000 S und die Kammer mit 125000 S. Über diese Stammeinlagen hinaus hätten die genannten Körperschaften öffentlichen Rechts zur Finanzierung der Baukosten des Kongreßhauses in den Jahren 1968 bis 1974 Zuwendungen von insgesamt 154703000 S geleistet, die von der bf. Gesellschaft als Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln (Subventionen) zur Herstellung und Anschaffung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens iS des §3 Abs1 Z34 EStG 1967 bzw. §3 Z29 EStG 1972 behandelt worden seien. Mit diesen Zuwendungen und den erhaltenen Subventionen des Bundes hätten die Baukosten voll gedeckt werden können, sodaß diese gemäß §6 Abs1 Z8 EStG 1967 bzw. §6 Z10 EStG 1972 zu keinem Wertansatz in den Bilanzen der steuerpflichtigen Gesellschaft geführt hätten. Nach Durchführung einer Betriebsprüfung über den Zeitraum 1970 bis 1974 habe das Finanzamt die Auffassung vertreten, die dem Gesellschaftszweck gewidmeten Zuwendungen der Körperschaften öffentlichen Rechts, die gleichzeitig die Gesellschafter darstellten, erfüllten wirtschaftlich die Funktion des Stammkapitals und stellten daher keine Subventionen, sondern Kapitalzuführungen (= Einlagen der Gesellschafter) dar. Nur insoweit, als diese Zuwendungen außer Verhältnis zur Beteiligung stünden - wie dies bei Zuwendungen des Landes Tir. der Fall sei -, seien sie als Subventionen anzuerkennen. Demzufolge würden die für die Anschaffung und Herstellung des Kongreßhausgebäudes samt Einrichtung verwendeten Beträge in den Bilanzen 1970 bis 1974 entsprechend aktiviert, was eine Änderung der Gewinnermittlung für die Jahre 1971 bis 1974 durch Berücksichtigung der Absetzung für Abnutzung, die Vorschreibung der Selbstverbrauchsteuer nach §29 UStG 1972 für das Jahr 1973 in der Höhe von 7675759 S und für das Jahr 1974 in der Höhe von 737583 S und eine Änderung des Einheitswertes des Betriebsvermögens für die Jahre 1971 bis 1975 und damit der Vermögensteuer, des Beitrages vom Vermögen und des Erbschaftsteueräquivalents zur Folge gehabt habe.

Gegen die ergangenen Körperschaft- und Gewerbesteuerbescheide für die Jahre 1971 bis 1974, die Einheitswert- und Vermögensteuerbescheide samt Zuschlägen für die Jahre 1971 bis 1975 sowie die Umsatzsteuerbescheide 1973 und 1974 sei fristgerecht Berufung erhoben worden.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde ua. ausgeführt, unbestritten sei, daß die gesamten Zuwendungen, die das Land Tir., die Stadt Innsbruck und die Kammer der gewerblichen Wirtschaft an die Gesellschaft geleistet haben, die gesetzlichen Voraussetzungen als Subventionen erfüllten. Andererseits sei aber auch nach dem vorliegenden Sachverhalt der Charakter von gesellschaftlichen Kapitalzuwendungen für einen Teil dieser Beträge nicht zu verneinen. Für die abgabenrechtliche Beurteilung einer Zuwendung als gesellschaftliche Zuwendung sei allein entscheidend, daß der Gesellschafter damit das Eigenkapital seiner Gesellschaft vermehre und dafür nur Vorteile als Gesellschafter erlange (s. Wolfgang Gassner, Zuschüsse und Zuwendungen des Gesellschafters im Körperschaftsteuerrecht, ÖStZ 13-14/1976, S 150 ff.). Dabei sei es gleichgültig, ob es sich um gesellschaftsrechtliche oder verdeckte Einlagen handle, ob sie Pflichteinlagen oder freiwillig geleistete Zuwendungen darstellten (s. auch Herrmann - Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Bd. IX, Anm. 41 und 49 zu §6). Daß die Leistungen der Gesellschafter der Verbreiterung des Kapitals der Gesellschaft dienten, sei schon mit dem Erk. des VwGH vom 28. März 1974, Z 625/73, (VwSlg. 4666 (F)/1974) betreffend die Gesellschaftsteuerpflicht der Zuwendungen festgestellt worden; sie seien als geeignet erkannt, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Die Verwendung der Kapitalzuführung durch die empfangende Gesellschaft zur Anschaffung und Herstellung von Anlagevermögen habe jedenfalls auch zu einer tatsächlichen Erhöhung des Wertes der Gesellschaftsanteile geführt, womit sich die Zuwendungen als Vorteil für die Körperschaften durch ihre Stellung als Gesellschafter ausgewirkt hätten. Eine andere Begünstigung sei mit der Kapitalzuführung nicht verbunden gewesen, sodaß die Körperschaften nur Vorteile als Gesellschafter erlangt hätten. Zu berücksichtigen sei, daß dieser Vorteil aber insoweit nicht mehr klar erkennbar sei, als der Anteil an der von den Gesellschaftern gemeinsam getätigten Vermögenszuführung den Gesellschaftsanteil übersteige und daher zu keiner entsprechenden Wertsteigerung für den einzelnen Gesellschafter führe. Dies treffe für die Zuwendungen des Landes Tir. zu, dessen Gesellschaftsanteil nur 10 vH betrage, das jedoch 47,5 vH der Kapitalzuwendung geleistet habe. Der dem Gesellschaftsanteil nicht mehr entsprechende Anteil der Kapitalzuführung könne daher auch nicht mehr dem Gesellschaftsverhältnis zugeordnet werden und komme - dem erstinstanzlichen Bescheid entsprechend - als gesellschaftliche Einlage nicht in Betracht.

