Normen
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
BundesvergabeG 1997 §60 Abs7
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
BundesvergabeG 1997 §60 Abs7
Spruch:
Die beschwerdeführenden Gesellschaften sind durch die angefochtenen Bescheide weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch durch Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerden werden daher abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. a) Die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft (ASFINAG) hat das Vergabeverfahren "Lieferleistungssystem - Systemintegrator LKW-Maut Österreich" im nicht offenen Verfahren nach den Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 1997 (BVergG) ausgeschrieben. Der Auftrag sollte die Entwicklung, Lieferung, Montage und Inbetriebnahme mehrerer Komponenten bzw. Teilsysteme für ein LKW-Mautsystem in Österreich umfassen und deren Zusammenführung (Integration) zu einem in sich geschlossenen und komplett betriebsbereiten Mautsystem. In den Bewerberunterlagen fand sich die Bestimmung, dass Bewerber nur dann zur Teilnahme am Vergabeverfahren zugelassen würden, wenn sie - in Form einer firmenmäßig gefertigten Erklärung - Nachweis über ausreichende "Erfahrungen in der Entwicklung von elektronischen Funkmautsystemen" legen würden. In den Bewertungskriterien war diesbezüglich vorgesehen, dass jeweils einschlägige Referenzen in den Teilbereichen "Funkmauttechnik" ("DSRC 5,8 GHz"), "Enforcement" und "konventionelle Mauttechnik" anzugeben waren. In den Bewerbungsunterlagen war weiters vorgesehen, dass Bewerbergemeinschaften dann nicht zugelassen würden, wenn sich einzelne oder mehrere Mitglieder gleichzeitig in mehreren Bewerbergemeinschaften bewerben würden.
Die beschwerdeführenden Gesellschaften haben fristgerecht einen Antrag auf Teilnahme am nicht offenen Verfahren eingebracht. Diese Teilnahmeanträge blieben für die zweite Stufe des Verfahrens unberücksichtigt und wurden unter Verweis auf das Fehlen des Nachweises einer Entwicklungserfahrung im Bereich der Funkmauttechnologie ausgeschieden.
[Das Vergabeverfahren wurde in der Folge mit Bekanntmachung vom 10. Jänner 2001 widerrufen.]
b) Mit Anträgen vom 13. April 2000 bzw. 17. Mai 2000 begehrten die beschwerdeführenden Gesellschaften beim Bundesvergabeamt (BVA) die Nichtigerklärung ihres Ausscheidens, in eventu die Nichtigerklärung der zwei genannten Ausschlusskriterien. Mit Eingaben vom 20. April 2001 beantragten die beschwerdeführenden Gesellschaften eventualiter die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Nichtberücksichtigung ihrer Teilnahmeanträge sowie der bezogenen Ausschlusskriterien.
2. Mit Bescheiden vom 6. Juni 2001 (B1725/01) und vom 13. März 2002 (B794/02) wurden die auf Nichtigerklärung lautenden Anträge bzw. Eventualanträge wegen mittlerweile erfolgten Widerrufs des Vergabeverfahrens zurückgewiesen (Spruchpunkte 1. und 2.); die auf Feststellung lautenden Anträge wurden abgewiesen (Spruchpunkt 3.).
3. Jeweils gegen Spruchpunkt 3. der angefochtenen Bescheide richten sich die vorliegenden, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof, in denen die Verletzung der beschwerdeführenden Gesellschaften in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der Bescheide in diesem Umfang begehrt wird.
4. a) Das BVA hat in beiden Beschwerdeverfahren die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung von Gegenschriften aber Abstand genommen.
b) Die den Verfahren beigezogene Auftraggeberin ASFINAG hat jeweils eine Äußerung erstattet. Sie rechtfertigt in diesen Dußerungen die - vom BVA als rechtmäßig betrachteten - Ausschreibungsbedingungen, tritt den Beschwerdebehauptungen im Einzelnen entgegen und begehrt die Zurückweisung der Beschwerden wegen mangelnder Beschwerdelegitimation, in eventu deren Abweisung.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die gemäß den §§187 und 404 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden erwogen:
1. Die Beschwerden sind zulässig: In den den angefochtenen Spruchpunkten zugrunde liegenden Nachprüfungsanträgen wird zwar (entgegen §113 Abs3 BVergG) nicht ausdrücklich begehrt festzustellen, dass wegen eines Verstoßes gegen das BVergG der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt wurde. Vielmehr begnügen sich die Anträge mit der Feststellung der Rechtswidrigkeit zweier Ausschlusskriterien. Sie zielen damit dennoch auf die wesentliche rechtliche Voraussetzung für ein späteres Schadenersatzverfahren ab. Insofern sind die beschwerdeführenden Gesellschaften durch die ihr Feststellungsbegehren abweisenden Bescheide in ihrer Rechtssphäre nachteilig betroffen und daher zur Beschwerdeführung legitimiert.
