Normen
B-VG Art44 Abs3
B-VG Art94
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
ElWOG §21
Energie-RegulierungsbehördenG §16 Abs3a
B-VG Art44 Abs3
B-VG Art94
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
ElWOG §21
Energie-RegulierungsbehördenG §16 Abs3a
Spruch:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. 1. Die beschwerdeführende Gesellschaft betreibt ein Netz zur
Verteilung von Strom, das sich nicht nur über das gesamte Gebiet der Gemeinde Wien, sondern auch über Teile von Niederösterreich und des Burgenlandes erstreckt. Sie verrechnet der mitbeteiligten Partei für die Gewährung des Netzzuganges betreffend eine in Niederösterreich liegende Verbrauchsstelle zusätzlich zu den Systemnutzungstarifen auch die Gebrauchsabgabe weiter, die die beschwerdeführende Gesellschaft gemäß dem Wiener GebrauchsabgabeG zu entrichten verpflichtet ist. Die mitbeteiligte Partei hält diese Weiterverrechnung für rechtswidrig und stellte bei der belangten Behörde einen Antrag auf Streitschlichtung; sie begehrte die Rückzahlung der für die Zeit von 1. August 2000 bis 28. Februar 2006 bezahlten Gebrauchsabgabe in Höhe von € 62.553,04.
Mit dem bekämpften Bescheid sprach die belangte Behörde gemäß §21 Abs2 Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (in der Folge: ElWOG), BGBl. I 121/2000 idF BGBl. I 106/2006, iVm §16 Abs1 Z5 Energie-Regulierungsbehördengesetz (in der Folge: E-RBG), BGBl. I 121/2000 idF BGBl. I 106/2006, aus, die nunmehr beschwerdeführende Gesellschaft sei schuldig, der mitbeteiligten Partei € 51.462,09 zu bezahlen; im Übrigen wies die belangte Behörde den Antrag der mitbeteiligten Partei ab.
2. Dagegen richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des "verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Durchführung eines fairen Verfahrens" und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt wird.
2.1. Die Zulässigkeit der Beschwerde begründet die beschwerdeführende Gesellschaft wie folgt:
Gegen den bekämpften Bescheid sei kein ordentliches Rechtsmittel mehr zulässig, womit der Instanzenzug erschöpft sei. Auch die gesetzlich vorgesehene sukzessive Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte - die im Übrigen auch zeitgerecht angerufen worden seien - ändere an der Beschwerdelegitimation nichts. Denn der konkrete Fall unterscheide sich wesentlich von allen bisher entschiedenen Fällen einer sukzessiven Gerichtszuständigkeit, da der angefochtene Bescheid nicht nur durch die Anrufung der Gerichte nicht außer Kraft trete, sondern vor allem bis zur rechtskräftigen Entscheidung durch die Gerichte sogar vollstreckbar bleibe. Der Umstand der vorzeitigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Bescheides im Zusammenhang mit der Art und Weise der Ausgestaltung der sukzessiven Kompetenz sei der Gegenstand der Beschwerde. Dieser Umstand sei nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht, das im Wege dieser sukzessiven Kompetenz angerufen worden sei; er könne nicht vor den ordentlichen Gerichten bekämpft werden, da die Regelungen über die vorzeitige Vollstreckbarkeit vom Gericht zweiter Instanz oder vom Obersten Gerichtshof in einem möglichen Rechtsmittelverfahren nicht angewendet würden und diese Gerichte auch keine Anträge auf Aufhebung des Gesetzes aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit beim Verfassungsgerichtshof stellen könnten. Ein Rechtsschutzdefizit könne daher nur vermieden werden, wenn die Beschwerde zulässig ist.
2.2. Die Behauptung der Verletzung des "verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Durchführung eines fairen Verfahrens" begründet die Beschwerde mit den Vorwürfen der rechtswidrigen Einbeziehung Dritter als Verfahrenspartei, des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung, der mangelnden Aufnahme von Beweisen und der unzureichenden Sachverhaltsermittlung.
2.3. Die Behauptung der Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen des §16 Abs3 und Abs3a E-RBG, auf die sich der angefochtene Bescheid stütze, begründet die Beschwerde wie folgt:
"... AUSGESTALTUNG DER SUKZESSIVEN KOMPETENZ
§16 Abs3a E-RBG ist als Verfassungsbestimmung erlassen worden. Der Grund dafür ist offensichtlich, die darin festgelegte sukzessive Kompetenz in umfassender Weise von bundesverfassungsrechtlichen Bindungen freizustellen, mit anderen Worten, die Anwendung der Bundesverfassung auf derartige Bestimmungen überhaupt auszuschließen. Hierbei soll offenbar das Gebot der Rechtsstaatlichkeit und damit sogar die Schranke des Art44 Abs3 B-VG außer Kraft gesetzt werden. Damit wird die gegenständliche Regelung aus der von der Verfassung vorgesehenen umfassenden Bindung des einfachen Gesetzgebers an das Verfassungsrecht eximiert, was gleichzeitig bewirkt, dass eine Überprüfung dieser Vorschrift an den verfassungsrechtlichen Vorgaben durch den Verfassungsgerichtshof nicht mehr möglich sein soll.
Solchen Versuchen hat der Verfassungsgerichtshof erstmals mit dem Erkenntnis VfSlg 16.327/2001, mit dem [die Verfassungsbestimmung des] §126 a BVergG 1997 idF BGBl I 2000/125 als verfassungswidrig
aufgehoben wurde, einen Riegel vorgeschoben. ... [Die dortigen
Aufhebungsgründe] gelten uneingeschränkt auch im konkreten Fall. Der bekämpfte Bescheid der belangten Behörde tritt im Falle einer Anrufung eines ordentlichen Gerichtes nicht schon in diesem Zeitpunkt, sondern erst mit Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung außer Kraft. Bei dieser Ausgestaltung der sukzessiven Kompetenz bleibt der Bescheid während des gesamten Gerichtsverfahrens und auch während eventueller Rechtsmittelverfahren vor Gerichten der zweiten und dritten Instanz in Kraft. Nach der Lehre besteht die sukzessive Kompetenz darin, dass ein Gericht nach einer Verwaltungsbehörde angerufen werden kann und damit die Entscheidung der Verwaltungsbehörde ex lege außer Kraft tritt. Das Gericht hat dann die Sache neu und nicht bloß nachprüfend zu entscheiden. ...
