VfGH B1094/11 ua

VfGHB1094/11 ua6.12.2012

Keine Verletzung verfassungsgesetzliche gewährleisteter Rechte durch Versagung von Geldleistungen für den Unterkunfts-, Bekleidungs- und Heizbedarf in tatsächlicher Höhe nach dem Wr MindestsicherungsG; materielle Derogation der Regelung des Wr SozialhilfeG über Sonderbedarf auf Grund einer unbedenklichen Übergangsbestimmung des Wr MindestsicherungsG; keine Unsachlichkeit des Systems der Abdeckung des Lebensunterhalts durch pauschal in der Verordnung zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung festgesetzten Mindeststandards

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art18 Abs1
EMRK Art3
Bund-Länder-Vereinbarung gemäß Art15a B-VG über eine bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung, BGBl I 96/2010 Art2, Art10
Wr MindestsicherungsG §3, §8, §9, §39, §44 Abs2
Wr SozialhilfeG §11, §12, §13 Abs6
ASVG §293
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art18 Abs1
EMRK Art3
Bund-Länder-Vereinbarung gemäß Art15a B-VG über eine bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung, BGBl I 96/2010 Art2, Art10
Wr MindestsicherungsG §3, §8, §9, §39, §44 Abs2
Wr SozialhilfeG §11, §12, §13 Abs6
ASVG §293

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtenen Bescheide weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1.1. Der Beschwerdeführer stellte beim Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40 - Soziales, Sozial- und Gesundheitsrecht, am 15. und 22. Oktober, 16., 26. und 29. November 2010 sowie am 24. Februar 2011 Anträge auf Bewilligung von Geldleistungen zur Deckung des "Unterkunftsbedarfs in tatsächlicher Höhe" samt Heizkosten sowie des Bekleidungsbedarfs "für die kalte Jahreszeit". Mit Bescheiden vom 15. Dezember 2010 und 28. März 2011 wies der Magistrat der Stadt Wien die Anträge des Beschwerdeführers nach den Bestimmungen der §§3, 7 bis 10 und 12 iVm §44 Wiener Mindestsicherungsgesetz (im Folgenden auch: WMG) ab.

1.2. Die dagegen erhobenen Berufungen wies der Unabhängige Verwaltungssenat Wien (im Folgenden: UVS Wien) mit Bescheiden vom 22. Juni 2011 und 25. Juli 2011 vollinhaltlich ab. Begründend hält der UVS Wien dabei Folgendes fest:

"Das am 1.9.2010 in Kraft getretene WMG nennt in

seinem §3 die erfassten Bedarfsbereiche und legt in §8 Mindeststandards fest, welche für die Bemessung von Leistungen zur Deckung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs heranzuziehen sind. §9 WMG enthält Regelungen im Zusammenhang mit Unterkunftskosten, die über den Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs hinausgehen (Mietbeihilfe). Die Mindeststandards legen die Leistungen für die Bedarfsbereiche zur Gänze fest. Regelungen, wie sie das bis 30.8.2010 in Geltung stehende Wiener Sozialhilfegesetz enthielt, wonach Geldleistungen für nicht durch den Richtsatz gedeckte Bedarfe im Rahmen des Lebensunterhaltes zuerkannt werden konnten, enthält das Wiener Mindestsicherungsgesetz im Hinblick auf die nunmehr erhöhten Pauschalen nicht. Die im gegenständlichen Verfahren begehrten Bedarfe sind sohin bereits durch die dem Berufungswerber mit Bescheiden vom 28.2.2011 und 6.6.2011 zuerkannten Mindeststandards gedeckt. Ein darüber hinausgehender Rechtsanspruch auf Leistungen, wie hier vom Berufungswerber beantragt, besteht nicht."

2. Gegen diese Bescheide richtet sich die

vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten nach Art7 Abs1 B-VG, Art3, 6, 13 und 14 EMRK sowie in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide beantragt wird.

2.1. Der Beschwerdeführer begründet seine Beschwerde damit, der UVS Wien habe §44 Abs2 WMG denkunmöglich angewendet, weil dieser Bestimmung zufolge das Wiener Sozialhilfegesetz (im Folgenden auch: WSHG) nur insoweit außer Kraft getreten sei, als Regelungen im Wiener Mindestsicherungsgesetz erfolgt seien. In Ansehung der Bestimmung betreffend Sonderbedarfe in §13 Abs6 WSHG sei jedoch im Wiener Mindestsicherungsgesetz keine Regelung erfolgt; §13 Abs6 WSHG müsse demzufolge nach wie vor auf den Beschwerdeführer Anwendung finden. Des Weiteren erachtet der Beschwerdeführer die Wortfolge "soweit Regelungen in diesem Gesetz erfolgen" in §44 Abs2 WMG als zu unbestimmt und im Widerspruch zum Rechtsstaatlichkeitsgebot nach Art18 B-VG. Wenn §13 Abs6 WSHG tatsächlich nicht mehr anwendbar wäre, widerspräche dies auch dem Verschlechterungsverbot nach der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art15a B-VG über eine bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung.

2.2. Indem §44 Abs1 WMG hinsichtlich des Inkrafttretens dieses Gesetzes auf das Inkrafttreten der Art15a B-VG-Vereinbarung abstelle, liege eine unzulässige dynamische Verweisung vor.

2.3. §8 Abs2 Z4 WMG regle den festzusetzenden Mindeststandard für minderjährige Personen. Da dieser Mindeststandard "eingefroren" sei und sich nicht an den tatsächlichen Bedürfnissen von Kindern orientiere, sei die Bestimmung schon aus diesem Grund unsachlich; abgesehen davon sei der in der Verordnung der Wiener Landesregierung zum Gesetz zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung in Wien (im Folgenden auch: WMG-VO) festgesetzte Mindeststandard bei Weitem zu niedrig bemessen.

2.4. Überhaupt habe das Wiener Mindestsicherungsgesetz das Prinzip der Menschenwürde "beseitigt", weil es nur noch die bloße Überlebenssicherung zum Ziel habe. §1 Abs1 WSHG habe hingegen die Führung eines menschenwürdigen Lebens vorgesehen; insofern widerspreche das Wiener Mindestsicherungsgesetz Art3 EMRK. In diesem Zusammenhang verweist der Beschwerdeführer auf das Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichtes vom 9. Februar 2010, 1 BvL 1/09 ua., welches eine vergleichbare Frage behandle.

2.5. Da die Ansprüche des Beschwerdeführers um die Notstandshilfe gekürzt worden seien, habe die belangte Behörde zudem §15 Abs1 WMG denkunmöglich angewendet: So habe der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren dargelegt, dass er nicht in der Lage sei, die Fahrtkosten zum Arbeitsmarktservice zu bestreiten.

