Normen
EMRK Art10
ÄrzteG 1998 §53
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
Richtlinie "Arzt und Öffentlichkeit" der Österreichischen Ärztekammer idF vom 25.03.98 Art3
EMRK Art10
ÄrzteG 1998 §53
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
Richtlinie "Arzt und Öffentlichkeit" der Österreichischen Ärztekammer idF vom 25.03.98 Art3
Spruch:
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.1. Der Beschwerdeführer ist Arzt für Allgemeinmedizin in Ried im Innkreis. Daneben ist er zu 25% Mitgesellschafter eines Gesundheits- und Seminarzentrums. Dabei handelt es sich um einen in Form einer GmbH geführten Gewerbebetrieb mit Hauptsitz in Wien und einer Zweigstelle in Ried im Innkreis, deren Betriebsräume sich unmittelbar neben den Ordinationsräumen des Beschwerdeführers befinden und unter der selben Telefaxnummer erreichbar sind wie dieser.
1.2. Im Jänner 1999 erschien in der Zeitung "Rieder Magazin" ein Inserat des Gesundheits- und Seminarzentrums mit folgendem Inhalt:
"(...)
Gesundheits- und Seminarzentrum
(...)
Ärztliche Leitung: Dr. med. ... (Name des Beschwerdeführers)
Sämtliche Therapien des Maharishi Ayur-Veda als ältestem
Heilverfahren der Menschheit:
Individuelle Gesundheitsberatung (Pulsdiagnose): bei chronischen Krankheiten Zusammenarbeit von österr. Ärzten mit internationalem indischen Ärzteteam. (Begrenzte Termine!)
Ambulante Entschlackungskuren (Panchakarma): zur Regeneration und bei chronischen Krankheiten.
Seminare: Gesundheitserziehung, für Firmen und Gemeinden auch extern.
Yoga und Transzendentale Meditation
Produkte: original ayurvedische Nahrungsergänzungen und Kosmetika, Nahrungsmittel für ayurvedische Ernährung.
Auch Versand möglich.
Info anfordern unter
(...)"
Nach eigenen Angaben des Beschwerdeführers war eine Mitarbeiterin dieser Zeitung mit einem Publikationsvorhaben zum Thema Gesundheit an ihn herangetreten. Er habe ihr einen vorgefertigten Artikel über Ayur-Veda ausgefolgt, jedoch wegen beruflicher Überlastung den daraus entwickelten Zeitungsartikel nicht mehr überprüft.
2. Der Disziplinarrat der Österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission für Oberösterreich und Salzburg, erblickte in diesem Verhalten einen Verstoß gegen §53 ÄrzteG 1998 iVm. der aufgrund dieser Bestimmung ergangenen Richtlinie "Arzt und Öffentlichkeit" der Österreichischen Ärztekammer. Er wertete den Umstand als mildernd, daß der Beschwerdeführer anläßlich des Disziplinarverfahrens eingesehen habe, er hätte den Artikel (das Inserat) korrigieren müssen, und verhängte über den Beschwerdeführer die Disziplinarstrafe des schriftlichen Verweises und verpflichtete ihn zum Ersatz der Kosten des Disziplinarverfahrens.
3. Die dagegen erhobene Berufung an den Disziplinarsenat der Österreichischen Ärztekammer beim Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen blieb erfolglos.
3.1. Der Disziplinarsenat ging zunächst von der disziplinarrechtlichen Verantwortlichkeit des Beschuldigten aus, da er seinen eigenen Angaben zufolge nicht nur Prokurist der Zweigstelle Ried der GmbH, sondern auch jene Person sei, an die sich die Mitarbeiterin des Printmediums gewendet habe; aufgrund der Sensibilität werbewirksamer Publikationen über ärztliche Tätigkeit wäre er folglich gehalten gewesen, die Veröffentlichung vorab zu prüfen.