Im Hinblick auf den in Art94 B-VG festgeschriebenen Grundsatz der Gewaltentrennung handelt es sich hierbei um keinen 'normalen' Fall der sukzessiven Kompetenz, weil es die Regelung zulässt, dass auch einander widersprechende Entscheidungen einer Behörde und eines Gerichtes in derselben Sache nebeneinander in Kraft stehen können. Dies ist mit dem Grundprinzip der Rechtsstaatlichkeit und der Gewaltentrennung nach Auffassung der Beschwerdeführerin unvereinbar. Durch die Erlassung der gegenständlichen Bestimmung im Rang eines einfachen Verfassungsgesetzes kommt dieser der Charakter einer verfassungssuspendierenden Norm zu. Hierbei wird der Grundsatz der Maßgeblichkeit der Verfassung verletzt und der Versuch unternommen, das Postulat der Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Normenkontrolle, die nach oben angeführter Aussage des Verfassungsgerichtshofes den Kern des Verfassungsprinzips bilden, zu unterlaufen.
Zwar erkannte der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg 12.073/1989 implicite, dass auch ein Außerkrafttreten des Bescheides erst im Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung als verfassungskonform anzusehen sein kann, doch hatte der in Prüfung gestandene §26 Abs3 JWG idF BGBl 1954/99 ein ganz anderes
Regelungsziel als die gegenständliche Norm. ... Durch diese Regelung
sollte offenbar gesichert werden, dass es im Bedarfsfall zu jeder Zeit eine in Geltung stehende Maßnahme zu Gunsten des Kindes gab und dieser Zustand nicht allein durch die Anrufung des Gerichtes seine Wirkung verlieren sollte, sodass ein regelungsfreier Zeitraum bis zur Entscheidung des Gerichtes eintreten konnte.
Eine vergleichbare Notwendigkeit besteht im gegenständlichen Fall nicht. Im konkreten Fall geht es um die Rückforderung von Zahlungen, die von Vertragsparteien der Beschwerdeführerin bereits in der Vergangenheit geleistet wurden und hinsichtlich derer gegenwärtig eine Überprüfung stattfindet, ob die Leistung rechtmäßig erfolgte. Es handelt sich um einen 'Normalfall' der Überprüfung eines zivilrechtlichen Rückforderungsanspruches, für den das österreichische Rechtssystem nicht nur grundsätzlich eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte vorsieht, sondern auch ein Rechtsschutzsystem, das Rechtsmitteln gegen erstinstanzliche Entscheidungen im Regelfall aufschiebende Wirkung zubilligt. Nur ausnahmsweise ist dies aufgrund ganz spezifischer Interessenlagen und besonderer Schutzwürdigkeit eines Beteiligten (etwa im Bereich des Arbeitsrechts oder im Zusammenhang mit einstweiligen Verfügungen) anders. Eine solche Ausnahmekonstellation fehlt hier ..., da im vorliegenden Fall keine Gefahr im Verzug dergestalt, dass existenzielle Bedürfnisse befriedigt werden müssen, besteht, fehlt es daher auch an einem gleichgelagerten Interesse an einer solchen Regelung. ...
... VERLETZUNG DES GLEICHHEITSGRUNDSATZES
D[er] bekämpfte Bescheid beruht auf §16 Abs1 Z5 E-RBG, der bestimmt, dass die Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Marktteilnehmern in jenen Fällen, in denen der Netzzugangsberechtigte Ansprüche gegen den Netzbetreiber geltend macht, der Energie-Control Kommission zugewiesen ist. Diese Regelung hat ihre Grundlage in §21 Abs1 ElWOG, in dem normiert wird, dass in Streitigkeiten zwischen Netzzugangsberechtigten und Netzbetreibern über die aus diesem Verhältnis entspringenden Verpflichtungen, insbesondere die anzuwendenden Bedingungen und Systemnutzungstarife, die Gerichte entscheiden. Eine Klage eines Netzzugangsberechtigten kann erst nach Zustellung des Bescheides der Energie-Control Kommission im Streitschlichtungsverfahren gemäß §16 Abs1 Z5 E-RBG oder innerhalb der in §16 Abs3 a E-RBG vorgesehenen Frist eingebracht werden.
Somit sind vier verschiedene Fallkonstellationen zu unterscheiden:
1. Der gegenständliche Fall: Ein Netzzugangsberechtigter wendet sich an die Energie-Control Kommission und seinem Begehren wird bescheidmäßig stattgegeben. Der Netzbetreiber erhebt im Wege der sukzessiven Kompetenz bei Gericht Klage gegen den Netzzugangsberechtigten. Das Gericht entscheidet dem Bescheid widersprechend. Bis zur Rechtskraft des Urteils bleibt der Bescheid in Geltung; der Bescheid ist bis dahin auch vollstreckbar.
2. Dem Begehren des Netzzugangsberechtigten wird von der Energie-Control Kommission bescheidmäßig nicht stattgegeben. Er erhebt im Wege der sukzessiven Kompetenz Klage bei Gericht. Das Gericht entscheidet dem Bescheid widersprechend. Der Bescheid bleibt ebenfalls bis zur Rechtskraft des Urteils in Geltung.
3. Der Netzbetreiber will einen Anspruch gegen einen Netzzugangsberechtigten durchsetzen. Er muss bei Gericht Klage gegen den Netzzugangsberechtigten erheben. Seiner Klage wird stattgegeben, der Netzzugangsberechtigte beruft. Die Rechtmitteleinbringung hat aufschiebende Wirkung, das Urteil kann daher nicht in Rechtskraft erwachsen und auch nicht vollstreckt werden, bis eine Gerichtsentscheidung in Rechtskraft erwächst.
4. Das Begehren des Netzbetreibers wird vom Gericht abgewiesen. Er beruft. Wiederum hat die Einbringung des Rechtsmittels aufschiebende Wirkung, womit das Urteil der ersten Instanz nicht in Rechtskraft erwachsen und nicht vollstreckt werden kann.