2.6. Schließlich begründe auch der Umstand, dass dem Beschwerdeführer im Verfahren zur Gewährung seiner Ansprüche nach dem Wiener Mindestsicherungsgesetz bzw. dem Wiener Sozialhilfegesetz keine Verfahrenshilfe zukomme, eine Verletzung seiner Rechte nach Art6, 13 und 14 EMRK.

3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und sah von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II. Rechtslage

1.1. Nach §1 Abs2 WSHG, LGBl. 13/1973 idF

LGBl. 28/2012, umfasst die Sozialhilfe die Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes, die Hilfe in besonderen Lebenslagen sowie die sozialen Dienste. Die maßgeblichen Bestimmungen des Wiener Sozialhilfegesetzes lauten:

"Anspruch

§8. (1) Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes hat nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen dieses Abschnittes, wer den Lebensbedarf für sich und die mit ihm in Gemeinschaft oder Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält.

(2) Der Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes wird jedoch nicht berührt durch

1. Unterhaltsleistungen von Angehörigen, die gemäß §29 Abs2 nicht zum Ersatz der Sozialhilfekosten herangezogen werden dürfen;

2. Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege,

ausgenommen solche, die vom Fonds Soziales Wien gewährt werden.

[...]

Lebensunterhalt

§12. Der Lebensunterhalt umfaßt insbesondere

Unterkunft, Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Beheizung, Beleuchtung, Kochfeuerung und andere persönliche Bedürfnisse. Zu den persönlichen Bedürfnissen gehört auch die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben in angemessenem Ausmaß.

Geldleistungen

§13. (1) Die Bemessung von Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes hat unter Anwendung von Richtsätzen zu erfolgen. Die Richtsätze sind durch Verordnung der Landesregierung festzusetzen. Erfolgt eine Neufestsetzung der Richtsätze durch Verordnung der Landesregierung oder ergibt sich eine Änderung des Einkommens des Hilfesuchenden oder der der bisherigen Berechnung der Sozialhilfeleistung zu Grunde liegenden Situation des Hilfesuchenden, so sind Ansprüche nach diesem Gesetz rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Neufestsetzung der Richtsätze oder der Änderung des Einkommens oder der Situation neu zu berechnen.

(2) [...]

(3) Der Richtsatz ist so zu bemessen, daß er den monatlichen Bedarf an Nahrung, Beleuchtung, Kochfeuerung Kleinhausrat und sonstigen kleineren Bedürfnissen des täglichen Lebens, Instandsetzung der Bekleidung, Körperpflege, Wäschereinigung sowie in angemessenem Ausmaß den Aufwand für die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben deckt.

(4) Der Richtsatz kann im Einzelfall überschritten werden, wenn infolge der persönlichen oder familiären Verhältnisse einschließlich der Verhältnisse einer eingetragenen Partnerschaft des Hilfesuchenden ein erhöhter Bedarf besteht. Dies gilt insbesondere bei alten, kranken oder behinderten Menschen sowie bei Familien mit Kindern. Bei der Bemessung der Höhe der Geldleistung sind jedenfalls Einkünfte, die dem Hilfesuchenden im Rahmen einer Beschäftigungstherapie oder einer sonstigen individuellen therapeutischen Betreuungsmaßnahme als Leistungsanreiz zufließen (therapeutisches Taschengeld), bis zur eineinhalbfachen Höhe des Taschengeldes gemäß §13 Abs9 nicht anzurechnen. Bei der Bemessung der Geldleistungen sind Zahlungsverpflichtungen auf Grund von Schulden oder Alimentationsverpflichtungen nicht als einkommensmindernd anzurechnen.

(5) Der Richtsatz kann im Einzelfall unterschritten und auf das zum Lebensunterhalt unerläßliche Maß beschränkt werden, wenn der Hilfesuchende trotz Ermahnung mit den ihm zur Verfügung gestellten Mitteln nicht zweckmäßig umgeht. Ist der Hilfesuchende trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitsmöglichkeit (§9 Abs1) nicht gewillt, seine Arbeitskraft zur Beschaffung seines Lebensbedarfes einzusetzen, so ist der Richtsatz bis zu 50% zu unterschreiten. Der Lebensunterhalt unterhaltsberechtigter Angehöriger sowie des Lebensgefährten darf dadurch jedoch nicht beeinträchtigt werden.

(6) Der nicht durch den Richtsatz gedeckte Bedarf im Rahmen des Lebensunterhaltes, insbesondere die Unterkunft, Bekleidung, Hausrat und Beheizung ist durch zusätzliche Geld- oder Sachleistungen zu decken, deren Ausmaß nach den Erfordernissen des einzelnen Falles zu bemessen ist. Bei alten oder erwerbsunfähigen Beziehern wiederkehrender monatlicher Geldleistungen zur Sicherung des Lebensbedarfes kann dieser Bedarf durch einen Zuschlag zum Richtsatz pauschal abgedeckt werden.

(7) Zu monatlich wiederkehrenden Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes mit einem Zuschlag gemäß Abs6 zweiter Satz ist jährlich in den Monaten Mai und Oktober je eine Sonderzahlung in der Höhe des Richtsatzes einschließlich des Zuschlages zu gewähren. Ein 13. oder 14. Monatsbezug, den der Hilfeempfänger von anderer Seite erhält, ist auf diese Sonderzahlungen anzurechnen.

(8) - (10) [...]"

1.2. Auf Basis des §13 Abs1 WSHG erging die Verordnung der Wiener Landesregierung betreffend die Festsetzung der Richtsätze in der Sozialhilfe (im Folgenden auch: Richtsatz-VO), die in ihrer letzten Fassung, LGBl. 4/2010, die Richtsätze unter anderem wie folgt festlegt:

"§1. (1) Die Richtsätze für Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes werden mit folgenden monatlichen Beträgen festgesetzt:

1. für den Alleinunterstützten sowie den Alleinerzieher mit unterhaltsberechtigten Angehörigen im gemeinsamen Haushalt 461,- Euro.

2. für den in Haushaltsgemeinschaft lebenden

a) Ehegatten oder Lebensgefährten 357,- Euro.

b) unterhaltsberechtigten Angehörigen mit Anspruch auf Familienbeihilfe 137,- Euro.

(2) Die richtsatzmäßige Gesamtunterstützung

einschließlich des Zuschlages gemäß §4 darf in der Regel die entsprechenden für das Jahr 2010 gemäß §293 ASVG festgelegten Mindestleistungen der Pensionsversicherung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes nicht überschreiten.