3.2. In der Sache führt die belangte Behörde aus, daß durch den Hinweis auf die "individuelle Gesundheitsberatung (Pulsdiagnose)", die "Zusammenarbeit mit internationalem indischen Ärzteteam" und den Beisatz "Begrenzte Termine!" der Eindruck einer medizinischen Exklusivität iSd. Art3 litf der auf §53 Abs4 ÄrzteG 1998 beruhenden Richtlinie "Arzt und Öffentlichkeit" der Österreichischen Ärztekammer erweckt werde; überdies werde mit der Bezugnahme auf die "Pulsdiagnose" ein zur Irreführung des Lesers geeigneter Begriff verwendet, weil damit in Wahrheit nicht auf eine Diagnose "im westlich-medizinischen Sinn mit Laboranalyse", sondern auf ein Verfahren mit Ausrichtung auf "energetisches Gleichgewicht" abgestellt werde. Es werde damit insgesamt eine Information transportiert, deren Ankündigungsangebot auf ein ärztliches Leistungsangebot hinauslaufe, das der Realität des Angebots der GmbH nicht gerecht werde. Davon ausgehend liege aber in der plakativen Verknüpfung der der spezifisch ärztlichen Berufsausübung vorbehaltenen Diagnosetätigkeit mit dem "ältesten Heilverfahren der Welt" in Verbindung mit dem Angebot fernöstlicher Arztkooperation samt begrenzter Terminauswahl eine ersichtlich gezielte Werbekomponente vor, die im Sinne marktschreierischer Ankündigung zu beurteilen sei und im Zusammenhang mit der Hervorhebung des Disziplinarbeschuldigten als ärztlicher Leiter auch den gemäß Art3 lite der Richtlinie "Arzt und Öffentlichkeit" geforderten Bezug zu dessen ärztlicher Tätigkeit erkennen lasse.
4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG, Art7 B-VG) sowie auf Freiheit der Erwerbsausübung (Art6 StGG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides beantragt wird.
5. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, auf die Erstattung einer Gegenschrift aber verzichtet.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. §53 Abs1 und 4 ÄrzteG 1998, BGBl. I 169/1998, lauten:
"Werbebeschränkung und Provisionsverbot
§53. (1) Der Arzt hat sich jeder unsachlichen, unwahren oder das Standesansehen beeinträchtigenden Information im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufes zu enthalten.
...
(4) Die Österreichische Ärztekammer kann nähere Vorschriften über die Art und Form der im Abs1 genannten Informationen erlassen."
Art3 der in Ausführung dieser Verordnungsermächtigung ergangenen - als Verordnung zu qualifizierenden - Richtlinie "Arzt und Öffentlichkeit" bestimmt in der im Entscheidungszeitpunkt relevanten Fassung der Kundmachung in der Österreichischen Ärztezeitung vom 28.6.2000:
"Das Standesansehen beeinträchtigend ist eine Information, wenn sie Ehre und Anstand der Ärzteschaft gegenüber der Gemeinschaft, den Patienten oder den Kollegen herabsetzt. Eine standeswidrige Information liegt insbesondere vor bei
...
e) Selbstanpreisung der eigenen Person oder Darstellung der eigenen ärztlichen Tätigkeit durch reklamehaftes Herausstellen, durch aufdringliche oder marktschreierische Ankündigung, oder durch vergleichende Gegenüberstellung des Gesundheitszustandes (Aussehens) eines Menschen vor und nach einer angebotenen Behandlung;
f) Erwecken des Eindruckes einer medizinischen Exklusivität bei Laien;
..."
2.1. Unter dem Gesichtspunkt des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz wirft der Beschwerdeführer der belangten Behörde Willkür vor. Es bestehe im vorliegenden Fall kein Zusammenhang zwischen der hauptberuflichen Betätigung als praktischer Arzt und der GmbH, da der Beschwerdeführer bloß als ärztlicher Leiter benannt worden sei, jedoch nicht die Funktion eines Geschäftsführers einnehme. Im Falle der Richtigkeit der bekämpften Entscheidung wäre es dem Beschwerdeführer als Arzt nicht mehr möglich, für gesundheitsorientierte Institutionen und Unternehmen als (bloß) ärztlicher Leiter zu agieren, was grundsätzlich seinem Arztberuf entspreche, ohne zugleich auch für die gesamte Öffentlichkeitsarbeit des Unternehmens bzw. der Institution nur deshalb verantwortlich zu sein, weil von diesem Unternehmen bzw. der Institution auch sein Name in der Öffentlichkeit genannt werde.
2.2. "Lediglich hilfsweise" wird in der Beschwerde bestritten, daß in der Gestaltung der Anzeige ein marktschreierisches Verhalten zu erblicken wäre. Es könne nämlich einem privatwirtschaftlich organisierten Unternehmen nicht untersagt sein, in werbender Weise auf jene Leistungen hinzuweisen, die vom Unternehmen angeboten werden.
