VfGH B1083/06

VfGHB1083/065.12.2007

Verletzung im Eigentumsrecht durch Vorschreibung eines Säumniszuschlages zur Kammerumlage der Ärztekammer mangels Rechtsgrundlage für den in Betracht kommenden Zeitraum 2001 bis 2003

Normen

StGG Art5
ÄrzteG 1998 §91 Abs4 idF BGBl I 179/2004
UmlagenO der Ärztekammer für Wien für das Jahr 2001 §3
UmlagenO der Ärztekammer für Wien für die Jahre 2005 und 2006 §5
StGG Art5
ÄrzteG 1998 §91 Abs4 idF BGBl I 179/2004
UmlagenO der Ärztekammer für Wien für das Jahr 2001 §3
UmlagenO der Ärztekammer für Wien für die Jahre 2005 und 2006 §5

 

Spruch:

I. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid, soweit er die Vorschreibung eines Säumniszuschlages für die Jahre 2001 bis 2003 betrifft, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

Der Bescheid wird insoweit aufgehoben.

Die Ärztekammer für Wien ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreterin die mit € 1.260,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

II. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Insoweit wird die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Der Beschwerdeführer ist als Arzt in Wien tätig. Mit gesonderten Bescheiden setzte der Präsident der Ärztekammer für Wien die für die Jahre 2001 bis 2003 bestimmten Kammerumlagen der Ärztekammer für Wien und zur Österreichischen Ärztekammer zuzüglich eines Säumniszuschlages gemäß §5 Abs3 der Umlagenordnung in der Höhe von 10% der aushaftenden Umlagenverpflichtung fest. Die dagegen erhobenen Beschwerden wurden vom Vorstand der Ärztekammer für Wien mit Bescheid vom 31. Mai 2006 in einem abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde. In ihr begehrt der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides und behauptet, durch diesen in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums als auch Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung verletzt worden zu sein.

Die belangte Behörde legte den Verwaltungsakt vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

II. Zur Rechtslage:

1.1. §91 des Bundesgesetzes über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 - ÄrzteG 1998), BGBl. I 169, lautete:

"§91(1) Zur Bestreitung des Sachaufwandes, des Aufwandes für die Organe, des Personalaufwandes und der anderen finanziellen Erfordernisse für die Durchführung der den Ärztekammern übertragenen Aufgaben (§84), ausgenommen für den Wohlfahrtsfonds, sowie zur Erfüllung der gegenüber der Österreichischen Ärztekammer bestehenden Umlageverpflichtung heben die Ärztekammern von sämtlichen Kammerangehörigen die Kammerumlage ein.

(2) ...

(3) Die Umlagen sind unter Bedachtnahme auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und unter Berücksichtigung der Art der Berufsausübung der Kammerangehörigen festzusetzen. Die Höchstgrenze der Kammerumlage beträgt 3 vH der Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit. Die Umlagenordnung kann einen Mindestsatz für die Kammerumlage vorsehen.

(4) Die Umlagenordnung hat nähere Bestimmungen, insbesondere über die Festsetzung und Entrichtung der Kammerumlage und der monatlichen oder vierteljährlichen Vorauszahlungen sowie über die Einbehalte der Kammerumlage und Vorauszahlungen vom Kassenhonorar durch die gesetzlichen Sozialversicherungsträger und Krankenfürsorgeanstalten bei Vertragsärzten, vorzusehen. Die Umlagenordnung kann vorsehen, daß Kammerangehörige, die den ärztlichen Beruf nicht ausschließlich in einem Dienstverhältnis ausüben, verpflichtet sind, alljährlich bis zu einem in der Umlagenordnung zu bestimmenden Zeitpunkt schriftlich alle für die Errechnung der Kammerumlage erforderlichen Angaben zu machen und auf Verlangen die geforderten Nachweise über die Richtigkeit dieser Erklärung vorzulegen; wenn dieser Verpflichtung nicht rechtzeitig und vollständig entsprochen wird, erfolgt die Vorschreibung auf Grund einer Schätzung; diese ist unter Berücksichtigung aller für die Errechnung der Kammerumlage bedeutsamen Umstände vorzunehmen.

(5) bis (10) ..."

1.2. Mit der 6. ÄrzteG-Novelle, BGBl. I 179/2004, wurde §91 Abs4 ÄrzteG 1998 folgender Satz, der am 31. Dezember 2004 in Kraft getreten ist, angefügt:

"Für diesen Fall kann die Umlagenordnung die Zahlung eines einmaligen Säumniszuschlages, der 10vH der festzusetzenden Kammerumlage nicht übersteigen darf und bei dessen Festsetzung alle bedeutsamen Umstände, insbesondere die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Kammerangehörigen, zu berücksichtigen sind, vorsehen."

2.1. §3 der Umlagenordnung der Ärztekammer für Wien für das Jahr 2001, beschlossen in der Sitzung der Vollversammlung der Ärztekammer für Wien vom 11. Dezember 2001, kundgemacht in "doktorinwien" 4/2002, rückwirkend am 1. Jänner 2001 in Kraft getreten, lautete:

"§3 Verfahren zur Berechnung und Einhebung der endgültigen Kammerumlage

(1) Die Bestimmungen des Abschnittes IV Abs5 bis 7 sowie Abs10 und 11 der Beitragsordnung für den Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien sind auf die vorläufige und endgültige Festsetzung der Umlage sinngemäß anzuwenden.