[...]

§5. (1) Bei anderen als in §4 Abs1 genannten Sozialhilfebeziehern ist der nicht durch den Richtsatz gedeckte Bedarf im Rahmen des Lebensunterhaltes durch zusätzliche Geld- oder Sachleistungen zu decken, deren Ausmaß nach den Erfordernissen des einzelnen Falles zu bemessen ist.

(2) Der Mietbedarf ist durch eine Mietbeihilfe zu

decken. Die Mietbeihilfe ist alleinunterstützten oder alleinerziehenden Sozialhilfebeziehern mit unterhaltsberechtigten Angehörigen im gemeinsamen Haushalt sowie in Haushaltsgemeinschaft lebenden Ehegatten oder Lebensgefährten in der Höhe des aufzuwendenden Mietzinses zu gewähren, soweit dieser die Mietbeihilfenobergrenzen in Abs3 nicht übersteigt, und nur im Ausmaß des auf den einzelnen Sozialhilfebezieher entfallenden Mietzinsanteiles. Die den Mitgliedern eines Haushaltes bzw. den Bewohnern einer Wohnung insgesamt gewährte Mietbeihilfe darf die in Abs3 angeführten Mietbeihilfenobergrenzen sowie den für die Wohnung aufzuwendenden Mietzins nicht überschreiten. Überschreitet der aufzuwendende Mietzins die in Abs3 angeführten Mietbeihilfenobergrenzen, so ist bei der Berechnung der zu gewährenden Mietbeihilfe von den in Abs3 angeführten Mietbeihilfenobergrenzen auszugehen.

(3) In der Regel darf die Mietbeihilfe

für ein bis zwei Personen im gemeinsamen Haushalt

einen Betrag von 279,- Euro,

für drei bis vier Personen im gemeinsamen Haushalt einen Betrag von 292,- Euro,

für fünf bis sechs Personen im gemeinsamen Haushalt einen Betrag von 310,- Euro und

für mehr als sechs Personen im gemeinsamen Haushalt einen Betrag von 327,- Euro

nicht überschreiten.

(4) Zur Deckung des Heizbedarfes ist alleinunterstützten oder alleinerziehenden Sozialhilfebeziehern mit unterhaltsberechtigten Angehörigen im gemeinsamen Haushalt sowie in Haushaltsgemeinschaft lebenden Ehegatten oder Lebensgefährten eine Heizbeihilfe von 44,-- Euro monatlich im Ausmaß des auf den einzelnen Sozialhilfebezieher entfallenden Heizkostenanteils zu gewähren. Die den Mitgliedern eines Haushaltes bzw. den Bewohnern einer Wohnung insgesamt gewährte Heizbeihilfe darf diesen Betrag nicht überschreiten.

[...]"

2. Die gesetzeskoordinierte (vgl. BGBl. I 96/2010) Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art15a B-VG über eine bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung sieht die nachstehenden (im vorliegenden Fall maßgeblichen) Regelungen vor:

"Artikel 1

Ziele

Die Vertragsparteien kommen überein, auf der Grundlage der bundesstaatlichen Struktur Österreichs eine bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung zur verstärkten Bekämpfung und Vermeidung von Armut und sozialer Ausschließung zu schaffen. Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung soll eine dauerhafte (Wieder-)Eingliederung ihrer BezieherInnen in das Erwerbsleben weitest möglich fördern.

Artikel 2

Grundsätze

(1) Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung ist durch pauschalierte Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes, jeweils außerhalb von stationären Einrichtungen, sowie durch die bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung erforderlichen Leistungen zu gewährleisten. Dies hat im Rahmen von Rechtsansprüchen zu erfolgen, soweit in dieser Vereinbarung nicht Anderes bestimmt ist.

(2) Die Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sind subsidiär. Soweit in dieser Vereinbarung nicht Anderes bestimmt ist, sollen die Leistungen daher wie bisher vom Fehlen einer ausreichenden Deckung des jeweiligen Bedarfes durch eigene Mittel oder durch Leistungen Dritter sowie von der Bereitschaft zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft abhängig gemacht werden.

(3) Bei der Erbringung von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung ist auch die jeweils erforderliche Beratung und Betreuung zur Vermeidung und Überwindung von sozialen Notlagen sowie zur nachhaltigen sozialen Stabilisierung zu gewährleisten. Bei arbeitsfähigen Personen gehören dazu auch Maßnahmen, die zu einer weitest möglichen und dauerhaften (Wieder-)Eingliederung in das Erwerbsleben erforderlich sind.

(4) Bei den Verpflichtungen aus dieser Vereinbarung handelt es sich um bundesweit zu gewährleistende Mindeststandards. Die Erbringung weitergehender Leistungen oder die Einräumung günstigerer Bedingungen bleibt jeder Vertragspartei unbenommen. Das derzeit bestehende haushaltsbezogene Leistungsniveau darf durch die in Umsetzung dieser Vereinbarung erlassenen Regelungen nicht verschlechtert werden.

Artikel 3

Erfasste Bedarfsbereiche

(1) Der Lebensunterhalt umfasst den regelmäßig wiederkehrenden Aufwand für Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und Strom sowie andere persönliche Bedürfnisse wie die angemessene soziale und kulturelle Teilhabe.

(2) Der Wohnbedarf umfasst den für die Gewährleistung einer angemessenen Wohnsituation erforderlichen regelmäßig wiederkehrenden Aufwand für Miete, allgemeine Betriebskosten und Abgaben.

(3) Der Schutz bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung umfasst alle Sachleistungen und Vergünstigungen, die BezieherInnen einer Ausgleichszulage aus der Pensionsversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung zukommen.

[...]

Artikel 5

Ausgleichszulage und vergleichbare Leistungen

(1) Der Bund gewährleistet allen BezieherInnen einer Pension aus der gesetzlichen Pensionsversicherung eine Bedarfsorientierte Mindestsicherung in Form der Ausgleichszulage nach §§292 ff. ASVG unter Berücksichtigung des Art10 Abs2 und 3 Z1 lita dieser Vereinbarung; die Ausgleichszulagenrichtsätze sind nach den Vorgaben des Pensionsrechts jährlich zu erhöhen. Dies gilt sinngemäß auch für alle anderen bundesrechtlichen Mindeststandards, deren Festlegung sich derzeit an der Ausgleichszulage orientiert.

(2) Die zum Ausgleichszulagenrichtsatz gebührende

Erhöhung für Kinder (§293 Abs1 letzter Satz ASVG) wird an den nach Art10 Abs3 Z2 lita von den Ländern zu gewährleistenden Mindeststandard abzüglich des Kinderzuschusses (§262 ASVG) angepasst.