Es ist somit festzuhalten, dass es bei Entscheidungen über Rechtsschutzbegehren von am gleichen Verfahren beteiligten Streitparteien, die auf demselben vertraglichen Rechtsgrund, nämlich dem Netzzugangsvertrag, basieren, zu unterschiedlichen Rechtsfolgen bei Ergreifen von Rechtsmitteln kommt. Damit wird vom Gesetzgeber eine sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung vorgenommen. Es liegen nämlich keine relevanten Unterschiede im Tatsachenbereich (objektive Unterscheidungsmerkmale) vor, da sich der Anspruch, den eine der beiden Vertragsparteien geltend macht, auf die gleiche Grundlage stützt. Dies verstößt eindeutig gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art2 StGG bzw des Art7 B-VG. Danach müssen gleiche Tatbestände zu gleichen Rechtsfolgen führen.
Zwar ist die eigentümliche Regelung des Rechtsschutzes für die Netzzugangsberechtigten offenbar auf die Umsetzung der Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie (RL 2003/54/EG vom 26.6.2003, ABl L 176, 37) zurückzuführen, jedoch verlangt der betreffende Art23 von den Mitgliedstaaten nicht, dass es eine unterschiedliche Ausgestaltung des Rechtsschutzes für Netzzugangsberechtigte und für Netzbetreiber bei Streitigkeiten aufgrund der Regelungstatbestände der betreffenden europäischen Norm geben muss. Ebensowenig verlangt sie, dass die Behörde dazu ermächtigt werden muss, über zivilrechtliche Rückforderungsansprüche zu entscheiden oder dass die Entscheidung der Behörde bis zur rechtskräftigen Entscheidung eines Gerichtes aufrecht bleiben muss. Art23 Abs5 der Richtlinie sieht in diesem Zusammenhang nur vor, dass die Entscheidung der Behörde verbindlich sein muss, bis sie gegebenenfalls aufgrund eines Rechtsbehelfs - was die Anrufung eines Gerichtes zweifellos ist - aufgehoben wird.
... UNZULÄSSIGKEIT DER EINSEITIGEN BELASTUNG DES
RECHTSSCHUTZSUCHENDEN MIT ALLEN FOLGEN EINER BEHÖRDLICHEN
ENTSCHEIDUNG
... Aus der angefochtenen Regelung der sukzessiven Kompetenz
ergibt sich, dass der durch den Bescheid der belangten Behörde
Beschwerte keine vorläufige Rechtsschutzmöglichkeit hat und somit
allein mit den Folgen der behördlichen Entscheidung über einen
längeren Zeitraum, nämlich bis zur Rechtskraft des Urteils eines
Gerichtes, belastet ist. Im Erkenntnis VfSlg. 11.196/1986 befasste
sich der Verfassungsgerichtshof mit diesem Problem und legte dieser
Fallkonstellation das rechtsstaatliche Prinzip als
verfassungsrechtlichen Maßstab zu Grunde. ... [Der dort aufgehobene]
§254 BAO bestimmt[e], dass durch die Einbringung einer Berufung die
Wirksamkeit des angefochtenen Bescheides nicht gehemmt, insbesondere
die Einhebung und zwangsweise Einbringung einer Abgabe nicht
aufgehalten wird. ... Die [dort] vom Gerichtshof als unabdingbar
geforderten Rechtsschutzeinrichtungen müss[t]en ihrer Zweckbindung
nach ein bestimmtes Mindestmaß an faktischer Effizienz für den
Rechtsschutzwerber aufweisen. ... Es geht nach Ansicht des
Verfassungsgerichtshofes nicht an, dass der Rechtsschutzsuchende generell einseitig mit allen Folgen einer potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung solange belastet wird, bis sein Rechtsschutzgesuch endgültig erledigt ist. Zu berücksichtigen sind in diesem Zusammenhang allerdings nicht nur seine Position, sondern auch Zweck und Inhalt der Regelung, ferner die Interessen Dritter sowie schließlich das öffentliche Interesse. Der Gesetzgeber hat unter diesen Gegebenheiten einen Ausgleich zu schaffen, wobei aber dem Grundsatz der faktischen Effizienz eines Rechtsbehelfs der Vorrang zukommt und dessen Einschränkung nur aus sachlich gebotenen, triftigen Gründen zulässig ist. ...
Im gegenständlichen Fall gibt es zwei mögliche Rechtsschutzsuchende, nämlich die Beschwerdeführerin und die [mitbeteiligte Partei]. Somit muss eine Interessenabwägung vorgenommen werden: Klagt die Beschwerdeführerin im Wege der sukzessiven Kompetenz bei Gericht, ist sie als Rechtsschutzsuchende mit allen Folgen einer potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung solange belastet, bis ihr Rechtsschutzgesuch endgültig erledigt ist. Wenn man Zweck und Inhalt der Regelung, die Interessen Dritter sowie das öffentliche Interesse als mögliche Gründe für eine Einschränkung des Rechtsbehelfs untersucht, so kommt man zum Schluss, dass ein solcher Rechtfertigungsgrund nicht vorliegt: Der Zweck und Inhalt der Regelung scheiden als solche mangels eines erkennbaren und sachlich nachvollziehbaren Grundes aus. Die Interessen Dritter sind durch ein Außerkrafttreten des bekämpften Bescheides mit Klagseinbringung nicht in einer Weise betroffen, dass sie existenziell gefährdet wären. Ein öffentliches Interesse steht einer anders gestalteten Regelung der sukzessiven Kompetenz nicht entgegen. Damit liegt kein sachlich gebotener, triftiger Grund vor, der eine Einschränkung des Postulates der faktischen Effizienz eines Rechtsmittels zu Gunsten der Beschwerdeführerin rechtfertigen würde.
Im Zuständigkeitsbereich der belangten Behörde ist das Ergebnis inhaltlich gleich, wenn die [mitbeteiligte Partei] gegen eine Entscheidung der belangten Behörde die Gerichte anruft. Auch diesfalls ist der Rechtsschutzsuchende mit allen Folgen einer potentiell rechtswidrigen Entscheidung der Behörde solange belastet, bis über sein Rechtsschutzgesuch bei Gericht endgültig entschieden wird. Wiederum scheiden die vom Verfassungsgerichtshof geforderten sachlich gebotenen, triftigen Gründe für eine Einschränkung aus denselben Gründen wie bei der Beschwerdeführerin aus. Somit wird jeder der möglichen Rechtsschutzsuchenden einseitig mit den Folgen einer potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung bis zur Rechtskraft eines Gerichtsurteils belastet. Das System des Rechtsschutzes gewährleistet im gegenständlichen Fall in keiner Weise den Ausgleich zwischen den Interessen des jeweiligen Rechtsschutzsuchenden und der belangten Behörde. Es liegt somit auch aus diesem Grund ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip vor.
