VfGH B1337/09

VfGHB1337/098.12.2010

Entzug des gesetzlichen Richters durch Abweisung einer Berufung durch die Landes-Grundverkehrskommission; Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates im Zeitpunkt der Bescheiderlassung auf Grund einer Novelle zum Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996

Normen

B-VG Art83 Abs2
Tir GVG 1996 §26 Abs2
B-VG Art83 Abs2
Tir GVG 1996 §26 Abs2

 

Spruch:

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid, soweit damit ihre Berufung gegen den Bescheid der Bezirks-Grundverkehrskommission abgewiesen wird, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird insoweit aufgehoben.

Das Land Tirol ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihrer Rechtsvertreter die mit € 2.620,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Gegenstand des grundverkehrsbehördlichen Verfahrens ist

der Schenkungsvertrag vom 21. Mai bzw. 10. Juli 2008, mit dem die beteiligte Partei im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ihren Hälfte-Miteigentumsanteil an EZ 90009, EZ 91 und EZ 14, alle GB Th. (unter Verweis auf den Ausdruck aus dem Grundbuch), je zur Hälfte an ihre Tochter, die Erstbeschwerdeführerin, und an ihren Sohn, den Zweitbeschwerdeführer, überträgt, sodass diese jeweils ideelles Miteigentum zu einem Viertel an den vorgenannten Liegenschaften erhalten. Sowohl die Beschwerdeführer als auch die beteiligte Partei sind Staatsangehörige der Bundesrepublik Deutschland.

Die Bezirks-Grundverkehrskommission versagte mit Bescheid vom 8. Jänner 2009 dem Rechtserwerb die Genehmigung gemäß §4 Abs1 lita iVm §6 und §25 Abs1 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996, LGBl. 61 idF LGBl. 85/2005 (im Folgenden: TirGVG 1996).

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung (im Folgenden: LGVK) gab diese der Berufung der Beschwerdeführer teilweise Folge und behob den angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Grundstücke 218/2, 80, 81, 82, 83/1, 91, 460/1, 87/1, 234 und 457/1, alle KG Th., sowie hinsichtlich des Gst. 316, KG M., wegen Unzuständigkeit der Bezirks-Grundverkehrskommission. Hinsichtlich der übrigen in EZ 91 und EZ 90009, je GB Th., vorgetragenen (land- und forstwirtschaftlichen) Grundstücke wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen, der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides jedoch dahingehend abgeändert, dass dem Schenkungsvertrag die grundverkehrsbehördliche Genehmigung gemäß §4 Abs1 lita iVm §6 Abs1 lita TirGVG 1996 versagt wurde.

Begründend führt die LGVK aus, dass in der weiteren Aufsplitterung der Liegenschaft von derzeit zwei Miteigentümern auf nunmehr drei Miteigentümer mit Erschwernissen bei der derzeit herrschenden Bewirtschaftungsform gerechnet werden müsse. Die Halbierung des schenkungsgegenständlichen Hälfteanteils hätte zur Folge, dass die bis dato auf der Liegenschaft herrschenden ausgeglichenen Mehrheitsverhältnisse nicht mehr aufrecht erhalten blieben. Der Vertrag erfülle sohin nicht die erforderlichen agrarstrukturellen Voraussetzungen gemäß §6 Abs1 lita TirGVG 1996.

2. Gegen den abweisenden Teil dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde gemäß Art144 B-VG, in der die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie eine Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm behauptet sowie die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber Abstand genommen. Er beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II. 1. Die maßgebliche Bestimmung des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1996, LGBl. 61 idF LGBl. 60/2009, lautet:

"9. Abschnitt

Behörden

§26

Grundverkehrsbehörden

(1) Grundverkehrsbehörde erster Instanz ist hinsichtlich der land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücke die Bezirks-Grundverkehrskommission (§27), hinsichtlich der Baugrundstücke und der sonstigen Grundstücke die Bezirksverwaltungsbehörde. ...

(2) Gegen Bescheide nach diesem Gesetz ist die Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat zulässig."