[...]

Artikel 10

Mindeststandards

(1) Die Länder gewährleisten nach Maßgabe des Art4 dieser Vereinbarung monatliche Geldleistungen zur Deckung des Lebensunterhaltes (Art3 Abs1) und des angemessenen Wohnbedarfes (Art3 Abs2) als Mindeststandards.

(2) Ausgangswert ist der für alleinstehende AusgleichszulagenbezieherInnen monatlich vorgesehene Betrag abzüglich des davon einzubehaltenden Beitrages zur Krankenversicherung. Dieser Mindeststandard gilt für Alleinstehende und AlleinerzieherInnen.

(3) Die Mindeststandards für andere Personen betragen folgende Prozentsätze des Ausgangswertes nach Abs2:

1. für volljährige Personen, die mit anderen

Volljährigen im gemeinsamen Haushalt leben:

a) pro Person 75%;

b) ab der dritten leistungsberechtigten volljährigen Person, wenn diese einer anderen Person im gemeinsamen Haushalt gegenüber unterhaltsberechtigt ist 50%;

2. für minderjährige Personen, für die ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht und die mit zumindest einem Volljährigen im gemeinsamen Haushalt leben:

a) für das älteste, zweit- und drittälteste dieser Kinder 18%,

b) ab dem viertältesten Kind 15%.

(4) Die Mindeststandards nach Abs2 und 3 sind 12 Mal pro Jahr zu gewährleisten.

(5) Die Mindeststandards nach Abs2 bis 4 werden zu Beginn eines jeden Kalenderjahres mit dem gleichen Prozentsatz erhöht wie die Ausgleichszulagenrichtsätze.

(6) Geldleistungen nach Abs2 bis 4 können

ausnahmsweise bescheidmäßig durch Sachleistungen ersetzt werden, wenn dadurch eine den Zielen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung dienende Deckung des Lebensunterhaltes besser erreicht werden kann.

Artikel 11

Wohnbedarf

(1) Die Länder sollen zusätzliche Leistungen

zumindest auf Grundlage des Privatrechts gewährleisten, wenn mit den Mindeststandards nach Art10 der angemessene Wohnbedarf nicht vollständig gedeckt werden kann. Dies ist anzunehmen, wenn die angemessenen Wohnkosten das Ausmaß von 25% der jeweiligen Mindeststandards nach Art10 Abs2 und Abs3 übersteigen.

(2) Leistungen zur Deckung des Wohnbedarfs können an Dritte ausbezahlt werden, wenn dadurch eine drohende Delogierung verhindert werden oder sonst eine den Zielen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung dienende Deckung des Wohnbedarfes besser erreicht werden kann.

Artikel 12

Zusatzleistungen

Für Sonderbedarfe, die durch die pauschalierten

Leistungen nach Art10 und 11 nicht gedeckt sind, können die Länder zusätzliche Geld- oder Sachleistungen zumindest auf Grundlage des Privatrechts vorsehen.

[...]"

3.1. Das auf Grund dieser Vereinbarung erlassene

Gesetz zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung in Wien, LGBl. 38/2010 idF LGBl. 6/2011, bestimmt Folgendes:

"§1.

Ziele und Grundsätze

(1) Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung hat zum Ziel, Armut und soziale Ausschließung verstärkt zu bekämpfen und zu vermeiden sowie die dauerhafte Eingliederung oder Wiedereingliederung in das Erwerbsleben weitest möglich zu fördern.

(2) Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung erfolgt durch Zuerkennung von pauschalierten Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs sowie von den bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung erforderlichen Leistungen. Auf diese Leistungen besteht ein Rechtsanspruch.

(3) Die Zuerkennung von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung ist subsidiär. Sie erfolgt nur, wenn der Mindestbedarf nicht durch Einsatz eigener Arbeitskraft, eigener Mittel oder Leistungen Dritter gedeckt werden kann.

(4) Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung dient der Beseitigung einer bestehenden Notlage. Sie erfolgt auch vorbeugend, wenn dadurch einer drohenden Notlage entgegengewirkt werden kann. Eine Fortsetzung ist solange möglich, als dies notwendig ist, um die Wirksamkeit und Nachhaltigkeit der Hilfeleistung zu sichern. Die Mindestsicherung hat rechtzeitig einzusetzen. Eine Zuerkennung von Leistungen für die Vergangenheit ist nicht möglich.

§2.

Beratung und Unterstützung

[...]

2. Abschnitt

Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung

§3.

Erfasste Bedarfsbereiche

(1) Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung deckt den Mindeststandard in den Bedarfsbereichen Lebensunterhalt, Wohnen, Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung ab.

(2) Der Lebensunterhalt umfasst den Bedarf an

Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und Energie sowie andere persönliche Bedürfnisse, zu denen auch die soziale und kulturelle Teilhabe zählt.

(3) Der Wohnbedarf umfasst den für die Gewährleistung einer angemessenen Wohnsituation erforderlichen Aufwand an Miete, Abgaben und allgemeinen Betriebskosten.

(4) Der Bedarf bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung umfasst den Aufwand, der bei Bezieherinnen und Beziehern einer Ausgleichszulage aus der Pensionsversicherung durch die gesetzliche Krankenversicherung im Rahmen der Wiener Gebietskrankenkasse abgedeckt ist.

[...]

§7.

Anspruch auf Mindestsicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs

(1) Anspruch auf Mindestsicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs haben volljährige Personen bei Erfüllung der Voraussetzungen nach §4 Abs1 und 2. Der Anspruch auf Mindestsicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs kann nur gemeinsam geltend gemacht werden und steht volljährigen Personen der Bedarfsgemeinschaft solidarisch zu. Die Abdeckung des Bedarfs von zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden minderjährigen Personen erfolgt durch Zuerkennung des maßgeblichen Mindeststandards an die anspruchberechtigten Personen der Bedarfsgemeinschaft, der sie angehören.

(2) Die Zurechnung zu einer Bedarfsgemeinschaft

erfolgt nach folgenden Kriterien:

1. Volljährige alleinstehende Personen und

volljährige Personen, die mit anderen volljährigen Personen in Wohngemeinschaft leben, bilden eine eigene Bedarfsgemeinschaft.

2. Volljährige Personen im gemeinsamen Haushalt,

zwischen denen eine unterhaltsrechtliche Beziehung oder eine Lebensgemeinschaft besteht, bilden eine Bedarfsgemeinschaft.

3. Minderjährige Personen im gemeinsamen Haushalt mit zumindest einem Elternteil oder mit einer zur Obsorge berechtigten Person bilden mit diesem oder dieser eine Bedarfsgemeinschaft.