...
Mit Erkenntnis VfSlg 12.683/1991 hob der Verfassungsgerichtshof §61 Abs1 Z2 ASGG, der die vorzeitige Vollstreckbarkeit bei Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche auf das bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses rückständige laufende Arbeitsentgelt vorsah, als verfassungswidrig auf und hielt an seiner im oben angeführten Erkenntnis ausgesprochenen Auffassung fest, dass es unter dem Aspekt des rechtsstaatlichen Prinzips nicht angehen kann, den Rechtschutzsuchenden generell einseitig mit allen Folgen einer potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung solange zu belasten, bis sein Rechtschutzgesuch endgültig erledigt ist. ...
Überträgt man diese Begründung auf den gegenständlichen Fall, ist die vorzeitige Vollstreckbarkeit als verfassungswidrig anzusehen.
... Netzzugangsberechtigte [sind] hinsichtlich zivilrechtlicher
Ansprüche aus dem Netzzugangsvertrag nicht ebenso schutzbedürftig wie dies im Regelfall für Arbeitnehmer hinsichtlich ihres einzigen Einkommens gilt. Daher kann die auf der besonderen Schutzbedürftigkeit von Arbeitnehmern aufbauende Begründung nicht auf Netzzugangsberechtigte übertragen werden. Arbeitnehmer sind zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts regelmäßig auf das laufende Arbeitsentgelt angewiesen, sodass die Verpflichtung zur Bezahlung vor einem rechtskräftigen Urteil dadurch gerechtfertigt ist. Netzzugangsberechtigte sind jedoch zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts (oder auch sonstiger Bedürfnisse) in der Regel nicht auf (Rückforderungs-)Ansprüche aus dem Netzzugangsvertrag angewiesen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die möglichen monatlichen Ansprüche nur einen geringen Bruchteil des monatlichen Arbeitsentgelts ausmachen können. Dies gilt aufgrund der geringen Beträge umso mehr für die behaupteten Ansprüche auf Rückforderung der Gebrauchsabgabe durch Verbraucher.
Ein ganz wesentlicher Unterschied liegt aber auch darin, dass ein Netzzugangsberechtigter die von ihm zurückgeforderten Beträge notwendiger Weise in der Vergangenheit geleistet hat, worauf geschlossen werden kann, dass Ansprüche der Beschwerdeführerin aus dem Netzzugangsvertrag in der Regel für Netzzugangsberechtigte nicht existenzgefährdend sind. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass in der Regel ein Netzbetreiber durch die vorzeitige Vollstreckbarkeit stärker belastet ist als ein Arbeitgeber. In Arbeitsrechtsprozessen geht es üblicherweise um die Ansprüche eines einzelnen Arbeitnehmers, allenfalls einer Gruppe vergleichbarer Arbeitnehmer. Wird hingegen der Anspruch eines Netzzugangsberechtigten bejaht, steht dieser aufgrund der Gleichartigkeit der Netzzugangsverträge und des Sachverhalts regelmäßig allen Netzzugangsberechtigten zu. Dies zeigt gerade der gegenständliche Fall, in dem es um den Anspruch auf Rückforderung der Gebrauchsabgabe geht. Aus diesem Grund wird [ein anderes, gleichartiges Streitbeilegungsverfahren] von der Wirtschaftskammer Niederösterreich als Musterverfahren geführt. In den Medien hat die Wirtschaftskammer Niederösterreich bereits verlautbart, dass allen niederösterreichischen Netzzugangsberechtigten Rückforderungsansprüche zustehen, falls in diesem Verfahren zu Gunsten des Netzzugangsberechtigten entschieden wird.
Aus dem vorstehenden Aspekt ergibt sich auch eine unverhältnismäßige wirtschaftliche Belastung eines Netzbetreibers durch den Umstand, dass bekämpfte Leistungsbescheide zunächst aufrecht bleiben. Wie sich aus den vorgelegten Meldungen über die Maßnahmen der Wirtschaftskammer Niederösterreich ergibt, sollen die Rückforderungsansprüche von rund 350.000 niederösterreichischen Netzzugangsberechtigen rund EUR 20 Mio pro Jahr betragen. Geht man davon aus, dass die belangte Behörde einen Rückforderungsanspruch aller rund 350.000 niederösterreichischen Kunden für drei Jahre bejaht, wäre die Beschwerdeführerin (jedenfalls vorläufig) zur Bezahlung von etwa EUR 60 Mio verpflichtet. Die Ausgestaltung der sukzessiven Kompetenz hat daher massive wirtschaftliche Konsequenzen für die Beschwerdeführerin als Netzbetreiberin.
... NEBENEINANDERBESTEHEN VON EINANDER WIDERSPRECHENDEN
ENTSCHEIDUNGEN EINER BEHÖRDE UND EINES GERICHTS UND DAMIT VERBUNDENE
VERLETZUNG DES GRUNDSATZES DER GEWALTENTRENNUNG
Besonders gravierend ist der Umstand, dass durch die Ausgestaltung der sukzessiven Kompetenz jahrelang einander widersprechende, wirksame Entscheidungen vorliegen können. Nach der gegenständlichen Ausgestaltung der sukzessiven Kompetenz tritt der Bescheid der belangten Behörde nämlich erst mit der Rechtskraft des zivilgerichtlichen Urteils außer Kraft. Bejaht die belangte Behörde den Anspruch und wird dieser Anspruch danach vom Zivilgericht erster Instanz in seinem Urteil verneint, bestehen diese einander inhaltlich widersprechenden Entscheidungen bis zur Rechtskraft des Urteils; wird das Urteil im Instanzenzug (durch zwei Instanzen bis zum Obersten Gerichtshof) bekämpft, bestehen der Bescheid und das ihm widersprechende Urteil jahrelang nebeneinander, wobei beide wirksam sind.
