Normen
AsylG 1997 §5
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
Dubliner Übereinkommen betr die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen innerhalb der EG BGBl III 165/1997
AsylG 1997 §5
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
Dubliner Übereinkommen betr die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen innerhalb der EG BGBl III 165/1997
Spruch:
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid in dem durch das BVG BGBl. 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit 27.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger kurdischer Abstammung, reiste mit einem vom 5. April 1999 bis 4. Juli 1999 gültigen "Schengen-Visum", das ihm von der griechischen Vertretungsbehörde in Teheran erteilt worden war, legal in das Bundesgebiet ein und stellte am 31. Mai 1999 einen Asylantrag.
Mit Bescheid vom 4. August 1999 wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß §5 Abs1 AsylG 1997 als unzulässig zurück, da für dessen Prüfung gemäß Art5 Abs2 des Übereinkommens über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft gestellten Asylantrags, BGBl. III 165/1997, (im folgenden: Dubliner Übereinkommen) Griechenland zuständig sei (das sich auch zur Prüfung des Asylantrages bereit erklärt habe) und verband damit die Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet.
2. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er ua. vorbrachte, §5 AsylG 1997 lasse eine Prüfung der Verletzung des Art3 EMRK iVm Art13 EMRK nicht zu, weshalb die Gefährdung durch eine Kettenabschiebung nicht wirksam geltend gemacht werden könne. Weiters sei der durch Art8 EMRK gebotene Schutz des Privat- und Familienlebens nicht gewährleistet; Griechenland biete außerdem keine adäquate medizinische Versorgung, die er wegen einer Nierentransplantation benötige.
Der Unabhängige Bundesasylsenat wies diese Berufung mit Bescheid vom 1. September 2000 ab und führte nach einer Zusammenfassung des bisherigen Verfahrensganges sowie der inhaltlichen Zitierung des §5 AsylG 1997 folgendes aus:
"Die völkervertraglich geregelte Zuständigkeit eines anderen Staates ist als negative Prozessvoraussetzung hinsichtlich des Asylverfahrens in Österreich konstruiert. Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist somit die Zurückweisung des Asylantrages wegen vertraglicher Zuständigkeit eines anderen Staates.
Der einzige derzeit existente Vertrag, auf den sich §5 AsylG beziehen kann, ist das Dubliner Übereinkommen (DÜ). Sowohl Österreich als auch Griechenland sind Vertragsparteien dieses Übereinkommens.
Das DÜ normiert in seinen Art4 bis 8 die Kriterien für die Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages, wobei gemäß Art3 Abs2 DÜ die in diesen Artikeln aufgeführten Kriterien in der Reihenfolge, in der sie aufgezählt sind, anzuwenden sind. Im vorliegenden Fall liegt unter Zugrundelegung dieser Reihenfolge ein Tatbestand des Art5 Abs2 DÜ vor.
Besitzt die berufende Partei eine gültige Aufenthaltsbewilligung bzw. ein gültiges Visum, so ist gem. Art5 Abs1 DÜ bzw. gem. Art5 Abs2 DÜ - abgesehen von den hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen - der Mitgliedstaat der eine Aufenthaltsbewilligung bzw. ein Visum erteilt hat, für die Prüfung des Asylantrages zuständig. Im Berufungsfall hat Griechenland die betreffende Aufenthaltsbewilligung bzw. das betreffende Visum ausgestellt, weswegen dieser Staat für die Asylantragsprüfung der berufenden Partei zuständig ist. Die 6-Monatsfrist des Art11 DÜ wurde von Österreich gewahrt. Der genannte Staat hat sich - wie ausgeführt - bereit erklärt, die berufende Partei rückzuübernehmen und den Asylantrag inhaltlich zu prüfen.
Die Feststellungen im erstinstanzlichen Bescheid, mit denen die Zuständigkeit des genannten Mitgliedstaates zur Prüfung des Asylantrages ausgesprochen wird, blieben, wie ausgeführt, von der berufenden Partei unbestritten, dies gilt auch hinsichtlich der Einhaltung der in Art11 DÜ genannten Frist.
