Normen
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
DVG §10
UOG §28
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
DVG §10
UOG §28
Spruch:
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit S 29.500,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. a) Der Beschwerdeführer, Dozent an der Universität Graz und Professor (C 4) an der Freien Universität Berlin, bewarb sich neben anderen Personen um die öffentlich ausgeschriebene Planstelle eines ordentlichen Universitätsprofessors für Geburtshilfe und Gynäkologie an der medizinischen Fakultät der Universität Graz. Er wurde in den - die Namen dreier Kandidaten enthaltenden - Besetzungsvorschlag, der vom Fakultätskollegium der medizinischen Fakultät der Universität Graz eingerichteten Berufungskommission an erster Stelle gereiht. Ungeachtet dessen führte der Bundesminister (damals:) für Wissenschaft und Forschung Berufungsverhandlungen mit dem zweitgereihten Kandidaten Dr. W., die schließlich zur Ernennung dieser Person führten. Mit (Intimations-) Bescheid des Bundesministers vom 30. September 1991 wurde dies Dr. W. mitgeteilt.
b) Der - erstmals schon während des Berufungsverfahrens gestellte - Antrag des übergangenen Erstgereihten und nunmehrigen Beschwerdeführers auf Akteneinsicht und Zustellung des Bescheides wurde - nachdem zwei Versuche mißlungen waren (vgl. die nähere Darstellung in VfSlg. 14.089/1995, 14.590/1996 und 15.365/1998) - mit Bescheid des Bundesministers (damals:) für Wissenschaft und Verkehr vom 31. Mai 1997 (neuerlich) abgewiesen; mit Erkenntnis vom 11. Dezember 1998 (VfSlg. 15.365/1998) behob der Verfassungsgerichtshof diesen Bescheid wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.
2. In der Folge stellte der Bundesminister den eingangs erwähnten Bescheid vom 30. September 1991, mit dem der damals auf dem Besetzungsvorschlag Zweitgereihte zum ordentlichen Universitätsprofessor bestellt worden war, dem Beschwerdeführer zu und gewährte ihm sodann Akteneinsicht.
Der dem Beschwerdeführer nunmehr zugestellte Bescheid vom 30. September 1991 enthält keinerlei Begründung. Gegen ihn wendet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu deren Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof, begehrt wird.
3. a) Der Bundesminister hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der er beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und keine Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof vorzunehmen.
b) Der durch den bekämpften Bescheid zum ordentlichen Universitätsprofessor ernannte Dr. W. hat als Beteiligter des verfassungsgerichtlichen Verfahrens ebenfalls eine Äußerung erstattet, in der er die Auffassung vertritt, daß das seinerzeitige Berufungsverfahren rechtmäßig gewesen sei.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde wird die Auffassung vertreten, die belangte Behörde sei bei Erlassung des bekämpften Bescheides willkürlich vorgegangen und habe dadurch den Gleichheitsgrundsatz verletzt.
Der Bescheid enthalte keine Begründung. Aus dem Akt ergebe sich, daß die Berufungskommission an der medizinischen Fakultät der Universität Graz ein umfangreiches Evaluierungsverfahren zur Besetzung der Planstelle eines ordentlichen Universitätsprofessors für Geburtshilfe und Gynäkologie durchgeführt habe. Dieses Verfahren habe nach Wertung sämtlicher Faktoren festgestellt, daß der Beschwerdeführer primo loco in den Ternavorschlag aufgenommen wurde.
Die belangte Behörde sei offenbar davon ausgegangen, daß sie willkürlich unter den im Ternavorschlag angeführten Personen auswählen könne, ohne dies in irgendeiner Form zu begründen. Dieser Rechtsansicht könne nicht gefolgt werden; eine derartige Vorgangsweise stelle Willkür dar.
Der Zweitgereihte, nunmehr ernannte Dr. W. habe seine Lehrbefugnis als Universitätsdozent an der Universität Graz erworben und noch an keiner anderen Universität seine Lehrbefugnis ausgeübt. Es handle sich daher um eine sog. Hausberufung, welche gemäß §28 Abs2 UOG 1975 einer besonderen Begründung bedürfe. Eine solche sei aber nicht gegeben worden.
Die belangte Behörde habe weiters nicht berücksichtigt, daß die Reihung nach der Qualifikation der Bewerber vorgenommen wurde. Aus §28 UOG 1975 ergebe sich, daß die Behörde an die fachliche Qualifikation und die Reihung, die im Ternavorschlag vorgenommen wurde, gebunden sei. Ein Abgehen davon bedürfe zumindest einer Begründung.
2. Die belangte Behörde tritt diesen Auffassungen entgegen. Sie gesteht zwar zu, daß der Bescheid keine Begründung enthalte. Eine solche sei nach §10 Dienstrechtsverfahrensgesetz auch nicht erforderlich gewesen. Eine Begründungspflicht gegenüber den im Besetzungsvorschlag sonst genannten Bewerbern habe sie nicht angenommen, da sie davon ausgegangen sei, daß diesen keine Parteistellung zukomme.
Die Tatsache, daß der Ernennungsbescheid keine Begründung enthalte, bedeute nicht, daß er nicht begründbar und damit unsachlich sei. Der Bundesminister unterliege dem allgemeinen Willkürverbot und habe seine Ermessensentscheidung nach nachvollziehbaren sachlichen Kriterien zu treffen. Dies sei im gegenständlichen Fall auch geschehen, wurde aber dem Beschwerdeführer gegenüber nicht begründet.