Die vorstehenden Ausführungen sollen anhand des gegenständlichen Falles erläutert werden: Nach Zustellung des bekämpften Bescheides hat die Beschwerdeführerin im Rahmen der sukzessiven Kompetenz Klage beim Landesgericht Korneuburg eingebracht. Geht man davon aus, dass das Landesgericht Korneuburg in seinem Urteil den Rückforderungsanspruch verneint, liegt ein dem bekämpften Bescheid widersprechendes Urteil vor. Falls die [mitbeteiligte Partei] das Urteil im Instanzenzug bis zum Obersten Gerichtshof bekämpft (die Revision wäre sicherlich zulässig) und das Oberlandesgericht Wien der Berufung keine Folge gibt, bestünden der bekämpfte Bescheid und ein inhaltlich widersprechendes Gerichtsurteil jahrelang nebeneinander; dieser Zustand würde bei einem Instanzenzug bis zum Obersten Gerichtshof erfahrungsgemäß drei bis vier Jahre dauern. Selbst wenn auch das Berufungsgericht in seinem Urteil den Rückforderungsanspruch verneint, könnte die [mitbeteiligte Partei] auch dann noch auf der Grundlage des von zwei Gerichten als unrichtig erkannten Bescheides Leistung begehren bzw Exekution führen, weil das Berufungsurteil aufgrund einer Revision noch nicht rechtskräftig wäre.
Die vorliegende Fallkonstellation ist aus einem weiteren Grund einmalig: Nach allgemeinen öffentlich-rechtlichen Grundsätzen sind Bescheide, die nicht im Instanzenweg zu einer Verwaltungsbehörde (bzw einem der Sondergerichtshöfe des öffentlichen Rechts) bekämpfbar sind, formell und materiell rechtskräftig. Nach diesen Grundsätzen würde dies auch für Bescheide der Energie-Control Kommission gemäß §16 E-BRG gelten, sofern sie nicht durch die Anrufung eines Gerichts wegen der sukzessiven Kompetenz außer Kraft treten. Eben dies soll jedoch nicht der Fall sein; die Bescheide der Energie-Control Kommission sollen vielmehr weiterhin dem Rechtsbestand angehören. Damit ergibt sich eine Konstellation, dass ein formell und materiell rechtskräftiger Bescheid durch die Entscheidung eines Gerichts nachträglich beseitigt werden würde und nicht etwa durch den Rechtsbehelf der Anrufung eines Gerichts, noch ehe er formell und materiell rechtskräftig werden kann, aus dem Rechtsbestand ausscheidet. Das widerspricht nach Auffassung der Beschwerdeführerin dem Grundsatz der Gewaltentrennung.
Dies zeigt sich besonders deutlich in dem gegenständlichen Fall, dass in erster bzw zweiter Instanz angerufene Gerichte entgegen einem Bescheid der belangten Behörde keine Leistungsverpflichtung der Beschwerdeführerin sehen würden. Obwohl ordentliche Gerichte in zwei Instanzen den Rechtstandpunkt der Beschwerdeführerin diesfalls teilen würden, könnte sie sich faktisch gegenüber der Entscheidung der belangten Behörde nicht zur Wehr setzen, da diese weiterhin existent und vollstreckbar wäre. Die Entscheidung der belangten Behörde wäre in diesem Fall 'mehr wert als zwei gerichtliche Entscheidungen'.
Die vorliegende Fallkonstellation führt, wie das folgende Beispiel zeigt, zu weiteren Ungereimtheiten: Würde die beschwerdeführende Partei einer Zahlungsaufforderung der [mitbeteiligten Partei] nicht nachkommen, weil etwa zwei Gerichtsinstanzen ihren Rechtsstandpunkt bestätigen, und würde die [mitbeteiligte Partei] dessen ungeachtet Exekution aufgrund des bekämpften Bescheids führen, würde sich, wenn in weiterer Folge nach einer möglichen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs feststeht, dass die [mitbeteiligte Partei] keinen Rückforderungsanspruch hat, die Frage nach den Kosten des Exekutionsverfahrens stellen. Formal gesehen wären solche Kosten, obwohl zwei ordentliche Gericht einen Anspruch verneint haben, der sich sohin in weiterer Folge auch als unberechtigt herausstellt, von der Beschwerdeführerin zu tragen; dies ist ein Ergebnis, das jedenfalls zeigt, dass die gewählte gesetzliche Regelung nicht mit den Grundsätzen der Gewaltentrennung vereinbar ist.
Ähnlich verhält es sich mit der Frage, ob in dieser Fallkonstellation, in der letztlich die Beschwerdeführerin Rückforderungsansprüche gegen die [mitbeteiligte Partei] hätte, diese als redliche oder unredliche Besitzerin anzusehen wäre, wenn sie trotz zweier gegen ihren Rechtstandpunkt ergangener Gerichtsurteile aufgrund des Bescheides der belangten Behörde Exekution führt.
Der dargestellte Zustand stellt den qualitativen Unterschied zu anderen Fällen der sukzessiven Kompetenz dar. Beispielsweise tritt gemäß §71 Abs1 ASGG der Bescheid des Versicherungsträgers mit Klageerhebung im Umfang des Klagebegehrens außer Kraft. Damit gibt es keine Parallelität von einander widersprechenden Entscheidungen eines ordentlichen Gerichts und einer Verwaltungsbehörde. Durch §61 Abs4 ASGG ist die gerichtliche Verfügung der teilweisen oder gänzlichen Hemmung der vorzeitigen Vollstreckbarkeit nach Berücksichtigung der Interessen des Verpflichteten möglich. Eine solche Berücksichtigung der Interessen des Verpflichteten findet in §16 Abs3 a E-RBG nicht statt. Auch gegenüber der Bestimmung des §64 Abs1 AVG, nach dem rechtzeitig eingebrachten Berufungen ex lege aufschiebende Wirkung zukommt, ist ein Rechtsmittelwerber im gegenständlichen Fall benachteiligt.
Die sofortige Vollstreckbarkeit kann außerdem zu jahrelanger Rechtsunsicherheit führen, weil zwischen der Erlassung des Bescheides der belangten Behörde - und damit seiner Vollstreckbarkeit - und der endgültigen Entscheidung durch ein ordentliches Gericht ein sehr langer Zeitraum (mehrere Jahre) liegen kann. Sollte das letztinstanzliche Zivilgericht der Ansicht der belangten Behörde nicht folgen, könnten an die Netzzugangsberechtigten geleistete Beträge zurückgefordert werden.
