Spruch:
Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Kärnten ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit S 18.000,-
bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Am 28. Februar 1996 beantragte die beteiligte Partei die Erteilung einer Baubewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses mit Garage auf dem Grundstück Nr. 507/57, KG Kötschach. Die beschwerdeführende Gesellschaft erhob als Eigentümerin der benachbarten Liegenschaft Nr. 507/11, auf der sie ein Hobel- und Fensterwerk betreibt, Einwendungen gegen das Bauvorhaben. Die Baubehörde erster Instanz erteilte die Baubewilligung unter Auflagen; die dagegen erhobene Berufung der anrainenden Gesellschaft wurde vom Gemeindevorstand der Marktgemeinde Kötschach-Mauthen als unbegründet abgewiesen, da sich der Inhaber eines immissionsträchtigen Betriebes im Baubewilligungsverfahren nicht gegen eine heranrückende Wohnbebauung wehren könne. Die Kärntner Landesregierung hat die dagegen erhobene Vorstellung mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen, da die Möglichkeit, Einwendungen gemäß §21 Abs4 der Kärntner BauO 1992 zu erheben, nur jenen Parteien zustehe, die durch das Bauvorhaben in subjektiven Rechten verletzt werden, nicht aber jenen Parteien, von deren Anlagen und Betrieben Emissionen auf das Bauvorhaben ausgehen.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gegründete Beschwerde, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
4. Die Kärntner Landesregierung legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
5. Die Marktgemeinde Kötschach-Mauthen erstattete eine Äußerung, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die zulässige Beschwerde erwogen:
Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10413/1985, 11682/1988) vor, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
2.1. Die belangte Behörde hat - gestützt auf §21 Abs4 der Kärntner Bauordnung 1992 - die Möglichkeit verneint, daß der Inhaber eines Gewerbebetriebes sich gegen eine "heranrückende Wohnbebauung" zur Wehr setzen kann.
Der Verfassungsgerichtshof kommt hingegen - wie die folgenden Überlegungen zeigen - zu dem Ergebnis, daß die Absätze 4 und 5 des §21 der Kärntner Bauordnung 1992 nicht nur Regelungen betreffend Emissionswirkungen des Bauvorhabens zum Gegenstand haben, sondern auch betreffend Immissionen auf das geplante Bauwerk, die von einem in der Nachbarschaft bestehenden Betrieb ausgehen.
2.2. Gemäß §21 Abs4 leg. cit. können die Anrainer gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, daß sie durch das Bauvorhaben in subjektiven Rechten verletzt werden, die im öffentlichen Recht (öffentlich-rechtliche Einwendungen) begründet sind.
Öffentlich-rechtliche Einwendungen der Parteien sind gemäß §21 Abs5 leg. cit. im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf die Bestimmungen des Baurechts oder der Bebauungspläne stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Hiezu gehören insbesondere jene Bestimmungen, die dem Schutz der Nachbarschaft in gesundheitlichen Belangen, im Interesse der Brandsicherheit oder gegen Immissionen dienen.
Gemäß §19 Abs1 des Gemeindeplanungsgesetzes 1995 sind im Landesgesetz vorgesehene Bewilligungen für raumbeeinflussende Maßnahmen nur zulässig, wenn sie dem Flächenwidmungsplan nicht widersprechen.
Die Baubehörde hat bei der Vorprüfung eines Bauvorhabens gemäß §11 Abs2 Kärntner Bauordnung 1992 festzustellen, ob dem Vorhaben ua. der Flächenwidmungsplan entgegensteht. Steht dem Vorhaben einer der Gründe des §11 Abs2 leg. cit. entgegen, hat die Baubehörde den Antrag gemäß §13 Abs1 leg. cit. abzuweisen.
2.3. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem richtungsweisenden Erkenntnis VfSlg. 12468/1990 zu §6 Abs8 der Wiener Bauordnung erkannt hat, ist einer Vorschrift, die die Errichtung von Betrieben in Wohngebieten beschränkt, ein allgemeiner Grundsatz zu entnehmen, der insbesondere die Qualität der Wohnverhältnisse sicherstellen will. Erfaßt man die Regelung nach dem evidenten Zweck, so fehlte es an einer sachlichen Rechtfertigung für die Annahme, daß eine vom Gesetz verpönte schwerwiegende Beeinträchtigung ausschließlich dann zu unterbinden ist, wenn die Quelle der Emissionen geschaffen werden soll, nicht hingegen in dem bloß durch die zeitliche Abfolge verschiedenen Fall, daß sie bereits besteht und erst durch die Errichtung von Wohnhäusern ihre beeinträchtigende Wirkung entfalten kann. Der Verfassungsgerichtshof hat diese Aussagen in den Erkenntnissen VfSlg. 13210/1992 (zu §23 Abs2 OÖ Bauordnung) und VfSlg. 14943/1997 (zu §134 Abs3 und §134a der Wiener Bauordnung) wiederholt.
2.4. Überträgt man die in den genannten Vorerkenntnissen des Verfassungsgerichtshofs vertretene Rechtsansicht auf die Regelung des §21 Abs5 der Kärntner Bauordnung 1992, so kommt man zum Ergebnis, daß der Wortfolge "die dem Schutz der Nachbarschaft ... dienen" auch der Fall des Inhabers einer gewerblichen Betriebsanlage zu unterstellen ist, dessen rechtliche Interessen durch die Bewilligung einer Wohnbebauung auf dem Nachbargrundstück deshalb berührt werden, weil er beispielsweise mit Auflagen der Gewerbebehörde zum Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen rechnen muß (vgl. VfSlg. 15188/1998).
3. Da die belangte Behörde von einem - wie oben dargelegt - sachlich nicht begründbaren und daher auch gleichheitswidrigen Verständnis der zitierten Gesetzesstelle ausgegangen und im angefochtenen Bescheid auf die Einwendungen der beschwerdeführenden Gesellschaft gegen die heranrückende Wohnbebauung in der Sache nicht eingegangen ist, hat sie die beschwerdeführende Gesellschaft im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt. Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben, ohne daß auf das weitere Vorbringen einzugehen war.
4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG 1953. Im zugesprochenen Kostenbeitrag sind S 3.000,- an Umsatzsteuer enthalten.
5. Die Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.
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