2. Das BVA hat die Feststellungsanträge der beschwerdeführenden Gesellschaft in den - im Wesentlichen gleich lautenden Bescheiden - damit begründet, dass ein Sachverständigengutachten zum Ergebnis geführt habe, dass eine umfassende Entwicklungserfahrung auf dem Gebiet der Funkmauttechnologie "nicht unzweckmäßig und daher aus technischer Sicht zulässig sei"; eine entsprechende Entwicklungserfahrung würde jedenfalls das Projektrisiko verringern. Nach Ansicht des BVA wäre damit der Bestimmung des §60 Abs7 BVergG entsprochen: Das vom Auftraggeber verwendete Ausschlusskriterium fehlender Erfahrung im Bereich der Entwicklung der Funkmauttechnologie sei im Zusammenhang mit der speziell vorgeschriebenen Funkmautausrüstung gemäß der Mikrowellenkommunikationstechnik zu verstehen. In Anbetracht der Bedeutung des gegenständlichen Vorhabens, "insbesondere der Höhe des Auftragsvolumens", erscheine es für den Auftraggeber unzumutbar, dabei "ein erhöhtes Projektrisiko einzugehen, sodass die im Bewerberexemplar verlangte ausreichende Erfahrung in der Entwicklung von elektronischen Funkmautsystemen jedenfalls durch den Gegenstand des Auftrages gerechtfertigt" sei. Da es den beschwerdeführenden Gesellschaften an der geforderten Erfahrung in jener speziellen Funkmauttechnologie fehle, wäre die Nichteinladung zur Angebotsabgabe für die zweite Stufe des nicht offenen Verfahrens zu Recht erfolgt.
Das von den beschwerdeführenden Gesellschaften gerügte Ausschlusskriterium, wonach Bewerbergemeinschaften dann nicht zugelassen würden, wenn sich einzelne oder mehrere Mitglieder gleichzeitig in anderen Bewerbergemeinschaften bewerben würden, sei aus Wettbewerbsgründen nicht zu beanstanden. Es sei
"wesentlich, dass die Namen und die Anzahl der Bewerber bei Ausschreibungen gegenüber anderen Bewerbern geheimzuhalten sind und dass insbesondere Auskünfte über den Inhalt der eingereichten Angebote weder Bietern noch Dritten gegeben werden dürfen (vgl. dazu Rechtsausführungen BVA vom 19. März 2001, N-12/01-32, N-16/01-23 und N-17/01-21). Durch die Beteiligung an mehreren Angebotserstellungen (im gegenständlichen Fall Teilnahmeanträge) erhält ein Bieter (hier: Bewerber) nicht nur Kenntnis vom Inhalt gesondert eingereichter Angebote, die zueinander im Wettbewerb stehen sollen, er kann auch die Preisgestaltung dieser Angebote - durch seine eigene Preisgestaltung - und damit deren Reihung im Bewertungsverfahren direkt beeinflussen. Daraus ergibt sich weiters, dass dieser Bieter zwingend auf den Inhalt des jeweiligen Angebotes bezogene Verhandlungen mit Bietern mehrerer konkurrierender Angebote führen muss. Deshalb erkannte das Bundesvergabeamt in dieser Entscheidung, dass derartige Verhandlungen über eine bloße Abrede iSd §52 Abs1 Z9 BVergG hinausgehen und sah daher den Ausscheidenstatbestand von gegen dem Grundsatz des Wettbewerbes verstoßende Abreden zwischen Bietern unterschiedlicher Angebote jedenfalls als erfüllt an."
3. Die beschwerdeführenden Gesellschaften begründen ihre behauptete Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz im Wesentlichen damit, dass die Behörde die Aussagen des Sachverständigen verkannt und den Bescheid sohin auf aktenwidrige Feststellungen gegründet habe. Der Sachverständige habe die technische Notwendigkeit einer nachzuweisenden Entwicklungserfahrung nur in Bezug auf Funkmauttechnologie im Allgemeinen ("weites Begriffsverständnis") bejaht. Den Bewerberunterlagen liege tatsächlich ein solches weites Verständnis des Begriffs "Funkmauttechnologie" zugrunde, nicht aber sei die Notwendigkeit des Nachweises einschlägiger Entwicklungserfahrung im Bereich der "DSRC Kommunikationssysteme im Mikrowellenbereich" zu verstehen. Eine Entwicklungserfahrung in jenem speziellen Bereich würde - wie der Sachverständige dargelegt habe - nur das Projektrisiko verringern, wäre als Ausschlusskriterium durch den Gegenstand des Auftrags (§60 Abs7 BVergG) aber nicht gerechtfertigt.
