VfGH B1077/91

VfGHB1077/9116.3.1995

Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und im Gleichheitsrecht durch die Zurückweisung von Anträgen auf Gewährung von Akteneinsicht und auf Zustellung des Bescheides betreffend die Verleihung der Planstelle eines Universitätsprofessors; keine Bescheidzustellung und kein selbständig anfechtbarer Bescheid über die Gewährung von Akteneinsicht vor Abschluß des Besetzungsverfahrens

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
AVG §17
AVG §62
UOG §28
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
AVG §17
AVG §62
UOG §28

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird daher abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer, Dozent an der Universität Graz und Professor (C 4) an der Freien Universität Berlin, bewarb sich neben anderen Personen um die öffentlich ausgeschriebene Planstelle eines Ordentlichen Universitätsprofessors für Geburtshilfe und Gynäkologie an der Medizinischen Fakultät der Universität Graz.

Nachdem der Beschwerdeführer, der in dem - die Namen dreier Kandidaten enthaltenden - Besetzungsvorschlag der vom Fakultätskollegium der Medizinischen Fakultät der Universität Graz eingesetzten Berufungskommission an erster Stelle gereiht war, gerüchteweise erfahren hatte, daß mit dem an zweiter Stelle gereihten Kandidaten Berufungsverhandlungen aufgenommen worden seien, ersuchte er den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung um Mitteilung des Standes der Angelegenheit. Es wurde ihm daraufhin schriftlich mitgeteilt, daß zwischenzeitig entschieden worden sei, mit dem an zweiter Stelle gereihten Kandidaten Berufungsverhandlungen aufzunehmen.

Daraufhin stellte der Beschwerdeführer an den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung die Anträge, ihm Akteneinsicht zu gewähren, die Abgabe einer Stellungnahme zu ermöglichen und den Bescheid, mit dem die Planstelle besetzt wird, zuzustellen.

2. Der Bundesminister für Wissenschaft und Forschung wies diese Anträge mit Bescheid vom 31. Juli 1991 zurück. Zur Begründung der Zurückweisung führte er aus, daß dem Beschwerdeführer weder ein Rechtsanspruch auf die Aufnahme von Berufungsverhandlungen noch auf die Begründung eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses zum Bund eingeräumt sei und ihm daher die Parteistellung fehle.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, mit der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof begehrt wird.

4. Der Bundesminister für Wissenschaft und Forschung hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde sowie des Antrages auf deren Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof begehrt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat aus Anlaß dieser Beschwerde mit Beschluß vom 15. Juni 1994, B 1077/91-16, gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen das Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Bestimmungen des UOG eingeleitet. Dieses Verfahren wurde mit Beschluß vom 9. März 1995, G218/94, eingestellt, weil in seinem Verlauf der Mangel der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmungen hervorgekommen war.

III. Der Verfassungsgerichtshof

hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Angesichts des zurückweisenden Bescheides der belangten Behörde hat der Verfassungsgerichtshof geprüft, ob der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt wurde. Dies wäre u.a. dann der Fall, wenn die Behörde in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit abgelehnt hätte (zB VfSlg. 9696/1983) oder indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigerte (zB VfSlg. 10374/1985, 11160/1986).

2. Eine rechtswidrige Verweigerung einer Sachentscheidung ist dem von der belangten Behörde erlassenen Zurückweisungsbescheid jedoch aus folgenden Gründen nicht zur Last zu legen:

