VfGH B1208/98,B2041/98,B286/99

VfGHB1208/98,B2041/98,B286/99B1208/98,B2041/98,B286/99B1208/98,B2041/98,B286/9925.6.1999

Anlaßfallwirkung der Aufhebung des §34 Abs1 AlVG mit E v 09.06.99, G48-55/99.

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

 

Spruch:

Die Beschwerdeführerinnen sind durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Die Bescheide werden aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales) ist schuldig, den Beschwerdeführerinnen die mit S 27.000 bestimmten Prozeßkosten jeweils zu Handen ihres Rechtsvertreters binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Mit Bescheiden der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich wurde die beantragte Gewährung von Notstandshilfe mangels Vorliegens der Voraussetzungen des §34 Abs1 Arbeitslosenversicherungsgesetz in der durch BGBl. I 1998/55 in Kraft gesetzten Fassung 1997 abgelehnt.

In den vorliegenden Beschwerden wird die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Nichtdiskriminierung im Sinne des Art14 EMRK iVm Art1 von dessen (1.) Zusatzprotokoll, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz oder Gleichbehandlung der Fremden untereinander, teilweise auch auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Entscheidung durch ein unabhängiges und unparteiisches Gericht durch Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes gerügt.

II. Die Beschwerden sind begründet.

Mit Erkenntnis vom 9. Juni 1999, G48-55/99, hat der Verfassungsgerichtshof aus Anlaß anderer Beschwerden §34 Abs1 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, BGBl. Nr. 609, idF der Novelle BGBl. I 1997/78 als verfassungswidrig aufgehoben.

Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren

(VfSlg. 10616/1985, 11711/1988).

Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren G48-55/99 fand am 9. Juni 1999 statt. Die vorliegenden Beschwerden sind beim Verfassungsgerichtshof vor diesem Zeitpunkt eingelangt und waren daher schon anhängig; die ihnen zugrundeliegenden Fälle sind somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.

Die belangte Behörde wendete bei Erlassung der angefochtenen Bescheide die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage der Fälle nicht von vornherein ausgeschlossen, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführerinnen nachteilig war. Die Beschwerdeführerinnen wurden somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt.

Die Bescheide sind daher aufzuheben.

Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 4.500 enthalten.

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