Die in §42 EO normierte Möglichkeit der Aufschiebung der Exekution ist nicht geeignet, die Verfassungsmäßigkeit der gegenständlichen Regelung zu gewährleisten. Zunächst ist die Aufschiebung an das Vorliegen folgender Voraussetzungen gebunden, die kumulativ vorliegen müssen: Es muss ein Aufschiebungsantrag gestellt werden (§42 Abs1 EO) und ein gesetzlich vorgesehener Aufschiebungsgrund verwirklicht sein (§42 Abs1 Z1 bis 9 und Abs2 EO), der Beginn oder die Fortsetzung der Exekution muss mit der Gefahr eines unersetzlichen oder nur schwer zu ersetzenden Vermögensnachteils für den Verpflichteten oder den Dritten verbunden sein (§44 Abs1 EO), und die Aufschiebung darf die Befriedigung des betreibenden Gläubigers nicht gefährden; ist dies der Fall, muss der Antragsteller eine Sicherheit leisten (§44 Abs2 Z3 EO).
Von Interesse ist im gegenständlichen Fall §42 Abs1 Z1 EO, nach dem bei Einbringung einer Klage gegen den Exekutionstitel die Aufschiebung der Exekution angeordnet werden kann. Anerkannt als Aufschiebungsgrund ist die Klage auf Feststellung, dass der Anspruch
aus dem Exekutionstitel nicht zu Recht besteht ... . Damit ist eine
Klage der Beschwerdeführerin bei Gericht im Wege der sukzessiven Kompetenz zwar von der genannten Rechtsvorschrift umfasst, dennoch ist es aber unter Berücksichtigung der oben angeführten Kriterien unwahrscheinlich, dass einem solchen Antrag stattgegeben werden würde. Gerade die Gefahr eines unersetzlichen oder schwer zu ersetzenden Nachteils durch die vorläufige Zahlung der Geldforderung wird im Einzelfall nicht bescheinigt werden können.
Da einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof keine aufschiebende Wirkung zukommt, ist sie auch kein Grund, die aufgrund
des Verwaltungsaktes eingeleitete Exekution aufzuschieben ... . Die
Regelungen der EO finden auf diesen Fall keine Anwendung. ..."
3. Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie den Ausführungen der beschwerdeführenden Gesellschaft entgegentritt und die Zurückweisung bzw. Abweisung der Beschwerde beantragt.
Zur Frage der Zulässigkeit der Beschwerde führt die belangte Behörde aus:
"Die Auffassung, wonach die Anrufung des Verfassungsgerichtshofes zulässig ist, ist unzutreffend. Die Beschwerdeführerin hat die Möglichkeit, die Sache nach der Entscheidung der Energie-Control Kommission bei Gericht anhängig zu machen. Davon hat die Beschwerdeführerin auch Gebrauch gemacht. Dh dem Gericht wird damit die volle Jurisdiktion in der verfahrensgegenständlichen Sache eröffnet. Im Gerichtsverfahren besteht für die Beschwerdeführerin sehr wohl die Möglichkeit gegen die von ihr als verfassungswidrig angesehenen Vorschriften vorzugehen, hat sie doch auch das Gericht bei der Prüfung seiner Zuständigkeit zu beachten. Der Bescheid der Energie-Control Kommission ist dabei nicht Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens. Damit ist die Möglichkeit der Entscheidung eines Gerichtes als ein Mittel, um den bekämpften Bescheid außer Kraft zu setzen und geltend gemachte Ansprüche anderweitig endgültig durchzusetzen, gesetzlich vorgesehen, weshalb keine Legitimation zur Erhebung einer auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof besteht."
4. Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Äußerung, in der sie den Beschwerdeargumenten entgegentritt und die kostenpflichtige Zurückweisung bzw. Abweisung der Beschwerde beantragt.
5. Die beschwerdeführende Gesellschaft erstattete eine Replik.
6. In einem weiteren Schriftsatz legte die beschwerdeführende Gesellschaft das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 10. Jänner 2008, Z11 Cg 187/06a-11, vor und führte aus:
"Mit dem dieser Stellungnahme angeschlossenen Urteil hat das
Landesgericht Korneuburg ... der von der Beschwerdeführerin erhobenen
Klage stattgegeben ... [und] festgestellt, dass der von der
[mitbeteiligten Partei] behauptete Anspruch auf Rückzahlung von Gebrauchsabgabe nicht besteht; das Urteil des Landesgerichts Korneuburg widerspricht also dem bekämpften Bescheid der Energie-Control Kommission. Obwohl das Urteil des Landesgerichts Korneuburg dem bekämpften Bescheid vorgeht und diesen im Falle seiner Rechtskraft außer Kraft setzt, könnte ungeachtet dessen jederzeit ein Exekutionsverfahren gegen die Beschwerdeführerin auf der Grundlage des bekämpften Bescheides eingeleitet werden.
Die [mitbeteiligte Partei] hat Berufung gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg erhoben. Die Beschwerdeführerin hat Ende März 2008 die Berufungsbeantwortung erstattet. Mit einem Berufungsurteil ist daher erst in einem erheblichen Zeitraum zu rechnen. Das Berufungsurteil wird jedenfalls mit Revision an den Obersten Gerichtshof bekämpft werden. Wird der Berufung keine Folge gegeben, tritt im Prozess die in der Beschwerde beschriebene Situation ein, dass der bekämpfte Bescheid noch immer vollstreckt werden kann, obwohl dann sogar zwei ihm widersprechende und letztendlich vorgehende Gerichtsurteile bestehen.
Jener Zivilprozess, der im Anschluss an den bekämpften
Bescheid anhängig ist, zeigt also deutlich die Verfassungswidrigkeit
... und den Charakter von §16 Abs3a E-RBG als
verfassungssuspendierende Norm ... ."
II. Zur Rechtslage:
§21 ElWOG lautet auszugsweise:
"Streitbeilegungsverfahren
§21. (unmittelbar anwendbares Bundesrecht) (1) In
Streitigkeiten zwischen Netzzugangsberechtigten und Netzbetreibern
über die Rechtmäßigkeit der Verweigerung des Netzzuganges entscheidet
- sofern keine Zuständigkeit des Kartellgerichtes (§38 Kartellgesetz
2005, BGBl. I Nr. 61/2005) vorliegt - die Energie-Control Kommission.
(2) In allen übrigen Streitigkeiten zwischen Netzzugangsberechtigten und Netzbetreibern über die aus diesem Verhältnis entspringenden Verpflichtungen, insbesondere die anzuwendenden Bedingungen und Systemnutzungstarife, entscheiden die Gerichte. Eine Klage eines Netzzugangsberechtigten kann erst nach Zustellung des Bescheides der Energie-Control Kommission im Streitschlichtungsverfahren gemäß §16 Abs1 Z5 E-RBG oder innerhalb der in §16 Abs3a E-RBG vorgesehenen Frist eingebracht werden.