4. Volljährige Personen mit Anspruch auf

Familienbeihilfe und volljährige Personen bis zum vollendeten

21. Lebensjahr ohne Einkommen oder mit einem Einkommen bis zu einer Geringfügigkeitsgrenze im gemeinsamen Haushalt mit zumindest einem Eltern- oder Großelternteil bilden mit diesem eine Bedarfsgemeinschaft.

5. Volljährige Personen ab dem vollendeten

21. Lebensjahr und volljährige auf die Dauer von mindestens einem Jahr arbeitsunfähige Personen bilden eine eigene Bedarfsgemeinschaft, auch wenn sie im gemeinsamen Haushalt mit einem Eltern- oder Großelternteil leben.

(3) Bezieht eine zur Bedarfsgemeinschaft gehörende minderjährige oder volljährige Person mit Anspruch auf Familienbeihilfe oder eine volljährige Person bis zum vollendeten 21. Lebensjahr ohne Einkommen oder mit einem Einkommen bis zu einer Geringfügigkeitsgrenze eine Unterhaltsleistung von einer nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden Person, eine Lehrlingsentschädigung oder ein sonstiges Einkommen, das die Höhe des für diese Person maßgeblichen Mindeststandards übersteigt, so ist diese Person bei der Bemessung nicht zu berücksichtigen.

(4) Ist die Verfolgung von Unterhaltsansprüchen einer minderjährigen Person nicht offenbar aussichtslos oder unzumutbar und ist die Höhe des Anspruchs nicht gerichtlich festgestellt oder nur frei vereinbart, so ist diese Person bei der Bemessung nicht zu berücksichtigen.

(5) Die Geringfügigkeitsgrenze wird unter

Berücksichtigung der Bezug habenden bundesgesetzlichen Bestimmungen im ASVG durch Verordnung der Landesregierung festgelegt.

§8.

Mindeststandards

(1) Die Bemessung der Leistungen zur Deckung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs erfolgt auf Grund der Mindeststandards gemäß Abs2, die bei volljährigen Personen auch einen Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs im Ausmaß von 25 vH des jeweiligen Mindeststandards enthalten. Für Personen, die das Regelpensionsalter nach dem Bundesgesetz vom 9. September 1955 über die Allgemeine Sozialversicherung (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz - ASVG) erreicht haben und für volljährige, auf die Dauer von mindestens einem Jahr arbeitsunfähige Personen beträgt der Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs 13,5 vH der Mindeststandards, wenn sie alleinstehend sind oder mit Personen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, in der Bedarfsgemeinschaft leben. Liegen bei mehr als einer Person in der Bedarfsgemeinschaft diese Voraussetzungen vor, beträgt der Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs 9 vH der Mindeststandards.

(2) Die Mindeststandards betragen:

1. 100 vH des Ausgleichszulagenrichtsatzes nach §293 Abs1 lita sublit. b ASVG abzüglich des Beitrages für die Krankenversicherung

a) für volljährige alleinstehende Personen und

volljährige Personen, die mit anderen volljährigen Personen in Wohngemeinschaft leben;

b) für volljährige Personen, die ausschließlich mit Personen nach Z3 oder Z4 (Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher) eine Bedarfsgemeinschaft bilden;

2. 75 vH des Wertes nach Z1 für volljährige Personen, die mit anderen volljährigen Personen in einer Bedarfsgemeinschaft gemäß §7 Abs2 Z2 leben;

3. 50 vH des Wertes nach Z1

a) für volljährige Personen mit Anspruch auf Familienbeihilfe in einer Bedarfsgemeinschaft gemäß §7 Abs2 Z4;

b) für volljährige Personen bis zum vollendeten

21. Lebensjahr ohne Einkommen oder mit einem Einkommen bis zu einer Geringfügigkeitsgrenze in einer Bedarfsgemeinschaft gemäß §7 Abs2 Z4;

4. 27 vH des Wertes nach Z1 für minderjährige

Personen mit Anspruch auf Familienbeihilfe in einer Bedarfsgemeinschaft gemäß §7 Abs2 Z3.

(3) Personen, die das Regelpensionsalter nach dem ASVG erreicht haben und volljährigen, auf die Dauer von mindestens einem Jahr arbeitsunfähigen Personen ist zum monatlich wiederkehrenden Mindeststandard jährlich in den Monaten Mai und Oktober je eine Sonderzahlung in der Höhe des Mindeststandards zuzuerkennen. Ein 13. oder 14. Monatsbezug, den die Person von anderer Seite erhält, ist auf diese Sonderzahlungen anzurechnen.

(4) Der Mindeststandard nach Abs2 Z1 erhöht sich mit dem gleichen Prozentsatz wie der Ausgleichszulagenrichtsatz nach §293 Abs1 lita sublit. b ASVG. Die Beträge der Mindeststandards werden durch Verordnung der Landesregierung kundgemacht.

§9.

Mietbeihilfe

(1) Ein über den Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs nach §8 Abs1 hinausgehender Bedarf wird an die anspruchsberechtigten Personen als Bedarfsgemeinschaft in Form einer monatlichen Geldleistung (Mietbeihilfe) zuerkannt, wenn dieser nachweislich weder durch eigene Mittel noch durch Leistungen Dritter gedeckt werden kann. Die Mietbeihilfe gebührt ab dem auf die Antragstellung folgenden Monat.

(2) Die Mietbeihilfe ist, bei durch unbedenkliche

Urkunden nachgewiesenen tatsächlich höheren Kosten der Abdeckung des Wohnbedarfs, bis zur Höhe der Bruttomiete zuzuerkennen und wird wie folgt berechnet:

1. Den Ausgangswert bilden die nach Abzug sonstiger Leistungen tatsächlich verbleibenden Wohnkosten bis zu den Mietbeihilfenobergrenzen nach Abs3.

2. Dieser Ausgangswert wird durch die Anzahl der in der Wohnung lebenden volljährigen Personen geteilt und mit der Anzahl der volljährigen Personen der Bedarfsgemeinschaft multipliziert.

3. Von dem für die Bedarfsgemeinschaft ermittelten Wert wird ein Betrag in folgender Höhe vom jeweiligen Mindeststandard nach §8 Abs2 abgezogen:

a) für jede volljährige Hilfe suchende oder

empfangende Person ein Betrag in der Höhe von 25 vH;

b) für jede Hilfe suchende oder empfangende Person, die das Regelpensionsalter nach dem ASVG erreicht hat und für jede volljährige auf die Dauer von mindestens einem Jahr arbeitsunfähige Person, wenn sie alleinstehend ist oder mit Personen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, in der Bedarfsgemeinschaft lebt, ein Betrag in der Höhe von 13,5 vH;

c) für jede Hilfe suchende oder empfangende Person, die das Regelpensionsalter nach dem ASVG erreicht hat und für jede volljährige auf die Dauer von mindestens einem Jahr arbeitsunfähige Person, wenn bei mehr als einer Person der Bedarfsgemeinschaft diese Voraussetzungen vorliegen, ein Betrag von 9 vH.