2.3. Sollte es jedoch nach §53 ÄrzteG 1998 sowie der auf dieser Grundlage ergangenen Bestimmungen des Art3 lite und litf der Richtlinie "Arzt und Öffentlichkeit" zulässig sein, "daß ein Arzt über seine ärztliche Qualifikation hinaus als ärztlicher Leiter auch für Dinge verantwortlich gemacht werden kann, welche mit seiner Tätigkeit als Arzt und ärztlicher Leiter gar nicht verbunden sind, insofern die Fragen der Öffentlichkeitsarbeit und des Auftretens im Geschäftsverkehr regelmäßig in die Zuständigkeit der Geschäftsführung und nicht in die Kompetenz des ärztlichen Leiters fallen", so stelle dies eine willkürliche Einschränkung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Freiheit der Erwerbsausübung dar und seien die angewendeten Rechtsvorschriften somit verfassungswidrig.
3. Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer nicht im Recht:
3.1. Der Verfassungsgerichtshof kann der belangten Behörde nicht entgegentreten, wenn sie unter Abwägung aller Umstände des vorliegenden Falles davon ausgeht, daß sich die im Inserat manifestierende Information über das "Angebot" der GmbH letztlich auch auf den Beschwerdeführer als den mit der ärztlichen Leitung betrauten "Verantwortlichen" bezieht. Im Hinblick auf die namentliche Nennung des Beschwerdeführers unter Einschluß seines akademischen Grades, die Darstellung von Diagnose- und Heilmethoden im Zusammenhalt mit der Nennung des Beschwerdeführers als "ärztliche Leitung" sowie die (gesellschaftsrechtliche und) örtliche Nähe der GmbH zum Ordinationssitz des Beschwerdeführers ist der belangten Behörde keine denkunmögliche Gesetzesanwendung vorzuwerfen, wenn sie von einem - aus disziplinarrechtlicher Sicht - maßgeblichen Zusammenhang zwischen dem Beschwerdeführer und der GmbH ausging. Eine Bestrafung der GmbH erfolgt durch den angefochtenen Bescheid ebensowenig wie eine Bestrafung des Beschwerdeführers für Handlungen, die in keinem Zusammenhang mit seiner ärztlichen Tätigkeit stehen und daher außerhalb des Wirkungsbereiches des Disziplinarsenates der Österreichischen Ärztekammer lägen (vgl. VfSlg. 15.480/1999).
3.2. Der Verfassungsgerichtshof hegt unter diesem Gesichtspunkt auch keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen (vgl. bereits VfSlg. 15.480/1999, 15.611/1999), zumal - wie dargelegt - bereits die Prämisse, der Beschwerdeführer sei aufgrund dieser Rechtsvorschriften zulässigerweise für ein Verhalten verantwortlich gemacht worden, das mit seiner ärztlichen Tätigkeit in keinem Zusammenhang stehe, unzutreffend ist.
3.3. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist der belangten Behörde auch nicht entgegenzutreten, wenn sie aufgrund des ausführlich dargestellten und unbestritten gebliebenen Sachverhalts zur Auffassung gelangt ist, das inkriminierte Inserat erwecke bei Laien den Eindruck einer medizinischen Exklusivität (arg.: "Begrenzte Termine!"); auch dem Umstand, daß die im Inserat erfolgten Ankündigungen ärztlicher Leistungen von der Behörde insgesamt als reklamehaftes Herausstellen der ärztlichen Tätigkeit des Beschwerdeführers im Sinne des Art3 lite der Richtlinie "Arzt und Öffentlichkeit" qualifiziert wurden, haftet kein in die Verfassungssphäre reichender Mangel an.
4. Vor diesem Hintergrund hat der Verfassungsgerichtshof auch keinen Zweifel, daß der angefochtene Bescheid mit dem - in der Beschwerde nicht relevierten - Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung nach Art10 EMRK im Einklang steht: Die Rechtsprechung des EGMR hat deutlich gemacht, daß kommerzielle Werbung zwar vom Schutzbereich des Art10 Abs1 EMRK erfaßt wird, daß sie aber nach Art10 Abs2 EMRK strengeren Beschränkungen unterworfen werden darf als andere Formen der Mitteilung von Meinungen, Ideen und Informationen (vgl. Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar, 2. Aufl., 1996, Rz. 9, 27 zu Art10, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Der angefochtene Bescheid greift somit zwar in das Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung ein. Der Verfassungsgerichtshof hält diesen Eingriff im Lichte der zitierten Rechtsprechung aber für verhältnismäßig und vom Gesetzesvorbehalt des Art10 Abs2 EMRK gedeckt.
5. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde. Ob der angefochtene Bescheid aber in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. VfSlg. 9454/1982, 10.565/1985, 10.659/1985, 12.823/1991, 12.987/1992, 13.459/1993).
6. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
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