Daher erweist sich der in Österreich gestellte Asylantrag der berufenden Partei gemäß §5 Abs1 AsylG als unzulässig und wurde dieser auf Grund der genannten Bestimmungen von der Erstbehörde rechtens zurückgewiesen. Zutreffend hat die Erstinstanz auch Griechenland als zuständigen Staat festgestellt und im Einklang mit §5 Abs1 AsylG die Ausweisung ausgesprochen.
2. Dem Vorbringen, wonach Griechenland nicht als sicherer Drittstaat anzusehen sei, da die Möglichkeit der Kettenabschiebung nicht ausgeschlossen sei und zudem auch die ausreichende medizinische Versorgung nicht gewährleistet wäre, kommt jedoch aus nachstehenden Gründen keine Berechtigung zu.
Gemäß dem eindeutigen Wortlaut des §4 AsylG hat eine Prüfung hinsichtlich des Vorliegens eines sicheren Drittstaates nur bezüglich solcher Staaten zu erfolgen, mit denen kein Vertrag über die Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages besteht. Besteht jedoch ein derartiger Vertrag, ist gemäß §5 AsylG vorzugehen. Der Verwaltungsgerichtshof erkennt hiezu in ständiger Rechtsprechung, dass bei Zutreffen der Tatbestandsvoraussetzungen (vertragliche Zuständigkeit eines anderen Staates zur Prüfung des Asylantrages) §5 Abs1 AsylG zwingend die Zurückweisung vorsieht (dazu beispielsweise VwGH 23.3.2000, Zlen. 2000/20/0052, AW 2000/20/0035).
Die Vertragsstaaten des Dubliner Übereinkommens sind völkerrechtlich zur Durchführung eines der GFK entsprechenden Asylverfahrens verpflichtet (vgl. Artikel 3 Abs3 und Artikel 10 Abs1 DÜ) und haben sich als Mitgliedstaaten der Europäischen Union zur Beachtung der in der Europäischen Menschenrechtskonvention gewährleisteten Grundrechte verpflichtet (vgl. Artikel 6 (ex-Art) EUV). Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben überdies in einem am 02.10.1997 in Amsterdam unterzeichneten Protokoll festgehalten, dass sie füreinander als sichere Herkunftsländer gelten. Daraus lässt sich zweifelsfrei ableiten, dass sie auch sichere Drittstaaten sind. Der österreichische Gesetzgeber geht jedenfalls davon aus, dass Staaten, die auf Grund eines Staatsvertrags zur Durchführung eines Asylverfahrens zuständig sind, immer auch 'sichere Drittstaaten' sind (vgl. dazu 1494 BlgNR 20. GP, 3).
Hinsichtlich der von der berufenden Partei behaupteten drohenden Verletzung des Non-Refoulement Gebotes, erkennt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass für eine derartige Prüfung auf Grund der Bestimmung des §5 Abs1 AsylG kein Raum bleibt. Verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich dieser Bestimmung bestehen nicht, da nicht davon auszugehen ist, dass Vsterreich das Dubliner Übereinkommen mit einem Staat abgeschlossen hat, in welchem kein ausreichender Refoulement-Schutz bestünde, wobei auf die rechtlichen Ausführungen zur Drittstaatsicherheit verwiesen wird (vgl. dazu VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0428).
3. Schließlich ist festzuhalten, dass die berufende Partei kein subjektives Recht auf Durchführung eines Asylverfahrens in einem bestimmten Staat nach dem Dubliner Übereinkommen eingeräumt ist. Die den Mitgliedstaaten durch Artikel 3 Abs4 DÜ eingeräumte Möglichkeit eine vom Grundsatz abweichende Zuständigkeitsentscheidung zu treffen, enthält keine Kriterien für die Ausübung des diesbezüglich eingeräumten Ermessens, doch werden bei der Prüfung des im genannten Artikel eingeräumten Selbsteintrittsrechtes analog die Kriterien des Artikel 9 DÜ heranzuziehen sein. Die Berufungsbehörde sieht jedoch im vorliegenden Fall keine Veranlassung, vom Selbsteintrittsrecht gemäß Artikel 3 Abs4 DÜ Gebrauch zu machen, da keine humanitären Gründe im Sinne des Artikel 9 Dubliner Übereinkommens vorliegen.
