Normen
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AuslBG §14a
AuslBG §14e
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AuslBG §14a
AuslBG §14e
Spruch:
Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihrer Vertreterin die mit 27.000 S bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Die Beschwerdeführerin ist rumänische Staatsangehörige, lebte mit ihren vier minderjährigen Kindern von etwa 1990 bis Jänner 1997 in Österreich und war nach ihrem unwidersprochenen Vorbringen stets zur Arbeit und zum Aufenthalt berechtigt. Die zuletzt im September 1996 begehrte Verlängerung ihrer befristeten Aufenthaltsbewilligung wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg vom 10. Oktober 1996 verweigert. Nach Zustellung des am 19. Dezember 1996 ergangenen abweisenden Berufungsbescheides wurde sie - wie sie vorbringt - unter Androhung fremdenpolizeilicher Maßnahmen aufgefordert, Österreich binnen drei Tagen zu verlassen. Sie habe diesem Druck nicht standgehalten und ungeachtet der Möglichkeit, für eine erst einzubringende Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts vielleicht aufschiebende Wirkung zu erlangen, im Jänner 1997 Österreich verlassen.
Der sodann Anfang Februar 1997 durch ihren Vertreter erhobenen Verfassungsgerichtshofbeschwerde wurde am 24. März 1997 aufschiebende Wirkung zuerkannt (was allerdings der Beschwerdeführerin trotz mehrfacher Versuche die Wiedereinreise noch nicht ermöglichte). Mit Erkenntnis VfSlg. 14879/1997 hob der Verfassungsgerichtshof schließlich den Berufungsbescheid wegen Verletzung im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art8 EMRK) auf.
Im fortgesetzten Verwaltungsverfahren nahm der Bundesminister für Inneres abermals eine Ablehnung des Antrages in Aussicht, weil "der Lebensunterhalt der Beschwerdeführerin oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert" sei. Nachdem jedoch der Vertreter der Beschwerdeführerin darauf hingewiesen hatte, daß sie bis zum Zeitpunkt ihrer erzwungenen Ausreise gearbeitet und (ohne Zuschläge und Überstunden) 13.416,66 S netto verdient habe und auch eine Wohnung vorhanden gewesen sei, die ihr erteilte Arbeitserlaubnis noch bis zum 24. Februar 1998 wirksam und der (namentlich genannte) frühere Arbeitgeber laut beigebrachter Bestätigung auch weiter zur Beschäftigung und Gewährung der Unterkunft bereit sei, wurde der Beschwerdeführerin (und ihren Kindern) mit Bescheiden vom 20. Februar 1998 eine Niederlassungsbewilligung erteilt (die letztendlich die Einreise der Beschwerdeführerin Anfang Juli 1998 ermöglichte).
Im vorliegenden Verfahren geht es um die beschäftigungsrechtlichen Auswirkungen dieser Vorgänge:
1. Einen Tag vor Ablauf der ihr von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Salzburg erteilten Arbeitserlaubnis, am 23. Februar 1998, hatte die Beschwerdeführerin durch ihren Vertreter den Antrag auf Verlängerung dieser Erlaubnis gestellt. Mit dem nunmehr beim Verfassungsgerichtshof angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Landesgeschäftstelle des Arbeitsmarktservice vom 5. Mai 1998 wird die begehrte Verlängerung der Arbeitserlaubnis abgelehnt, weil die Beschwerdeführerin weder in den letzten 14 Monaten insgesamt 52 Wochen im Bundesgebiet erlaubt beschäftigt (§14a Abs1 AuslBG) noch während der letzten zwei Jahre mindestens 18 Monate nach dem AuslBG beschäftigt war (§14e Abs1 Z2 AuslBG).
In der Beschwerde wird die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Schutz vor rassischer Diskriminierung, Achtung des Eigentums nach Art1 des
1. ZPEMRK (in Gestalt der Möglichkeit zum Abschluß eines Arbeitsvertrages) und Achtung des Privat- und Familienlebens sowie ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip gerügt.
