Normen
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
Spruch:
Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Innsbruck ist schuldig, den Beschwerdeführern zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit S 33.550,- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Bescheid vom 9. Juni 1998 erteilte der Stadtmagistrat Innsbruck der R Ges.m.b.H. die Baubewilligung für die Errichtung eines sechsgeschoßigen, 25 m hohen Wohn- und Geschäftshauses mit zweigeschoßiger Tiefgarage auf dem Grundstück Innrain 17 und 19 (Gp. 263/1 KG Innsbruck)unter verschiedenen Auflagen. Die Einwendungen der Nachbarn wurden teilweise zurückgewiesen und teils als unbegründet abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid erhoben u.a. die nunmehrigen Beschwerdeführer Berufung, die mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 1. Oktober 1998 als unbegründet abgewiesen wurde unter Verweis auf §25 Abs2 Tiroler Bauordnung 1998. Demnach habe sich die Behörde nur mit dem Einwand der Verletzung von Abstandsbestimmungen durch das Bauvorhaben auseinanderzusetzen. Weitere subjektive öffentlich-rechtliche Einspruchsberechtigungen stünden den nunmehrigen Beschwerdeführern als Nachbarn nicht zu.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde der Nachbarn, in der die Verletzung des Rechtsstaatsprinzips und der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art5 StGG), auf ein faires Verfahren (Art6 EMRK), auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG), auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen (§25 Abs2 letzter Satz Tiroler Bauordnung 1998, §114 Abs1 und §115 Abs2 lita TROG 1997) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
3. Der Stadtsenat der Landeshauptstadt Innsbruck als belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der er den angefochtenen Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.
4. Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Äußerung, in der sie beantragt, die Beschwerde abzulehnen in eventu als unbegründet abzuweisen und der mitbeteiligten Partei Kostenersatz für die regelmäßig anfallenden Kosten gem. §27 letzter Satz iVm §88 VerfGG zuzuerkennen.
5. Mit amtswegigem Beschluß vom 27. Februar 1999, B2126/98, leitete der Verfassungsgerichtshof das Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §25 Abs2 letzter Satz Tiroler Bauordnung 1998, LGBl. Nr. 15/1998, ein. Mit Erkenntnis vom 1. Oktober 1999, G73/99, hat der Verfassungsgerichtshof diese Bestimmung als verfassungswidrig aufgehoben.
II. 1. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10616/1985, 11711/1988).
Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren zu G73/99 begann am 1. Oktober 1999. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 17. November 1998 eingelangt, war also zum Zeitpunkt des Beginns der nichtöffentlichen Beratung im Verfahren zu G73/99 schon anhängig; der Fall ist somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.
Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführer nachteilig war. Die Beschwerdeführer wurden somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt.
Der Bescheid ist daher aufzuheben.
2. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG 1953 abgesehen.
3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG 1953. In den zuerkannten Kosten sind Streitgenossenzuschlag in Höhe von
S 3.375,-, Umsatzsteuer in der Höhe von S 5.175,- und eine Eingabengebühr in der Höhe von S 2.500,- enthalten. Der mitbeteiligten Partei war der Ersatz der Kosten für die Erstattung ihrer Äußerung nicht zuzusprechen, da sie zur Rechtsfindung keinen Beitrag leisten konnte (vgl. VfSlg. 10228/1984).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)