Somit ergebe sich, daß die strittigen Zuwendungen gesellschaftliche Einlagen darstellten, die nach dem Willen der Gesellschafter in die Form der Subventionen gekleidet worden seien. Nach Ansicht des Finanzamtes könnten Zuwendungen einen solchen Doppelcharakter nicht haben. Es habe daher - nach Meinung des Senates zu Recht - das Vorliegen von Subventionen mit der Begründung, daß diese als gesellschaftliche Einlagen zu beurteilen seien, verneint. Eine derartige Einschränkung der Gestaltungsfreiheit der Körperschaften öffentlichen Rechts werde iVm ihren Betrieben gewerblicher Art durchaus anerkannt (s. auch Kranich - Siegl - Waba, Kommentar zur Mehrwertsteuer, Anm. 173 - 175 zu §-29), doch sehe die bf. Gesellschaft diese Einschränkung auf das Verhältnis zwischen einer Körperschaft des öffentlichen Rechts und einer Kapitalgesellschaft, an der sie beteiligt sei, als zu Unrecht angewendet an. Mit Ausnahme von Körperschaften öffentlichen Rechts könnte jedoch kein Gesellschafter Einlagen in Form von Subventionen gewähren. Im Hinblick auf den im Abgabenrecht geltenden Grundsatz, wonach der öffentlichen Hand, wenn sie sich am allgemeinen Wirtschaftsleben beteilige, keine Sonderstellung zukomme (VfSlg. 5085/1965), müsse diese Möglichkeit verneint werden. Die abgabenrechtliche Gestaltungsfreiheit sei nur insoweit eingeschränkt worden, als die Zuwendungen der Hoheitsträger auch deren Privatrechtsbereich beeinflußt hätten. Die an einem Kongreßhaus interessierten Hoheitsträger hätten für die Verwirklichung des Projekts den Weg über eine Form des Handelsrechts gewählt und sich damit in den gewerblichen Rechtsbereich gestellt, auf dem sie abgabenrechtlich jedem privaten Unternehmer gleichzustellen seien. Die Berufung sei daher abzuweisen gewesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den VfGH, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Schutz der Unverletzlichkeit des Eigentums gemäß Art5 StGG und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nach Art2 StGG geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Im Beschwerdefall ist zwischen den Parteien des verfassungsgerichtlichen Verfahrens ausschließlich die Frage strittig, ob durch die Qualifikation eines Teiles der vom Land Tir., der Stadtgemeinde Innsbruck und der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Tir., die sämtliche Gesellschafter der bf. Gesellschaft sind, gewährten Subventionen als Kapitaleinlagen bei der Änderung des Einheitswertes des Betriebsvermögens und der Bemessung der Körperschaft- und Gewerbesteuer für die Jahre 1971 bis 1974, der Vermögensteuer samt Zuschlägen für die Jahre 1971 bis 1975 sowie der Umsatzsteuer für die Jahre 1973 und 1974 durch den angefochtenen Bescheid verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte der bf. Gesellschaft verletzt wurden.