2. Die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hält dem entgegen, die Behauptung der Beschwerdeführerin, ohne die geschilderten Vorgänge hätte sie ihren Arbeitsplatz nicht verloren und durchgehende Beschäftigungszeiten nachweisen können, stelle eine Hypothese dar; es könne nicht gesagt werden, was sich ereignet hätte, wenn die Beschwerdeführerin in Österreich geblieben wäre. Das Gesetz räume der Behörde insoweit keinen Ermessensspielraum ein:
"Persönliche Umstände eines Ausländers betreffend die Nichterfüllung der Voraussetzungen für eine Verlängerung der Arbeitserlaubnis können somit nicht berücksichtigt werden. Die Bestimmungen des §14a ff zielen auf anrechenbare Dienstverhältnisse im Bundesland ab. Ein Hemmungstatbestand ist nicht normiert."
Die Niederlassungsbewilligung falle in den Zuständigkeitsbereich der Aufenthaltsbehörden. Aufgrund der inzwischen erteilten Niederlassungsbewilligung sei einem Unternehmen in St. Gilgen für die Beschwerdeführerin ohnehin eine Beschäftigungsbewilligung für die Zeit vom 28. Juli 1998 bis 30. Juni 1999 erteilt worden.
Der Verfassungsgerichtshof hat auch die für Arbeit und Soziales sowie für Inneres zuständigen Bundesminister eingeladen, zur Beschwerde Stellung zu nehmen. Die Bundesministerin für Arbeit und Soziales hat diese Einladung unbeantwortet gelassen, der Bundesminister für Inneres betont hingegen, daß die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gegen den die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung ablehnenden Bescheid zufolge des Auslandsaufenthaltes der Beschwerdeführerin keine fremdenrechtliche Wirkung im Sinne der Argumentation der Beschwerdeführerin im vorliegenden Verfahren über die Verlängerung der Arbeitserlaubnis gehabt habe.
II. Die Beschwerde ist begründet. Die Beschwerdeführerin ist im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.
1. Eine Arbeitserlaubnis ist nach §14a Abs1 AuslBG auszustellen, wenn der Ausländer in den letzten 14 Monaten insgesamt 52 Wochen im Bundesgebiet mit einer dem Geltungsbereich des AuslBG unterliegenden Tätigkeit erlaubt beschäftigt war. Sie berechtigt den Ausländer zur Aufnahme einer Beschäftigung in jenem Bundesland, für welche die Arbeitserlaubnis ausgestellt wurde (Abs2), und darf auf höchstens zwei Jahre ausgestellt werden (Abs4). Sie ist nach §14e Abs1 AuslBG zu verlängern, wenn die Anspruchsvoraussetzungen nach §14a gegeben sind (Z1) oder der Ausländer während der letzten zwei Jahre mindestens 18 Monate beschäftigt war (Z2).
Der angefochtene Bescheid lehnt die begehrte Verlängerung der mit 24. Februar 1998 abgelaufenen Arbeitserlaubnis mit der Begründung ab, die Beschwerdeführerin könne in den letzten 14 Monaten keine Beschäftigungszeiten nachweisen und in den letzten 24 Monaten lägen nur Beschäftigungszeiten im Gesamtausmaß von 198 Tagen vor. Von welchem Zeitpunkt aus die Behörde die 14 bzw. 24 Monate zurückrechnet, ist dem mit 5. Mai 1998 datierten Bescheid nicht zu entnehmen. Es ist aber offenkundig, daß die Behörde den Zeitraum nach der infolge rechtswidriger Beendigung ihres Aufenthaltsrechts erfolgten Ausreise der Beschwerdeführerin in die Rahmenfristen einrechnet, in denen die Beschwerdeführerin eine Beschäftigung im Inland nachweisen müßte.
