VfGH B1449/09

VfGHB1449/0916.12.2010

B-VG Art144 Abs1 / Anlassfall
B-VG Art144 Abs1 / Anlassfall

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.620,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer stand bis 30. April 2009 in einem

Dienstverhältnis zur S. AG und hatte mit dieser eine Vereinbarung über die Inanspruchnahme der Altersteilzeit, beginnend mit 1. April 2003, geschlossen. Vor Abschluss der Altersteilzeitvereinbarung hatte er die Mitteilung der Pensionsversicherungsanstalt über den frühestmöglichen Zeitpunkt des Pensionsantritts eingeholt, wonach er mit 1. Mai 2009 die Voraussetzungen für die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer ("Frühpension") erfüllen würde.

Auf Grund der (schrittweisen) Abschaffung der vorzeitigen Alterspension durch das Pensionsharmonisierungsgesetz 2005, BGBl. I 142/2004, wäre der Antritt der vorzeitigen Alterspension durch den Beschwerdeführer allerdings erst mit 1. März 2011, der Antritt der Korridorpension iSd §4 Abs2 Allgemeines Pensionsgesetz (im Folgenden: APG) mit 1. November 2009 möglich.

2. Mit seiner auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen den im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 13. Oktober 2009, mit dem sein Bezug des Übergangsgeldes nach Altersteilzeit iSd §39 Arbeitslosenversicherungsgesetz (im Folgenden: AlVG) mit Wirkung ab 1. November 2009 eingestellt wurde. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer ab diesem Zeitpunkt einen Anspruch auf eine Korridorpension iSd §4 Abs2 APG habe und das Dienstverhältnis zur S. AG in beiderseitigem Einvernehmen gelöst worden war, weshalb dem Beschwerdeführer gemäß §22 Abs1 AlVG keine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung zustehe.

3. Der Beschwerdeführer macht in der Beschwerde die Verletzung in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend.

4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und darauf hingewiesen, dass der angefochtene Bescheid der geltenden Gesetzeslage entspreche, darüber hinaus aber kein Vorbringen erstattet. Auf Einladung des Verfassungsgerichtshofes erstattete das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst zu den in der Beschwerde erhobenen Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §22 Abs1 AlVG eine Stellungnahme.

II. Aus Anlass dieses Beschwerdeverfahrens sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge ", wenn das letzte Dienstverhältnis 1. durch Kündigung des Dienstgebers, 2. durch berechtigten vorzeitigen Austritt, 3. durch Lösung während der Probezeit oder 4. unter der Voraussetzung, dass vor dem befristeten Dienstverhältnis kein unbefristetes Dienstverhältnis mit demselben Dienstgeber bestand, durch Fristablauf beendet wurde" in §22 Abs1 AlVG, BGBl. 609/1977 idF BGBl. I 102/2005, entstanden. Der Verfassungsgerichtshof leitete daher mit Beschluss vom 18. Juni 2010 gemäß Art140 Abs1 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser Wortfolge ein. Mit Erkenntnis vom 16. Dezember 2010, G74/10, hob er die in Prüfung gezogene Wortfolge in §22 Abs1 AlVG wegen Widerspruchs zum Gleichheitsgrundsatz als verfassungswidrig auf.

III. Die - zulässige - Beschwerde ist begründet.

Die belangte Behörde hat eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.

Der Beschwerdeführer wurde durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg. 10.303/1984, 10.404/1985, 10.515/1985).

Der Bescheid ist daher aufzuheben.

IV. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,-- sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 220,-- enthalten.

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