(3) Die Mietbeihilfenobergrenzen werden pauschal nach Maßgabe der in der Wohnung lebenden Personen und der angemessenen Wohnkosten unter Berücksichtigung weiterer Beihilfen durch Verordnung der Landesregierung festgesetzt.

[...]

§39.

Vertragliche Leistungen

(1) Personen, die auf Grund ihrer besonderen

persönlichen, familiären oder wirtschaftlichen Verhältnisse oder infolge außergewöhnlicher Ereignisse von Armut oder sozialer Ausschließung betroffen oder bedroht sind, können Förderungen als Hilfen in besonderen Lebenslagen zugesagt werden. Eine Hilfe in besonderen Lebenslagen kommt nur in Betracht, wenn die Notlage trotz Einsatz eigener Mittel und Kräfte nicht überwunden werden kann und die Förderung eine nachhaltige Überwindung der Notlage erwarten lässt. Eine besondere Lebenslage wird insbesondere vermutet bei

1. einmaligen, unvorhergesehenen, nicht selbst verschuldeten Aufwendungen,

2. Mietrückständen, die bei Nichtzahlung unmittelbar zur Delogierung führen (Delogierungsprävention).

(2) Personen, die nicht den österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern gleichgestellt sind und die sich für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten rechtmäßig in Österreich aufhalten, können Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung als Förderung zugesagt werden, wenn dies auf Grund ihrer persönlichen, familiären oder wirtschaftlichen Verhältnisse zur Vermeidung einer sozialen Härte geboten erscheint.

(3) Hilfen in besonderen Lebenslagen und Leistungen nach Abs2 erbringt das Land Wien als Träger der Bedarfsorientierten Mindestsicherung im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung.

(4) Förderwerberinnen und Förderwerber haben zur Überwindung der besonderen Lebenslage durch Einsatz ihrer Kräfte und Mittel entsprechend beizutragen und am Verfahren entsprechend mitzuwirken. Unterbleibt die erforderliche Mitwirkung, kann die Förderung eingestellt oder abgelehnt werden.

(5) Förderungen werden in Form von zweckgebundenen Geldleistungen zugesagt. Die Zusage kann von Bedingungen, insbesondere der Erbringung von Eigenleistungen, der Auszahlung an Dritte und der Verpflichtung zur Rückzahlung abhängig gemacht werden.

(6) Wurde die Zusage von der Verpflichtung zur Rückzahlung abhängig gemacht und treten später besonders berücksichtigungswürdige Umstände ein, kann auf die Rückforderung verzichtet werden.

(7) Eine Förderung ist zurückzuzahlen, wenn diese

durch bewusst unwahre Angaben oder durch bewusstes Verschweigen maßgebender Tatsachen erwirkt oder die Förderung nicht entsprechend der Zweckbindung verwendet wurde.

[...]

§44.

In-Kraft-Treten

(1) Dieses Gesetz tritt mit 1. September 2010 in Kraft.

(2) Die Bestimmungen des Gesetzes über die Regelung der Sozialhilfe (Wiener Sozialhilfegesetz - WSHG), Landesgesetzblatt für Wien Nr. 11/1973 in der geltenden Fassung, sind nicht mehr anzuwenden, soweit Regelungen in diesem Gesetz erfolgen. §16 WSHG tritt mit In-Kraft-Treten dieses Gesetzes außer Kraft."

3.2. Die Verordnung der Wiener Landesregierung zum Gesetz zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung in Wien in ihrer Stammfassung, LGBl. 39/2010, hat nachstehenden Wortlaut:

"Auf Grund der §§8 Abs4, 9 Abs3, 11 Abs2 und 17 Abs3 des Gesetzes zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung in Wien (Wiener Mindestsicherungsgesetz - WMG), LGBl. für Wien Nr. 38/2010, wird verordnet:

§1.

Mindeststandards und Grundbeträge zur Deckung

des Wohnbedarfs

(1) Für alleinstehende Personen und Personen, die nur mit ihnen gegenüber unterhaltsberechtigten minderjährigen oder volljährigen Kindern im gemeinsamen Haushalt leben (Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher) und für volljährige Personen, die mit anderen volljährigen Personen in Wohngemeinschaft leben, beträgt der Mindeststandard

EUR 744,01.

Dieser enthält folgenden Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs:

a) für volljährige Hilfe suchende oder empfangende

Personen EUR 186,00

b) für Personen, die das Regelpensionsalter erreicht haben oder auf die Dauer von mindestens einem Jahr arbeitsunfähige Personen EUR 100,44.

(2) Für volljährige Personen, die mit anderen

volljährigen Personen in Haushaltsgemeinschaft leben, beträgt der Mindeststandard EUR 558,01.

Dieser enthält folgenden Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs:

a) für volljährige Hilfe suchende oder empfangende

Personen EUR 139,50

b) für Personen, die das Regelpensionsalter erreicht haben oder für auf die Dauer von mindestens einem Jahr arbeitsunfähige Personen, wenn sie mit Personen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, in der Bedarfsgemeinschaft leben:

EUR 75,33

c) für volljährige Hilfe suchende oder empfangende Personen, die das Regelpensionsalter erreicht haben oder für auf die Dauer von mindestens einem Jahr arbeitsunfähige Personen, wenn bei mehr als einer Person der Bedarfsgemeinschaft diese Voraussetzungen vorliegen: EUR 50,22.

(3) Für volljährige Personen mit Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn diese einer anderen Person im gemeinsamen Haushalt gegenüber unterhaltsberechtigt sind, beträgt der Mindeststandard EUR 372,01.

Dieser enthält einen Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs in der Höhe von

EUR 93,00.

(4 ) Für minderjährige Personen, die mit zumindest einer ihnen gegenüber unterhaltspflichtigen Person im gemeinsamen Haushalt leben und für die ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, beträgt der Mindeststandard

EUR 133,92.

§2.

Mietbeihilfenobergrenzen

(1) Die Mietbeihilfenobergrenzen betragen:

  1. 1. bei 1 bis 2 Bewohnerinnen oder Bewohnern

    EUR 279,00

  1. 2. bei 3 bis 4 Bewohnerinnen oder Bewohnern

    EUR 292,00

  1. 3. bei 5 bis 6 Bewohnerinnen oder Bewohnern

    EUR 310,00

4. ab 7 Bewohnerinnen oder Bewohnern EUR 327,00.