..."
§16 E-RBG lautet auszugsweise:
"Aufgaben der Energie-Control Kommission
§16. (1) (Verfassungsbestimmung) Der Energie-Control
Kommission sind folgende Aufgaben zugewiesen:
...
5. die Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Marktteilnehmern in jenen Fällen, in denen der Netzzugangsberechtigte Ansprüche gegen den Netzbetreiber geltend macht (§21 ElWOG);
...
(3) Die Energie-Control Kommission hat in den Fällen des Abs1 Z1 sowie 3 bis 15, 17, 19 bis 22, 24 und 26 bescheidmäßig innerhalb von zwei Monaten zu entscheiden. Diese Frist kann um zwei Monate verlängert werden, wenn die Energie-Control Kommission zusätzliche Informationen anfordert. Eine weitere Verlängerung ist nur mit Zustimmung der am Verfahren beteiligten Parteien möglich. Auf Leistung, Unterlassung oder Untersagung gerichtete Bescheide bilden einen Exekutionstitel im Sinne des §1 der Exekutionsordnung, RGBl. Nr. 79/1896 in der jeweils geltenden Fassung.
(3a) (Verfassungsbestimmung) Die Partei, die sich mit Entscheidungen gemäß Abs1 Z5, 6 und 20 nicht zufrieden gibt, kann die Sache innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Bescheides bei Gericht anhängig machen. Mit der rechtskräftigen Entscheidung des Gerichts tritt die Entscheidung der Energie-Control Kommission außer Kraft. Die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung gegen den Ablauf der Anrufungsfrist obliegt dem Gericht; der Wiedereinsetzungsantrag ist unmittelbar bei Gericht einzubringen.
..."
III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit der Beschwerde erwogen:
1. Im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. etwa VfSlg. 17.036/2003 mwN) ist die Legitimation zur Erhebung einer auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht gegeben, wenn die Möglichkeit der Anrufung eines Gerichtes als ein Mittel, um den bekämpften Bescheid außer Kraft zu setzen und geltend gemachte Ansprüche anderweitig endgültig durchzusetzen, gesetzlich vorgesehen ist.
Genau das sieht §16 Abs3a E-RBG für den vorliegenden Fall vor: Der Rechtsschutz gegen Bescheide der Energie-Control Kommission im Streitschlichtungsverfahren gemäß §16 Abs1 Z5 E-RBG iVm §21 ElWOG ist durch die Möglichkeit der Anrufung des ordentlichen Gerichtes eingeräumt. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass - anders als in den Fällen der so genannten "sukzessiven Gerichtszuständigkeit", mit denen der Verfassungsgerichtshof bisher konfrontiert war - der Bescheid nicht bereits mit Anrufung des (ordentlichen) Gerichts, sondern erst mit dessen rechtskräftiger Entscheidung außer Kraft tritt. Denn auch hier ist für eine "parallele" Anfechtung solcher Bescheide insbesondere vor dem Verfassungsgerichtshof neben dem Verfahren vor dem ordentlichen Gericht kein Raum, käme es dann doch zu einer Konkurrenz des (ordentlichen) Gerichtes und des Verfassungsgerichtshofes hinsichtlich der Gewährung des Rechtsschutzes in ein und derselben Angelegenheit; die Absicht, eine solche Regelung zu treffen, ist dem (Verfassungs-)Gesetzgeber nicht zuzusinnen. Dieser hat vielmehr die (ordentlichen) Gerichte zur Gewährung des endgültigen Rechtsschutzes berufen und daneben die vorläufige Geltung (und Vollstreckbarkeit - siehe unten Punkt 2.3.) der durch den Streitschlichtungsbescheid verfügten Entscheidung angeordnet.
2. Der Verfassungsgerichtshof teilt auch nicht die verfassungsrechtlichen Bedenken der beschwerdeführenden Gesellschaft gegen die - zur Beurteilung der Zulässigkeit der Beschwerde vom Verfassungsgerichtshof anzuwendende und daher präjudizielle - Verfassungsbestimmung des §16 Abs3a E-RBG.
2.1. Wenn die beschwerdeführende Gesellschaft darauf verweist, dass der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung Fälle der - einfachgesetzlich vorgesehenen - "sukzessiven Gerichtszuständigkeit" an der durch Art94 B-VG verbürgten Trennung der Justiz von der Verwaltung in allen Instanzen gemessen und auf das Außer-Kraft-Treten des Bescheides bereits durch die Anrufung des Gerichtes Wert gelegt hat, ist auf den Verfassungsrang des §16 Abs3a E-RBG hinzuweisen. Das gilt auch für den möglichen Einwand, die Voraussetzungen des Art20 Abs2 B-VG würden durch diese Konstruktion in Frage gestellt. Dass diese Verfassungsbestimmung entgegen Art94 B-VG der Sache nach einen Instanzenzug an ein Gericht gegen einen verwaltungsbehördlichen Bescheid eröffnen mag, ist nicht als Gesamtänderung der Bundesverfassung im Sinne des Art44 Abs3 zu werten.
2.2. Der Vorwurf der Gesamtänderung der Bundesverfassung im Hinblick auf das rechtsstaatliche Prinzip wegen des - behaupteter Maßen - verfassungssuspendierenden Charakters des §16 Abs3a E-RBG, wie das der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 16.327/2001 für die Verfassungsbestimmung des §126a BVergG erkannt habe, trifft ebenfalls nicht zu. Grund für die Aufhebung des §126a BVergG war der Umstand, dass diese Bestimmung die Bundesverfassung für einen Teilbereich der Rechtsordnung in ihrer Wirkung schlechthin suspendierte, indem sie anordnete, näher bezeichnete gesetzliche Bestimmungen sollten "nicht als bundesverfassungswidrig" gelten. §16 Abs3a E-RBG, der den Rechtsschutz in einer ganz bestimmten Angelegenheit in Abweichung von Art94 B-VG regelt, ist damit nicht vergleichbar.
