VfGH B1323/07 ua

VfGHB1323/07 ua6.11.2008

B-VG Art144 Abs1 / Anlassfall
B-VG Art144 Abs1 / Anlassfall

 

Spruch:

Die beschwerdeführenden Parteien sind durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt worden.

Die Bescheide werden aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) ist schuldig, den beschwerdeführenden Parteien zuhanden ihrer Rechtsvertreter die mit jeweils € 2.340,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 4. April 2005 wurde die beschwerdeführende Partei zu B1323/07 für schuldig erkannt, als Arbeitgeber zwei slowakische Staatsbürger beschäftigt zu haben, obwohl für diese weder eine Beschäftigungsbewilligung oder Zulassung als Schlüsselkraft erteilt noch eine Anzeigebestätigung oder eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein oder Niederlassungsnachweis ausgestellt worden war. Über die beschwerdeführende Partei wurden Geldstrafen in Höhe von jeweils € 3.000,-- (pro unberechtigt beschäftigtem Ausländer) verhängt.

Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Niederösterreich, Außenstelle Wiener Neustadt, vom 29. Mai 2007 wurde der Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen lediglich insoweit Folge gegeben, als die darin verhängten Geldstrafen auf jeweils € 1.500,-- herabgesetzt worden sind.

1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der Verstöße gegen die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf ein faires Verfahren (insb. Verfahren innerhalb angemessener Frist) sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung (§28 Abs1 Z1 lita AuslBG) behauptet und die (kostenpflichtige) Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt werden.

1.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat Niederösterreich hat innerhalb der gesetzten Frist die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch Abstand genommen.

2.1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 10. Jänner 2006 wurde die beschwerdeführende Partei zu B1817/07 für schuldig erkannt, es als persönlich haftende Gesellschafterin und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer Kommandit-Erwerbsgesellschaft (KEG) verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten zu haben, dass die KEG als Arbeitgeberin einen türkischen Staatsbürger beschäftigt hat, obwohl für diesen weder eine Beschäftigungsbewilligung oder Zulassung als Schlüsselkraft erteilt noch eine Anzeigebestätigung oder eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein oder Niederlassungsnachweis ausgestellt worden war. Über die Beschwerdeführerin wurde eine Geldstrafe in Höhe von € 1.500,-- verhängt.

Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 14. August 2007 wurde der Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn keine Folge gegeben.

2.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der Verstöße gegen die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein faires Verfahren (insb. Verfahren innerhalb angemessener Frist) und auf eine wirksame Beschwerde sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen (§28 Abs1 Z1 lita AuslBG sowie eine Wortfolge in Art129a Abs1 Z4 B-VG und die Wortfolge "in einem Verfahren, in dem nur dem Beschuldigten das Recht der Berufung zusteht" in §51 Abs7 VStG) behauptet und die (kostenpflichtige) Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt werden.

2.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat Oberösterreich hat innerhalb der gesetzten Frist die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der er den Beschwerdeausführungen entgegentritt und die (kostenpflichtige) Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

2.4. Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst hat auf Ersuchen des Verfassungsgerichtshofes eine Stellungnahme zum Beschwerdevorbringen erstattet.

II. Aus Anlass dieser - unter sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen - Beschwerden leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge ", in dem nur dem Beschuldigten das Recht der Berufung zusteht," in §51 Abs7 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991, BGBl. 52/1991 idF BGBl. I 158/1998 ein. Mit Erkenntnis vom 6. November 2008, G86,87/08, hob er die in Prüfung gezogene Wortfolge als verfassungswidrig auf.

III. Die Beschwerden sind begründet.

Die belangten Behörden haben jeweils eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Parteien nachteilig war.

Die beschwerdeführenden Parteien wurden also durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg. 10.404/1985).

Die Bescheide waren daher aufzuheben.

IV. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist jeweils Umsatzsteuer in der Höhe von € 360,-- sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 180,-- enthalten.

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