(2) Die Mietbeihilfenobergrenzen beinhalten den

jeweiligen Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs.

§3.

Einkommensfreibeträge

Als Einkommensfreibetrag ist zu berücksichtigen

a) bei einem Einkommen bis zur Geringfügigkeitsgrenze

von EUR 366,33 EUR 55,00

b) bei einem Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze von EUR 366,33 EUR 130,00.

§4.

Vermögensfreibetrag

Als Vermögensfreibetrag sind EUR 3.720,05 zu berücksichtigen.

§5.

Taschengeld

Das Taschengeld gemäß §17 Abs3 WMG beträgt

EUR 111,60.

§6.

In-Kraft-Treten

Die Verordnung tritt mit 1. September 2010 in Kraft."

Die angeführte Verordnung wurde seither drei Mal,

zuletzt durch LGBl. 3/2012, novelliert.

III. Erwägungen

1. Die - zulässige - Beschwerde ist nicht begründet.

2. Bedenken gegen die den angefochtenen Bescheiden zugrunde liegenden Rechtsvorschriften sind - aus der Sicht des Beschwerdefalls - nicht entstanden:

2.1. Das Wiener Mindestsicherungsgesetz ist unter

anderem vor dem Hintergrund der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art15a B-VG über die bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung (im Folgenden: Art15a B-VG-Vereinbarung) zu verstehen. Diese umfasst ein Bündel von Maßnahmen in den Bereichen der Sozialhilfe sowie der Arbeitslosen- und Krankenversicherung. Gemäß Art2 Abs1 der Art15a B-VG-Vereinbarung ist die Mindestsicherung "durch pauschalierte Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes, jeweils außerhalb von stationären Einrichtungen, sowie durch die bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung erforderlichen Leistungen zu gewährleisten". Die Art15a B-VG-Vereinbarung sieht ein bestimmtes Mindestniveau vor, das in allen Bundesländern zu gewährleisten ist (Art10 ff. der Art15a B-VG-Vereinbarung). Darüber hinaus gehende Regelungen können weiterhin in den sozialhilferechtlichen Landesgesetzen getroffen werden (Art2 Abs4 der Art15a B-VG-Vereinbarung).

2.2. Vor diesem Hintergrund ist die vom

Beschwerdeführer unter dem Aspekt des Art18 B-VG als verfassungswidrig erachtete Übergangsbestimmung des §44 Abs2 WMG zu lesen, welcher zufolge die Bestimmungen des Wiener Sozialhilfegesetzes - nur insoweit - nicht mehr anzuwenden sind, als Regelungen im Wiener Mindestsicherungsgesetz erfolgen. §44 Abs2 WMG begegnet dabei keinen verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf Art18 B-VG: Im Wege einer materiellen Derogation legt diese Bestimmung fest, dass jene Bestimmungen des Wiener Sozialhilfegesetzes, die Bereiche betreffen, in denen nunmehr durch das Wiener Mindestsicherungsgesetz - infolge der Art15a B-VG-Vereinbarung - Regelungen getroffen werden, nicht mehr anzuwenden sind. Unberührt bleiben nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes demgemäß zum Beispiel die Regelungen im Wiener Sozialhilfegesetz betreffend Pflege (§15 leg.cit.) sowie soziale Dienste (§§22 - 22c leg.cit.). Der Verfassungsgerichtshof hegt somit keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen §44 Abs2 WMG. Dieses Verständnis des §44 Abs2 WMG wird auch durch die Art15a B-VG-Vereinbarung (vgl. deren Art2, 3 und 10) bestätigt.

2.3. Die belangte Behörde geht davon aus, dass das Wiener Mindestsicherungsgesetz Regelungen, "wonach Geldleistungen für nicht durch den Richtsatz gedeckte Bedarfe im Rahmen des Lebensunterhaltes zuerkannt werden konnten, [...] im Hinblick auf die nunmehr erhöhten Pauschalen" nicht mehr enthalte. Dem kann aus verfassungsrechtlicher Perspektive nicht entgegengetreten werden:

Das Wiener Sozialhilfegesetz gewährte vor

Inkrafttreten des Wiener Mindestsicherungsgesetzes Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes, zu dem gemäß §11 Abs1 Z1 WSHG der Lebensunterhalt gehörte, der nach §12 leg.cit.

"insbesondere Unterkunft, Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Beheizung, Beleuchtung, Kochfeuerung und andere persönliche Bedürfnisse [...]" umfasste. Zur Sicherung des Lebensunterhalts waren Geldleistungen durch in der Verordnung der Wiener Landesregierung festzusetzende Richtsätze vorgesehen. Gemäß §13 Abs6 WSHG war der nicht durch den Richtsatz gedeckte Bedarf im Rahmen des Lebensunterhaltes, insbesondere Unterkunft, Bekleidung, Hausrat und Beheizung, durch zusätzliche - im Ausmaß nach den Erfordernissen des einzelnen Falles zu bemessende - Geld- oder Sachleistungen zu decken.

In der Begründung seiner Beschwerde geht der Beschwerdeführer davon aus, dass §13 Abs6 WSHG nach wie vor anzuwenden sei, weil diesbezüglich keine vergleichbare Regelung im Wiener Mindestsicherungsgesetz erfolgt sei. Dieser Ansicht vermag sich der Verfassungsgerichtshof jedoch nicht anzuschließen: Das Wiener Mindestsicherungsgesetz deckt gemäß seinem §3 Abs1 den Mindeststandard in den Bedarfsbereichen Lebensunterhalt, Wohnen, Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung ab. Der Lebensunterhalt umfasst gemäß §3 Abs2 WMG "den Bedarf an Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und Energie sowie andere persönliche Bedürfnisse, zu denen auch die soziale und kulturelle Teilhabe zählt"; dies deckt sich nahezu wortgleich mit der Regelung des §12 WSHG. Das Wiener Mindestsicherungsgesetz hat für diesen Bereich also eigene Regelungen getroffen, weshalb die diesbezüglichen Bestimmungen des Wiener Sozialhilfegesetzes - einschließlich §13 Abs6 WSHG - gemäß §44 Abs2 WMG nicht mehr anzuwenden sind. Eine dem §13 Abs6 WSHG vergleichbare Regelung enthält das Wiener Mindestsicherungsgesetz nicht; zusätzlich zu den Mindeststandards bzw. der Wohnbeihilfe besteht allerdings - in Entsprechung des Art12 der Art15a B-VG-Vereinbarung - gemäß §39 WMG die Möglichkeit, Förderungen als Hilfen in besonderen Lebenslagen auf privatrechtlicher Grundlage zu erhalten.