Mit dem angefochtenen Bescheid wurden Anträge des Beschwerdeführers zurückgewiesen, ihm Akteneinsicht zu gewähren und den Bescheid zuzustellen, mit dem die Planstelle eines ordentlichen Universitätsprofessors für Geburtshilfe und Gynäkologie an der medizinischen Fakultät der Universität Graz auf Grund des Besetzungsvorschlages der vom Fakultätskollegium in der Fakultät eingesetzten Berufungskommission besetzt wird. Der Verfassungsgerichtshof kann im vorliegenden Zusammenhang dahingestellt sein lassen, ob die von der belangten Behörde zur Begründung der Zurückweisung der geschilderten Anträge des Beschwerdeführers herangezogene Rechtsmeinung, derzufolge dem Beschwerdeführer die Parteistellung im Besetzungsverfahren fehlte, richtig ist. Auch eine möglicherweise unrichtige Begründung macht einen an sich rechtmäßigen Bescheid nicht rechtswidrig (vgl. Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, I. Bd, 1987, 530, sowie die dort, 534, unter E 20. und E 21. zitierten Entscheidungen des VwGH; zufolge VfSlg. 6136/1970 und 8981/1980 kann durch eine unrichtige Begründung einer an sich richtigen Entscheidung - von Ausnahmefällen abgesehen - ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht nicht verletzt werden).

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde nämlich zum Zeitpunkt seiner Erlassung eine Sachentscheidung über die Anträge des Beschwerdeführers - unabhängig von der Frage seiner Parteistellung im Besetzungsverfahren - von der belangten Behörde zu Recht verweigert. Wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Judikatur (vgl. VfSlg. 3148/1957, 8704/1979, 8780/1980, 8926/1980, 9763/1983) dargetan hat, ist ein Bescheid auf Grund der Sach- und Rechtslage zu überprüfen, die zum Zeitpunkt seiner Erlassung bestand. Da zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides, d.i. der 22. August 1991, noch keine Ernennung auf Grund des Besetzungsvorschlages erfolgt war, (das Ernennungsdekret GZ 110172/2-12/91 wurde lt. Auskunft des BMWF am 14. Oktober 1991 übernommen), kam zum genannten Zeitpunkt auch die vom Beschwerdeführer begehrte Zustellung des Ernennungsbescheides von vornherein nicht in Betracht. Mangels Vorliegens einer Ernennung konnte zu jenem Zeitpunkt die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag auf Zustellung des - noch - nicht existenten Ernennungsbescheides nur zurückweisen. Der Verfassungsgerichtshof hatte im Hinblick auf die von ihm wahrzunehmende Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf das Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht zu prüfen, ob die Erlassung eines Bescheides zum genannten Zeitpunkt in jeder Hinsicht verfahrensrechtlich korrekt war.

Angesichts des zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht abgeschlossenen Besetzungsverfahrens ist auch der über den Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht ergangene zurückweisende Bescheid nicht zu beanstanden. Besaß der Beschwerdeführer nämlich - entgegen der Annahme der belangten Behörde - Parteistellung im Besetzungsverfahren, so hatte er vor Abschluß des Verfahrens keinen Anspruch auf Erlassung eines selbständigen Bescheides zur Durchsetzung seines Rechtes auf Akteneinsicht (§17 Abs4 AVG): die Verweigerung der Akteneinsicht im Zuge eines anhängigen Verwaltungsverfahrens erfolgt durch Verfahrensanordnung, sodaß das Beharren des Beschwerdeführers auf Erlassung eines abgesonderten verfahrensrechtlichen Bescheides über die Frage der Akteneinsicht nur zur Zurückweisung führen konnte. Kam dem Beschwerdeführer hingegen im Besetzungsverfahren - entsprechend der Auffassung der belangten Behörde - keine Parteistellung zu, so war sein Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht erst recht zurückzuweisen, weil das Recht auf Akteneinsicht nur den Parteien des Verfahrens eingeräumt ist (§17 Abs1 und 2 AVG).

Da sohin zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides die Zurückweisung der Anträge des Beschwerdeführers zu Recht erfolgte, hat die belangte Behörde keinesfalls eine Sachentscheidung verweigert, die der gesetzwidrigen Ablehnung ihrer Zuständigkeit gleichkäme. Der Beschwerdeführer ist sohin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht verletzt worden.

Auch die gleichheitswidrige Auslegung der angewendeten Verfahrensvorschriften oder das Vorliegen von Willkür, wie vom Beschwerdeführer behauptet, ließ sich im Verfahren nicht erweisen. Der Beschwerdeführer ist sohin auch in dem von ihm geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nicht verletzt worden.

Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen und gemäß Art144 Abs3 B-VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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