(2) Nach Ablauf des Kalenderjahres ist die endgültige Kammerumlage festzusetzen und dem Kammermitglied mitzuteilen. Ergibt die endgültige Festsetzung der Kammerumlage ein Guthaben, ist dieses zurückzuzahlen. Ergibt die Festsetzung der Kammerumlage eine Nachzahlungsverpflichtung, so ist der Nachzahlungsbetrag zur Zahlung vorzuschreiben. Sowohl Rückzahlung von Guthaben als auch Nachzahlungen haben binnen vier Wochen nach Rechtskraft des jeweiligen Bescheides zu erfolgen.

Für offene Nachzahlungsverpflichtungen werden ab Fälligkeit Verzugszinsen in Höhe von 6-Euribor plus 2 % p.a. verrechnet."

2.2. In den Umlagenordnungen der Ärztekammer für Wien für die Jahre 2002 und 2003 blieb §3 bis auf nähere Regelungen hinsichtlich der Feststellung des 6-Monat-Euribor unverändert.

2.3. §5 der Umlagenordnung der Ärztekammer für Wien für die Jahre 2005 und 2006, beschlossen in der Sitzung der Vollversammlung der Ärztekammer für Wien vom 6. Dezember 2005, kundgemacht in "doktorinwien" 05/06, am 1. Jänner 2005 in Kraft getreten, lautete:

"§5 Verfahren zur Berechnung und Einhebung der endgültigen Kammerumlagen

(1) bis (2) ...

(3) Wird der Verpflichtung gemäß Abs1 oder 2 nicht zeitgerecht und vollständig entsprochen, erfolgt die Festsetzung und Vorschreibung der Kammerumlagen nach Vornahme einer Schätzung der aus ärztlicher Tätigkeit erzielten Einkünfte des Kammermitglieds. Sind die gemäß §91 Abs3 bis 6 ÄrzteG für die Errechnung der Kammerumlagen bedeutsamen Umstände nicht ermittelbar oder nicht ausreichend, ist der Referenzwert der jeweiligen Arztgruppe heranzuziehen. Für zu schätzende Kammerumlagen wird ein Säumniszuschlag in der Höhe von 10 v. H. der aushaftenden Kammerumlagen verrechnet.

(4) bis (6) ..."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

A. Die Beschwerde ist, soweit der angefochtene Bescheid die Vorschreibung eines Säumniszuschlages bestätigt, begründet:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid des Vorstandes der Ärztekammer für Wien vom 31. Mai 2006 werden Beschwerden gegen die Schätzbescheide für die Kammerumlagen für die Jahre 2001 bis einschließlich 2003 und die Erhöhung der jeweiligen aushaftenden Kammerumlagen um einen Säumniszuschlag in Höhe von 10% abgewiesen.

2. Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Gerichtshofes (zB VfSlg. 13.587/1993 mwN, 15.364/1998, 15.768/2000, 16.113/2001, 16.430/2002) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

3. Ein derartiger in die Verfassungssphäre reichender Fehler ist der Behörde jedoch bei Erlassung des Bescheides vorzuwerfen:

Bei dem Säumniszuschlag handelt es sich nicht um eine Folge der Säumigkeit mit der Zahlung, sondern um eine Sanktion aufgrund des Verstoßes gegen die Meldepflichten.

Durch den Säumniszuschlag sollte eine öffentlich-rechtliche Belastung eigener Art für einen bestimmten Zeitraum geschaffen werden, um die Folgen mangelnder Pflichterfüllung zu sanktionieren.

Wenn die Behörde davon ausgeht, dass die Vorschreibung eines Säumniszuschlages für die Jahre 2001 bis 2003 zulässig wäre, übersieht sie, dass keine Grundlage für die Erhebung eines Säumniszuschlages für den in Betracht kommenden Zeitraum, nämlich für die Jahre 2001 bis 2003, existiert. Daran mag auch der Umstand nichts zu ändern, dass seit 1. Jänner 2005 für Pflichtverletzungen iSd §91 Abs4 ÄrzteG 1998 sowohl das Gesetz als auch die Umlagenordnung die Festlegung eines Säumniszuschlages erlaubt.

Dadurch, dass die Behörde jedoch für die Jahre 2001 bis 2003 - und somit für einen Zeitraum, in welchem keine Rechtsgrundlage zur Vorschreibung eines Säumniszuschlages vorhanden war - einen Säumniszuschlag erhob, hat sie einen derart schweren Fehler begangen, dass der angefochtene Bescheid im Umfang der Vorschreibung des Säumniszuschlages aufzuheben war.

B. Insoweit sich die Beschwerde gegen die Vorschreibung der Kammerumlage an sich wendet, hat sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg; auch ist die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten (Art144 Abs2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Soweit die Beschwerde aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als die Rechtswidrigkeit der den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften behauptet wird, lässt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zur Zulässigkeit der Vorschreibung einer Kammerumlage VfSlg. 16.908/2003 mwH) die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

Die Angelegenheit ist auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen.

Demgemäß wurde beschlossen, insoweit von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen und sie gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

IV. 1. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satzund §19 Abs3 Z1 VfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

2. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. Der zugesprochene Betrag enthält Umsatzsteuer in der Höhe von € 180,-

sowie den Ersatz der entrichteten Eingabengebühr (§17a VfGG) in der Höhe von € 180,-.

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