VfGH B108/80

VfGHB108/8021.9.1984

StGG Art8; Eingriff in das Recht auf persönliche Freiheit durch Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe

StVO 1960; keine willkürliche oder denkunmögliche Bestrafung wegen Lenkens eines PKW in durch Alkohol beeinträchtigtem Zustand gemäß §99 Abs1 lita iVm. §5 Abs1

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art5
StGG Art8
StVO 1960 §5 Abs1
StVO 1960 §99 Abs1 lita
VStG §16
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art5
StGG Art8
StVO 1960 §5 Abs1
StVO 1960 §99 Abs1 lita
VStG §16

 

Spruch:

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferk. der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Floridsdorf, vom 13. Oktober 1978 wurde der Bf. für schuldig befunden, eine Verwaltungsübertretung nach §99 Abs1 lita iVm. §5 Abs1 StVO begangen zu haben, weil er am 2. Juli 1978 um 0.30 Uhr in Wien, J K-Gasse, den PKW W ... in einem durch Alkohol beeinträchtigtem Zustand gelenkt habe, und nach erstzitierter Gesetzesstelle mit einer Geldstrafe von 5000 S, im Falle der Uneinbringlichkeit mit einer Arreststrafe in der Dauer von 7 Tagen bestraft.

1.2. Mit dem über die vom Bf. erhobene Berufung ergangenen Bescheid der Wr. Landesregierung vom 18. Dezember 1979, Z MA 70-IX/R 397/78/Str, wurde dieses Straferk. mit der Richtigstellung bestätigt, daß statt der Worte "in der Zeit" das Wort "gegen" einzufügen sei.

2.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz auf persönliche Freiheit behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

2.2. Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

3. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

3.1. Der Bf. lastet der bel. Beh. Willkür an, weil aus dem bloßen Umstand, daß er in alkoholisiertem Zustand in seinem KFZ gelegen hatte und die Warnblinkanlage eingeschaltet gewesen sei, nicht darauf geschlossen werden könne, daß er das Fahrzeug in alkoholisiertem Zustand auch gelenkt habe. Im angefochtenen Bescheid fehlten Feststellungen, welche erlauben würden, einen Schuldspruch "wegen Inbetriebnahme des Fahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand" zu fällen. Da im Straferk. nicht ausgeführt werde, welche Angaben der Meldungsleger gemacht habe, sei die Entscheidung unüberprüfbar, was dem Gebot widerspreche, daß sich aus der Begründung ergeben müsse, warum ein bestimmter Sachverhalt aufgrund freier Beweiswürdigung als gegeben angenommen werde. Die den Schuldspruch begründende Feststellung, daß er in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand einen PKW gelenkt habe, werde bloß darauf gegründet, daß er alkoholisiert in diesem PKW schlafend angetroffen worden sei.

Der Bf. beantragt festzustellen, daß die bel. Beh. ihn durch unbegründete Anhaltung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt habe, und begehrt weiters, das angefochtene Straferk. aufzuheben.

3.2. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8866/1980, 9015/1981) durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nur verletzt werden, wenn dieser auf einer mit dem Gleichheitsgebot in Widerspruch stehenden Rechtsgrundlage beruht oder wenn die Behörde Willkür geübt hat.

Der durch Verhängung der Ersatzfreiheitsstrafe in das Recht auf persönliche Freiheit vorgenommene Eingriff (vgl. VfSlg. 8244/1978) wäre nach der ständigen Rechtsprechung verfassungswidrig, wenn die Behörde gesetzlos vorgegangen wäre oder das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte (vgl. VfSlg. 8762/1980).

Der angefochtene Bescheid stützt sich in materiell-rechtlicher Hinsicht auf §5 Abs1 und §99 Abs1 lita StVO 1960. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der zitierten Bestimmungen wurden vom Bf. nicht geltend gemacht; auch sonst sind im Verfahren verfassungsrechtliche Bedenken dagegen nicht entstanden (vgl. VfSlg. 5056/1966, 6119/1970, 6578/1971, 6580/1971, 7251/1974, 7540/1975, 8496/1979).

Die behaupteten Grundrechtsverletzungen lägen daher nur vor, wenn die Behörde willkürlich vorgegangen wäre oder wenn sie das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte. Beides ist jedoch offensichtlich nicht der Fall.

Die bel. Beh. begründet den Schuldspruch damit, daß sie der Anzeige des Meldungslegers mehr Glauben geschenkt habe, als den Angaben des Berufungswerbers. Der Meldungsleger unterliege aufgrund des Diensteides der Wahrheitspflicht, eine solche Verpflichtung treffe den Bf. als Beschuldigten nicht; der Bf. habe vielmehr ein persönliches Interesse, straflos zu bleiben, und sei daher eher geneigt, zu seinen Gunsten sprechende Angaben zu machen. Der Bf. sei dem Meldungsleger persönlich auch nicht bekannt gewesen, dieser habe lediglich seine Dienstobliegenheiten erfüllt. Die Verantwortung des Bf. laufe im Ergebnis auch lediglich auf die Behauptung hinaus, daß ein Irrtum des Meldungslegers anzunehmen sei. Dem ist nach Ansicht der bel. Beh. jedoch entgegenzuhalten, daß es sich beim Meldungsleger um einen "erfahrenen Dienstbeamten" der Bundespolizeidirektion Wien handelte. Nach dessen Bericht und bei realistischer Betrachtung der gegebenen Situation sei anzunehmen, daß der Bf. durch seine Alkoholisierung veranlaßt worden sei, sein KFZ am Fahrbahnrand abzustellen, womit aber auch feststehe, daß der Bf. das Fahrzeug vorher in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe.

Diese Ausführungen des angefochtenen Bescheides stehen im Einklang mit dem Protokoll des Meldungslegers vom 2. Juli 1978, in welchem abschließend ausdrücklich festgehalten ist, daß "R (der Beschwerdeführer) meinte, er hätte nur einige 'Gespritzte' getrunken. Wieviel, könne er sich nicht mehr erinnern. Auf jeden Fall sei er selber gefahren und hätte nach dem Anhalten nichts mehr getrunken". Nichts deutet auf Umstände hin, die die Richtigkeit der Meldungslegung in Zweifel ziehen würden.

Der VfGH kann bei dieser Sachlage weder finden, daß die bel. Beh. willkürlich vorgegangen ist, noch daß sie das Gesetz denkunmöglich angewendet hat. Die behauptete Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte liegt somit nicht vor.

3.3. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

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