2.3. Schließlich behauptet die beschwerdeführende Gesellschaft, aus §16 Abs3a E-RBG ergebe sich, dass der durch den Bescheid der belangten Behörde Beschwerte keine vorläufige Rechtsschutzmöglichkeit habe und somit allein mit den Folgen der behördlichen Entscheidung über einen längeren Zeitraum, nämlich bis zur Rechtskraft des Urteils eines Gerichtes, belastet sei. Das widerspreche den Anforderungen, die der Verfassungsgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung an die Effektivität des Rechtsschutzes aus dem rechtsstaatlichen Prinzip abgeleitet habe.
Die Auslegung des §16 Abs3a E-RBG durch die beschwerdeführende Gesellschaft, dass im Streitschlichtungsverfahren gemäß §21 ElWOG erlassene Bescheide keinem vorläufigen Rechtsschutz zugänglich, sondern bis zur rechtskräftigen Entscheidung durch das Gericht - nach den Bestimmungen der Exekutionsordnung, RGBl. 79/1896 idgF (vgl. §16 Abs3 letzter Satz E-RBG) - vollstreckbar sein sollen, trifft zu. Dafür sprechen auch die - syntaktisch fehlerhaften - Erläuterungen zur RV des Energieversorgungs-Sicherheitsgesetzes 2006, mit dem §16 Abs3a E-RBG erlassen wurde, 1411 BlgNR 22. GP, 49:
"Zu [§16] Abs3a:
Gemäß Artikel 23 Absatz 5 der Richtlinie 2003/54/EG über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 96/92/EG , ist Netzzugangsberechtigten umfassenden Beschwerderechts gegen Übertragungs- und Verteilernetzbetreiber, hinsichtlich der in den Absätzen 1, 2 und 4 leg.cit. genannten Punkten [sic !]. Über diese Beschwerden hat die Regulierungsbehörde innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Eingang der Beschwerde zu entscheiden. Diese Entscheidungen sind verbindlich, bis sie gegebenenfalls auf Grund eines Rechtsbehelfs aufgehoben werden. Eine analoge Bestimmung enthält auch Artikel 25 Absatz 5 der Richtlinie 2003/55/EG über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt.
Um den in diesen Richtlinien enthaltenen Vorgaben zu entsprechen, war es erforderlich, die im bisherigen Abs3 enthaltene sukzessive Zuständigkeit abzuändern und mittels Sonderverfassungsgesetzbestimmung in einem neuen Abs3a vorzusehen, dass die Entscheidung der Energie-Control Kommission bis durch den in diesen Richtlinie enthaltenen Verpflichtung Österreichs zu entsprechen. [sic !] ..."
Ausgehend vom Sinn des rechtsstaatlichen Prinzips vertrat der Verfassungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung die Auffassung, dass es unter dem Aspekt dieses Prinzips nicht angeht, den Rechtsschutzsuchenden generell einseitig mit allen Folgen einer potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung so lange zu belasten, bis sein Rechtsschutzgesuch endgültig erledigt ist. Zu berücksichtigen sind in diesem Zusammenhang allerdings nicht nur seine Position, sondern auch Zweck und Inhalt der Regelung, ferner die Interessen Dritter sowie schließlich das öffentliche Interesse. Der Gesetzgeber hat - wie der Verfassungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung weiters darlegte - unter diesen Gegebenheiten einen Ausgleich zu schaffen, wobei aber dem Grundsatz der faktischen Effizienz eines Rechtsbehelfs der Vorrang zukommt und dessen Einschränkung nur aus sachlich gebotenen, triftigen Gründen zulässig ist. Auf welche Weise dieser Ausgleich vom Gesetzgeber vorgenommen wird, lässt sich - wie der Gerichtshof folgerte - nicht allgemein sagen (vgl. zB VfSlg. 11.196/1986, 14.374/1995 uva.).
Ob diese aus dem rechtsstaatlichen Prinzip abgeleiteten Anforderungen auch für einen durch Verfassungsbestimmung geregelten und überdies möglicherweise gemeinschaftsrechtlich gebotenen Ausschluss von vorläufigem Rechtsschutz maßgeblich sind, kann dahingestellt bleiben, denn §16 Abs3a E-RBG entspricht jedenfalls diesen Anforderungen:
Kennzeichnend für das Rechtsverhältnis zwischen Elektrizitäts-Netzbetreibern und Netzzugangsberechtigten ist, dass ein auf Elektrizitätsversorgung unbedingt angewiesener Endkunde einem Gebietsmonopolisten gegenübersteht. Gemäß §16 Abs3a E-RBG durch Anrufung des Gerichts - ohne Möglichkeit des vorläufigen Rechtsschutzes - bekämpfbar sind nur Bescheide zur "Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Marktteilnehmern in jenen Fällen, in denen der Netzzugangsberechtigte Ansprüche gegen den Netzbetreiber geltend macht (§21 ElWOG)" (vgl. §16 Abs1 Z5). Somit kommt eine Vollstreckung eines Streitschlichtungsbescheides vor Rechtskraft der Entscheidung des Gerichtes regelmäßig dem Netzzugangsberechtigten als dem wirtschaftlich Schwächeren zugute. Der Netzbetreiber wird durch eine solche - vorläufige - Vollstreckung nicht in seiner Existenz gefährdet sein; auch das hier ins Treffen geführte Beispiel - sollte in Streitschlichtungsverfahren vor der belangten Behörde ein gleichartiger Rückforderungsanspruch aller rund 350.000 niederösterreichischen Kunden für drei Jahre bejaht werden, wäre die beschwerdeführende Gesellschaft (jedenfalls vorläufig) zur Bezahlung von etwa € 60 Mio verpflichtet - tut eine Existenzgefährdung nicht dar. In der besonderen Schutzwürdigkeit des Endkunden gegenüber dem monopolistischen Netzbetreiber liegt somit ein sachlich gebotener, triftiger Grund zur Einschränkung der Möglichkeit des vorläufigen Rechtsschutzes im Zusammenhang mit der spezifischen Ausgestaltung der "sukzessiven Gerichtszuständigkeit" gemäß §16 Abs3a E-RBG.
Der Verfassungsgerichtshof sieht sich daher nicht zur amtswegigen Einleitung eines Verfahrens zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §16 Abs3a E-RBG veranlasst.
3. Die Beschwerde war daher mangels Legitimation zurückzuweisen.
4. Der beteiligten Partei waren Kosten für den nicht abverlangten Schriftsatz nicht zuzusprechen.
5. Dieser Beschluss konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.
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