2.4. Zu prüfen bleibt daher, ob das Wiener Mindestsicherungsgesetz mit seinem System der Abdeckung des Lebensunterhalts durch pauschal in der Verordnung zum Gesetz zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung festgesetzte Mindeststandards grundsätzlich bzw. ob die konkrete Höhe dieser Mindeststandards sachlich ist:

2.4.1. Der Wiener Landesgesetzgeber legte die Mindeststandards nicht willkürlich fest, sondern orientierte sich - in Entsprechung des Art10 der Art15a B-VG-Vereinbarung - am Ausgleichszulagenrichtsatz nach §293 Abs1 lita sublit. bb ASVG (25% dieses Betrages gelten gemäß §8 Abs1 WMG iVm Art11 der Art15a B-VG-Vereinbarung als Wohnbedarf). Gegen eine pauschale Festsetzung von Mindeststandards in einer bundesweiten Durchschnittsbetrachtung bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. zur Zulässigkeit pauschalierender, auf eine Durchschnittsbetrachtung abstellender Regelungen zB VfSlg. 9258/1981, 10.089/1984, 16.485/2002, 17.315/2004).

2.4.2. Der Verfassungsgerichtshof kann auch keine unsachliche Schlechterstellung des Beschwerdeführers hinsichtlich der Höhe seiner Ansprüche nach dem Wiener Mindestsicherungsgesetz im Vergleich zu seinen Ansprüchen nach den - nun nicht mehr anwendbaren - Bestimmungen des Wiener Sozialhilfegesetzes und der Richtsatz-Verordnung erkennen. Als alleinerziehender Vater seiner drei minderjährigen Kinder ist der Beschwerdeführer nämlich in der Summe seiner höchstmöglichen fixen Ansprüche nach dem Wiener Mindestsicherungsgesetz in Verbindung mit der dazu ergangenen Verordnung (bereits) in ihrer Stammfassung, LGBl. 39/2010 (vgl. oben Pkt. II.3.2.), besser gestellt als zuvor nach dem Wiener Sozialhilfegesetz in Verbindung mit der Richtsatz-Verordnung in ihrer letzten Fassung, LGBl. 4/2010 (vgl. oben Pkt. II.1.2.). Vor dem Hintergrund der höheren Pauschalen nach der Verordnung zum Wiener Mindestsicherungsgesetz begegnet auch der Umstand, dass das Wiener Mindestsicherungsgesetz keine dem §13 Abs6 WSHG - wonach zusätzlich zu den in der Richtsatz-Verordnung festgelegten Ansprüchen auch noch die Abdeckung von Sonderbedarf durch (nicht näher bestimmte) Geld- oder Sachleistungen beantragt werden konnte - vergleichbare Regelung enthält, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, zumal im Wege des §39 Abs1 WMG Personen, die auf Grund ihrer besonderen persönlichen, familiären oder wirtschaftlichen Verhältnisse oder infolge außergewöhnlicher Ereignisse von Armut oder sozialer Ausschließung betroffen oder bedroht sind, auf privatrechtlicher Grundlage immer noch Förderungen als Hilfen in besonderen Lebenslagen gewährt werden können.

2.4.3. Soweit der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Höhe der Mindeststandards vorbringt, der Mindeststandard für ein unterhaltsberechtigtes Kind orientiere sich nicht an den tatsächlichen Bedürfnissen von Kindern und sei jedenfalls zu niedrig bemessen, ist dem zu entgegnen, dass der in §1 Abs4 WMG-VO festgesetzte Mindeststandard für ein unterhaltsberechtigtes Kind nahezu dieselbe Höhe wie der diesbezügliche Richtsatz gemäß §1 Abs1 Z2 litb Richtsatz-VO erreicht.

2.5. Die Bedenken des Beschwerdeführers, wonach §44 Abs1 WMG hinsichtlich des Inkrafttretens des Wiener Mindestsicherungsgesetzes auf das Inkrafttreten der Art15a B-VG-Vereinbarung abstelle und derart eine unzulässige dynamische Verweisung sei, gehen schon deshalb ins Leere, weil die genannte Bestimmung bereits mit LGBl. 2/2011 rückwirkend dahingehend geändert wurde, dass das Wiener Mindestsicherungsgesetz "mit 1. September 2010 in Kraft" trat.

2.6. Soweit der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen seine Rechte nach Art3 EMRK darin erblickt, dass das Wiener Mindestsicherungsgesetz das Ziel der "Führung eines menschenwürdigen Lebens" nicht mehr nenne, ist festzuhalten, dass allein das Fehlen der Anführung einer derartigen Zielvorstellung das Wiener Mindestsicherungsgesetz noch nicht in Widerspruch zu Art3 EMRK - oder einem sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht - setzt. Aus den angeführten Bestimmungen des Wiener Mindestsicherungsgesetzes in Verbindung mit der Art15a B-VG-Vereinbarung über die Bedarfsorientierte Mindestsicherung ergibt sich die klare Zielsetzung der Ermöglichung der Führung eines menschenwürdigen Lebens. Die Erreichung dieses Ziels wird auch durch die Möglichkeit zusätzlicher vertraglicher Leistungen im Sinne des §39 WMG gewährleistet.

3. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Angesichts der verfassungsrechtlichen

Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Behörde diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB

VfSlg. 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).

3.1. Keiner dieser Mängel liegt hier jedoch vor: Der UVS Wien begründet die Abweisungen der Berufungen des Beschwerdeführers jedenfalls denkmöglich und nachvollziehbar damit, dass die in §§1 und 2 WMG-VO iVm §§3, 8 und 9 WMG normierten Mindeststandards die Leistungen zur Deckung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfes abschließend festlegen und das Wiener Mindestsicherungsgesetz im Hinblick auf die erhöhten Pauschalen keine §13 Abs6 WSHG vergleichbare Regelung mehr enthält.

3.2. Abgesehen von den in der Beschwerde

aufgeworfenen Bedenken betreffend die durch die belangte Behörde angewendeten Rechtsvorschriften stellen sich im vorliegenden Fall bloß einfachgesetzliche Fragen, deren Klärung nicht in die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes fällt. Dies gilt auch für die behauptete "denkunmögliche Beurteilung der Kürzung mangels Einsatzes der Arbeitskraft gemäß §15 Abs1 Wiener Mindestsicherungsgesetz" im Zusammenhang mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei nicht in der Lage, "die Fahrtkosten zum Arbeitsmarktservice zu bestreiten".

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, dass er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

2. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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