4. Gemäß §5 Abs1 letzter Satz AsylG ist jede Zurückweisung wegen vertraglicher Unzuständigkeit mit einer Ausweisung zu verbinden. Im Hinblick auf den zwingenden Charakter dieser Bestimmung ist es den Asylbehörden verwehrt, von einer Ausweisung aus welchen Gründen immer abzusehen. Die Ausweisung gemäß §5 AsylG 1997 dient der Umsetzung des Konsultationsverfahrens nach dem Dubliner Übereinkommen."
II. Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in welcher die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere im Recht, keiner Folter oder unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden (Art3 EMRK), geltend gemacht und angeregt wird, ein Gesetzesprüfungsverfahren bezüglich §5 Abs3 AsylG 1997 einzuleiten.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
III. Die Beschwerde, deren meritorischer Erledigung Verfahrenshindernisse nicht entgegenstehen, erweist sich als gerechtfertigt.
1. Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 8. März 2001, G117/00 ua., wurden Anträge des Unabhängigen Bundesasylsenates abgewiesen, den letzten Satz im Abs1 des §5 AsylG 1997 sowie dessen (gesamten) Absatz 3 als verfassungswidrig aufzuheben. Der Gerichtshof gab den Anträgen deshalb keine Folge, weil eine verfassungskonforme Interpretation des §5 AsylG 1997 - welche die Asylbehörde unter bestimmten Voraussetzungen zum Selbsteintritt und damit zur Sachentscheidung in der Asylsache verpflichtet - möglich ist und führte in der Begründung seines Erkenntnisses insbesondere aus, "daß eine strikte, zu einer Grundrechtswidrigkeit führende Auslegung (und somit Handhabung) des §5 Abs1 durch die Heranziehung des Art3 Abs4 des Dubliner Übereinkommens von der Asylbehörde zu vermeiden ist; Art3 Abs4 ist - als ins innerstaatliche Recht transformierte, unmittelbar anwendbare Norm betrachtet - nicht etwa als eine Ermächtigung zur Ermessensübung, sondern als eine durch sämtliche in Betracht kommenden Verfassungsvorschriften zielgerichtete und daher unter dem Aspekt des Legalitätsprinzips ausreichend determinierte Rechtsvorschrift zu werten."
2. Der Verfassungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung (vgl. VfSlg. 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur) die Meinung, daß das BVG BGBl. 390/1973 (auch) das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot enthält, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein - auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes - Gebot der Gleichbehandlung von Fremden; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist. Eine Verletzung des durch dieses BVG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander liegt auch dann vor, wenn die Behörde dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der - hätte ihn das Gesetz - dieses als in Widerspruch zum BVG stehend erscheinen ließe (VfSlg. 14.393/1995).
Der Unabhängige Bundesasylsenat geht im angefochtenen Bescheid davon aus, daß bei vertraglicher Zuständigkeit eines anderen Staates zur Prüfung des Asylantrages iSd §5 AsylG 1997 eine negative Prozeßvoraussetzung vorliegt, die eine Sachentscheidung über den Asylantrag verbietet und auch keine Möglichkeit gewährt, einer behaupteten Verletzung des Non-Refoulement-Gebotes nachzugehen. Ob die belangte Behörde vom im Art3 Abs4 Dubliner Übereinkommen festgelegten Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen hat, sieht sie insofern in ihr Ermessen gestellt, als die Voraussetzungen des Art9 Dubliner Übereinkommen (humanitäre Gründe) vorlägen. Diese Ansicht steht in offenkundigem Widerspruch zu der vom Verfassungsgerichtshof im schon zitierten Erkenntnis vom 8. März 2001, G117/00 ua., dargelegten Rechtsauffassung; sie beruht schon im Hinblick darauf, daß sie eine Betrachtung der Asylsache unter dem Aspekt des Non-Refoulement-Gebotes ausschließt, auf einer nicht verfassungskonformen, vielmehr dem Gesetz fälschlicherweise einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellenden Auslegung des §5 AsylG 1997.
Da die belangte Behörde §5 AsylG 1997 also in nicht verfassungskonformer Weise herangezogen hat, hat sie den Beschwerdeführer in dem durch das BVG BGBl. 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt.
Der bekämpfte Bescheid war daher aufzuheben.
IV. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG; vom zugesprochenen Kostenbetrag entfallen 4.500 S auf die Umsatzsteuer.
V. Diese Entscheidung wurde gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung getroffen.
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