Zur Rechtfertigung der von der belangten Behörde getroffenen Auswahlentscheidung führt die belangte Behörde unter auszugsweiser Wiedergabe des Berichts der Berufungskommission aus, daß der damalige Bundesminister für Wissenschaft und Forschung in sorgfältiger Würdigung der von der Berufungskommission erhobenen und erläuterten Qualifikation der einzelnen in dem Besetzungsvorschlag genannten Bewerber die Entscheidung für den an zweiter Stelle Genannten getroffen und dies im Akt mit folgenden Worten kommentiert habe:
"Begründung wie Kommission".
Nach Auffassung des Bundesministers habe zwar nicht der Reihungsvorschlag, wohl aber der Inhalt des Berichts über die Qualifikation der in den Berufungsvorschlag aufgenommenen Wissenschafter den Schluß zugelassen, daß der Zweitgereihte die bessere Qualifikation aufweise. Seiner Auffassung nach sei aus dem Bericht auch die besondere Qualifikation, die im Falle von Hausberufungen erforderlich sei, ersichtlich.
Unter Hinweis auf die erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum UOG 1975 (888 BlgNr. 13. GP) vertritt der Bundesminister die Ansicht, daß er an die Reihung des Ternavorschlags der Berufungskommission nicht gebunden sei. Jeder der in einen Ternavorschlag aufgenommenen Bewerber müsse zur Ernennung als Universitätsprofessor geeignet sein. Wenn nun der mit dem Auswahlermessen ausgestattete Bundesminister sich für einen der im Ternavorschlag enthaltenen Bewerber unter ausdrücklichem Hinweis auf die Begründung der Berufungskommission betreffend die Eignung dieses Bewerbers entscheidet, könne diese Entscheidung keineswegs als unsachlich und willkürlich angesehen werden.
3. Die Beschwerde ist zulässig - zumal der Beschwerdeführer seine Parteistellung schon während des Berufungsverfahrens angestrebt hat - und im Ergebnis auch begründet:
Dem Bundesminister ist recht zu geben, wenn er der Auffassung anhängt, daß er bei Erstattung des Vorschlags zur Ernennung eines ordentlichen Universitätsprofessors zwar insoweit an den Berufungsvorschlag gebunden ist, als er nur eine in den Vorschlag aufgenommene Person zur Ernennung vorschlagen darf (vgl. auch VfSlg. 15.365/1998), nicht aber an eine bestimmte Reihung im Berufungsvorschlag. Er hat aber sein Auswahlermessen sachlich auszuüben und zu begründen. Ob er dies in der Weise tut, daß er sich der Bewertung durch die Berufungskommission anschließt und eine die Kandidaten reihende Bewertung übernimmt oder ob er von der Auffassung der Berufungskommission abweicht, etwa in dem er die Kriterien für die Eignung anders gewichtet (was freilich eine eigene Begründung, die sich mit den Bewertungen im Berufungsvorschlag auseinandersetzt, erfordert), liegt in seinem Ermessen, ebenso wie es im Ermessen des ernennenden Bundespräsidenten liegt, den Vorschlag des Bundesministers zu übernehmen oder ihn abzulehnen. In der Entscheidung aber müssen die Erwägungen jedenfalls transparent gemacht werden, da nur so die rechtsstaatlich gebotene Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts möglich ist. Der Verfassungsgerichtshof verweist in diesem Zusammenhang auf seine ständige Rechtsprechung, daß die Behörde verpflichtet ist, Gründe und Gegengründe einander gegenüber zu stellen und dem größeren Gewicht der Argumente den Ausschlag geben zu lassen (vgl. etwa VfSlg. 8674/1979, 10.942/1986, 12.476/1990). Dies gilt auch dann, wenn der Bescheid - wie im vorliegenden Fall - in einem spezifischen Zusammenwirken (Vorschläge, Entscheidung, Intimation) verschiedener oberster Organe der Bundesverwaltung zustande kommt.
Nun enthält der bekämpfte Bescheid aber keinerlei Begründung. Dies ist weder dem ernennenden Bundespräsidenten noch dem den Vorschlag erstattenden und die Entscheidung intimierenden Bundesminister subjektiv vorwerfbar, da man bei der Ernennung davon ausgegangen war, daß den in den Berufungsvorschlag aufgenommenen, aber nicht ernannten Personen eine Parteistellung im Verfahren nicht zukam, stellt aber - allein wegen dieser mangelnden Begründung - objektiv einen in die Verfassungssphäre reichenden, vom Verfassungsgerichtshof aufzugreifenden Fehler dar. Wenn die belangte Behörde ausführt, daß der Bescheid zwar nicht begründet, aber begründbar ist, so ist ihr die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes entgegenzuhalten, wonach die Gegenschrift die fehlende Begründung eines Bescheides nicht nachzuholen vermag (vgl. z.B. VfSlg. 10.997/1986, 12.141/1989, 13.166/1992). Eine krasse Mangelhaftigkeit der Bescheidbegründung kann nämlich nicht dadurch beseitigt werden, daß die belangte Behörde ihre Motivation in der Gegenschrift darlegt. Die Begründung des Bescheides muß vielmehr aus diesem selbst hervorgehen (vgl. etwa VfSlg. 12.476/1990, 14.115/1995).
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes aufzuheben.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG; in den zugesprochenen Kosten ist eine Eingabegebühr gemäß §17a VerfGG in Höhe von S 2.500,-- und Umsatzsteuer in Höhe von S 4.500,-- enthalten.
5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
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