2. §26 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1996, LGBl. 61 idF LGBl. 85/2005, lautet:

"9. Abschnitt

Behörden

§26

Grundverkehrsbehörden

(1) ...

(2) Grundverkehrsbehörde zweiter Instanz ist die Landes-Grundverkehrskommission."

3. Der ArtII des Gesetzes LGBl. 60/2009 lautet:

"Artikel II

(1) Dieses Gesetz tritt mit 1. Oktober 2009 in Kraft.

(2) ...

(3) Der unabhängige Verwaltungssenat hat die am 30. September 2009 bei der Landes-Grundverkehrskommission anhängigen Verfahren fortzuführen.

(4) Auf alle zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängigen Verfahren ist das Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 in seiner durch ArtI dieses Gesetzes geänderten Fassung anzuwenden. Die durch dieses Gesetz neu gefassten §§7 Abs1 litd und 7a sind jedoch auf zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes in zweiter Instanz anhängige Verfahren nicht anzuwenden."

III. Die - zulässige - Beschwerde erweist sich im Ergebnis als begründet.

1. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg. 15.372/1998, 15.738/2000, 16.066/2001, 16.298/2001 und 16.717/2002) oder wenn sie in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 15.482/1999, 15.858/2000, 16.079/2001 und 16.737/2002).

1.1. Aus den Verwaltungsakten ist ersichtlich, dass die belangte Behörde schon am 21. September 2009 - im Anschluss an die mündliche Verhandlung - über den Bescheid Beschluss gefasst hat. Zu diesem Zeitpunkt war §26 Abs2 TirGVG 1996 noch in der Fassung vor In-Kraft-Treten des Gesetzes LGBl. 60/2009 anzuwenden. Der - nicht mündlich verkündete - mit 28. September 2009 datierte Bescheid der LGVK wurde den Beschwerdeführern (wie auch der weiteren Partei des Berufungsverfahrens) erst am 1. Oktober 2009 zugestellt.

1.2. Ein (schriftlicher) Bescheid gilt auch bei Kollegialbehörden nicht schon mit der Beschlussfassung, sondern - mangels mündlicher Verkündung - erst als erlassen, wenn er einer der Parteien des Verfahrens gültig zugestellt worden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, sind die rechtlichen Grundlagen eines Bescheides auch bei Kollegialbehörden stets nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides, nicht nach jener im Zeitpunkt der kollegialen Beschlussfassung zu beurteilen (zB VfSlg. 16.907/2003 mwN, 17.987/2006, 18.365/2008). Der Verfassungsgerichtshof hat auch ausgesprochen, dass eine (kollegiale) Verwaltungsbehörde ihre (sachliche und örtliche) Zuständigkeit in jeder Lage des Verfahrens - und zwar bis zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung - von Amts wegen wahrzunehmen hat, auch wenn sich die Unzuständigkeit der Behörde erst im Laufe des Verfahrens ergibt (VfSlg. 17.381/2004, 17.987/2006).

1.3. §26 Abs2 TirGVG 1996 stand am 1. Oktober 2009 in der Fassung des Gesetzes LGBl. 60/2009 in Kraft. Daraus folgt, dass im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides nicht mehr die belangte Behörde, sondern der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol zu einem Abspruch über die Berufung der Beschwerdeführer zuständig war. Auf Grund der erst am 1. Oktober 2009 erfolgten Zustellung des mit 28. September 2009 datierten Bescheides der LGVK hat diese eine ihr gesetzlich nicht (mehr) zukommende Zuständigkeit in Anspruch genommen.

1.4. Die Beschwerdeführer sind somit durch den angefochtenen Bescheid, soweit damit ihre Berufung gegen den Bescheid der Bezirks-Grundverkehrskommission abgewiesen wird, in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden. Der Bescheid war daher insoweit aufzuheben.

2. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf das Beschwerdevorbringen.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 400,-- sowie der Ersatz der entrichteten Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in Höhe von € 220,-- enthalten.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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