2.1. Die bf. Gesellschaft macht die Verletzung des Rechts auf Gleichbehandlung aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend. Die öffentliche Hand bzw. von ihr gegründete Kapitalgesellschaften dürften nicht schlechter behandelt werden als andere Kapitalgesellschaften.

2.2. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8856/1980, 9015/1981) durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nur verletzt werden, wenn dieser auf einer mit dem Gleichheitsgebot in Widerspruch stehenden Rechtsgrundlage beruht oder wenn die Behörde Willkür geübt hat. Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere iVm einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (vgl. zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie VfSlg. 9187/1981).

2.3. Daß die den bekämpften Bescheid tragenden Rechtsgrundlagen im Widerspruch zum Gleichheitsgebot stünden, wurde von der bf. Gesellschaft nicht behauptet. Auch der VfGH hegt unter dem Blickwinkel des vorliegenden Beschwerdefalles keine derartigen Bedenken.

2.4. Die bf. Gesellschaft sieht sich im Recht auf Gleichbehandlung vor dem Gesetz vor allem dadurch verletzt, daß sie als Gesellschaft, an der nur Körperschaften des öffentlichen Rechts beteiligt sind, in unsachlicher Weise schlechter gestellt sei als eine andere Gesellschaft, an der private Personen oder Personenvereinigungen beteiligt sind. Die bf. Gesellschaft ist zwar nicht im Recht, wenn sie der Ansicht ist, daß eine Subvention, die eine Körperschaft des öffentlichen Rechts an eine Gesellschaft privaten Rechtes, an der sie als Gesellschafter beteiligt ist, unter keinen Umständen in wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Kapitalzufuhr an die Gesellschaft behandelt werden darf. Der bel. Beh. ist auch grundsätzlich zuzustimmen, daß der öffentlichen Hand, wenn sie sich am allgemeinen Wirtschaftsleben beteiligt, keine Sonderstellung zukommt (VfSlg. 5085/1965). An die den Abgabenbehörden obliegende Beweisführung, daß im konkreten Fall Umstände vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, daß eine Subvention einer Körperschaft des öffentlichen Rechts an eine Gesellschaft, an der die Körperschaft beteiligt ist, als Kapitalzufuhr an die Gesellschaft anzusehen ist, sind jedoch strenge Anforderungen zu stellen (vgl. VwSlg. 4666 (F)/1974, VwGH 20. April 1982, Z 81/14/0195, 82/14/0003, 82/14/0004). Für diese sorgfältige Beweisführung wäre im Beschwerdefall umso mehr Veranlassung gewesen, als die bf. Gesellschaft ein Kongreßhaus errichtet hat. Ein solches Bauwerk wird aber zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe, im konkreten Fall der beteiligten Körperschaften öffentlichen Rechts, errichtet, die erfahrungsgemäß in der Regel nicht mit wirtschaftlichen Erfolgen verknüpft ist. Zur Gewährung von erheblichen Subventionen wäre daher wahrscheinlich auch dann Veranlassung gewesen, wenn das Kongreßhaus von einer Gesellschaft errichtet worden wäre, an der nur private Gesellschafter beteiligt gewesen wären. Die bel. Beh. führte in der Begründung des angefochtenen Bescheides aber aus, letztlich sei nur die Tatsache maßgebend, daß die an einem Kongreßhaus interessierten Hoheitsträger für die Verwirklichung des Projektes den Weg über eine Form des Handelsrechtes gewählt und sich damit "in den gewerblichen Rechtsbereich" gestellt hätten, auf dem sie abgabenrechtlich jedem privaten Unternehmer gleichzustellen seien. Damit bedarf es aber keiner weiteren Ausführungen mehr, daß die bel. Beh. in Verkennung der Rechtslage in einem entscheidenden Punkt jede Ermittlungstätigkeit unterlassen und damit ein willkürliches Verhalten gesetzt hat, das in die Verfassungssphäre reicht.

2.5. Die bf. Gesellschaft ist daher durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Gleichbehandlung vor dem Gesetz verletzt worden; weswegen der Bescheid aufzuheben war.

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