Das BVA habe zudem §60 Abs7 BVergG insofern einen denkunmöglichen Inhalt unterstellt, als eine gebotene Verhältnismäßigkeitsprüfung unterblieben wäre: Auch wenn die Forderung nach einem zusätzlichen Eignungsnachweis (der spezifischen Entwicklungserfahrung im Bereich Mikrowellenkommunikationstechnologie) einen zusätzlichen Sicherheitsaspekt für den Auftraggeber darstelle, würde sie den Kreis der potentiellen Bewerber auf eine geringe Anzahl einschränken und eine bestimmte Unternehmensgruppe bevorzugen. Einen allfälligen Vorteil des Auftraggebers hätte die belangte Behörde aber in Relation zu den bewirkten Wettbewerbsbeschränkungen setzen müssen. Ein "reduzierbares" Projektrisiko rechtfertige jedenfalls - gerade vor dem Hintergrund, dass Subunternehmer den Ausschreibungsbedingungen zufolge die fehlende Leistungsfähigkeit nicht ersetzen durften - nicht die Feststellung, dass die Entwicklungserfahrung in einem engen technischen Bereich erforderlich sei. Vor dem Hintergrund eines geringen zusätzlichen Risikos für den Auftraggeber durch die Einbindung von Subunternehmern sei auch dieses Ausschlusskriterium nicht zu rechtfertigen gewesen.
4. Die den Verfahren beigezogene ASFINAG ist in ihren Äußerungen den Beschwerdevorbringen im Einzelnen entgegengetreten. Sie rechtfertigt ihre Entscheidung, die beschwerdeführenden Gesellschaften nicht zur zweiten Stufe des Verfahrens eingeladen zu haben: §21 Abs1 BVergG ermögliche eine Einladung nur an befugte, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmer. Gemäß §60 Abs7 BVergG könnten vom Unternehmer Nachweise verlangt werden, die durch den Gegenstand des Auftrages gerechtfertigt seien; im vorliegenden Zusammenhang ergebe sich eine solche Rechtfertigung - wie dem Sachverständigengutachten zu entnehmen sei - aus dem Gegenstand des Auftrages; eine gegenteilige Auffassung würde das Sachverständigengutachten fehlinterpretieren.
5. a) Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 11.682/1988) vor, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn sie den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 10.337/1985, 11.436/1987).
b) In den zugrunde liegenden Nachprüfungsverfahren war strittig, ob der Auftraggeber in den Ausschreibungsbedingungen das Ausschlusskriterium der nachzuweisenden "Erfahrung" in der Entwicklung von Funkmauttechnologie im Hinblick auf §60 Abs7 BVergG verwenden durfte bzw. welches Begriffsverständnis diesem Kriterium in Bezug auf den zu leistenden Nachweis zugrunde liege. Gerügt wurde seitens der beschwerdeführenden Gesellschaften weiters, dass die Ausschreibungsunterlagen in rechtswidriger Weise die Beteiligung eines Bewerbers an mehreren Bewerbergemeinschaften untersage.
Der Verfassungsgerichtshof hat nicht zu beurteilen, ob die Entscheidung der belangten Behörde im Einzelnen rechtsrichtig ist. Seine Prüfung hat sich vielmehr auf die Untersuchung zu beschränken, ob der belangten Behörde bei ihrer rechtlichen Beurteilung des Vergabesachverhalts ein in die Verfassungssphäre reichender Fehler - in concreto Willkür oder denkunmögliche Gesetzesauslegung - anzulasten ist. Ob die Entscheidung des BVA, die angefochtenen Ausschlusskriterien als rechtmäßig anzusehen, den vergaberechtlichen Anforderungen Rechnung trägt, betrifft ausschließlich die einfachgesetzliche Rechtslage.
Ein in die Verfassungssphäre reichender Vorwurf ist auf Basis der Beschwerdevorbringen nicht auszumachen: Das BVA hat zur Frage der Notwendigkeit des Ausschlusskriteriums der nachzuweisenden Entwicklungserfahrung im Bereich der Funkmauttechnologie ein Sachverständigengutachten eingeholt, das zum Ergebnis gelangt, dass der Nachweis von "Entwicklungserfahrung" im Bereich der Funkmauttechnologie zur ordnungsgemäßen Erbringung der ausgeschriebenen Leistung notwendig ist. Eine entsprechende Entwicklungserfahrung verringert jedenfalls das Projektrisiko des Auftraggebers, wie im Übrigen auch das Sachverständigengutachten festhält. Es stellt weder eine willkürliche Vorgangsweise noch eine denkunmögliche Anwendung des §60 Abs7 BVergG dar, wenn das BVA die Auffassung vertritt, dass die Verringerung des Projektrisikos für den Auftraggeber angesichts der (auch wirtschaftlichen) Bedeutung der Beschaffung den Nachweis einer einschlägigen Erfahrung rechtfertige.
Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist auch die Entscheidung des BVA nicht zu beanstanden, jene Ausschreibungsbestimmung als gesetzmäßig anzusehen, derzufolge sich ein Bewerber jeweils nur als Mitglied einer Bewerbergemeinschaft um den Auftrag bemühen darf. Die Begründung, dass die Mehrfachbeteiligung von Bewerbern in einem Spannungsverhältnis zum Grundsatz des Wettbewerbs von Bietern steht, erscheint im konkreten Fall nachvollziehbar. Von den beschwerdeführenden Gesellschaften wurde nichts vorgebracht, was ihr Zutreffen in Zweifel ziehen könnte.
Eine Verletzung der beschwerdeführenden Gesellschaften in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz hat daher nicht stattgefunden. Da das Verfahren auch nicht ergeben hat, dass die beschwerdeführenden Gesellschaften in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurden, waren die Beschwerden abzuweisen.
6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
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