Nun steht jedoch fest, daß die Möglichkeit, die ausgeübte Beschäftigung im Inland fortzusetzen oder eine neue Beschäftigung anzunehmen, ausschließlich durch ein verfassungswidriges Verhalten der Aufenthaltsbehörden vereitelt wurde (vgl. VfSlg. 14879/1997). Die Beschwerdeführerin wäre bis zu dem für die Verlängerung der Arbeitserlaubnis maßgebenden Zeitpunkt rückblickend ununterbrochen zum Aufenthalt in Österreich berechtigt gewesen. Wird nämlich ein dem Verlängerungsantrag abweisender letztinstanzlicher Bescheid im Aufenthaltsverfahren durch ein Erkenntnis eines Gerichtshofs des öffentlichen Rechts aufgehoben und ergeht im fortgesetzten Verwaltungsverfahren ein den Verlängerungsantrag bewilligender Ersatzbescheid, dann erhält der Fremde eine durchgehende, daher auch den Zeitraum vom Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung der ersten Instanz bis zur Erlassung des Ersatzbescheides abdeckende Bewilligung (so auch VwGH vom 19. Dezember 1996, Z95/19/0538, und vom 17. Dezember 1997, Z96/21/1012). Die bis zum rechtzeitigen Verlängerungsantrag wirksam gewesene Arbeitserlaubnis hätte daher zur Fortsetzung der Tätigkeit oder zur Aufnahme einer anderen Beschäftigung ausgenützt werden können. Es kann der Beschwerdeführerin auch nicht etwa zur Last gelegt werden, daß sie es nicht in der Hoffnung auf die Gewährung der aufschiebenden Wirkung für ihre Beschwerde auf eine zwangsweise Entfernung ankommen ließ und dem Ausreiseverlangen nachkam, sodaß die hernach verfügte aufschiebende Wirkung ins Leere ging und die Beschwerdeführerin in weiterer Folge an der Wiedereinreise gehindert werden konnte.
Dabei ist nach den Ergebnissen des Verfahrens davon auszugehen, daß die Beschwerdeführerin bis zu ihrer erzwungenen Ausreise im Jänner 1997 die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Arbeitserlaubnis längst erfüllt und dem Erfordernis einer längerdauernden Beschäftigung nicht etwa erst nachzukommen hatte. Die Möglichkeit der Verlängerung würde also nur deshalb verlorengehen, weil jene Zeit, die sie infolge des verfassungswidrigen Vorgehens der Aufenthaltsbehörden im Ausland verbringen mußte, von der belangten Behörde in die Rahmenfristen eingerechnet wird.
2. Der belangten Behörde ist freilich zuzugeben, daß im Wortlaut des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für einen solchen Fall keine Vorsorge getroffen ist. Hätte es dabei sein Bewenden, könnte die Erteilung oder Verlängerung einer Arbeitserlaubnis allein dadurch vereitelt werden, daß die Fremdenbehörde den in Österreich Beschäftigten rechtswidrigerweise ins Ausland verbringt oder sonst eine Behörde ihn rechtswidrigerweise so lange von der Beschäftigung abhält, bis die Voraussetzungen für die begehrte Erlaubnis verlorengegangen sind. Ein solches Ergebnis wäre in der Tat weder mit rechtsstaatlichen Prinzipien vereinbar noch im Verhältnis zu jenen Ausländern zu rechtfertigen, welche einer solchen Rechtswidrigkeit nicht ausgesetzt waren.
Ein Gesetz, das für Fälle dieser Art keine besonderen Vorkehrungen trifft, wäre aber nur dann verfassungsrechtlich bedenklich, wenn es keiner verfassungskonformen Auslegung zugänglich wäre. Der Gesetzgeber kann nicht alle Möglichkeiten staatlichen Fehlverhaltens vorhersehen und deren Folgen regeln. Es ist vielmehr Aufgabe einer vernünftigen, den Sinn des Gesetzes bedenkenden Vollziehung, Zeiten außer Betracht zu lassen, in denen die Erfüllung der Voraussetzung des §14e Abs1 AuslBG durch ein rechtswidriges Verhalten staatlicher Behörden von vornherein unmöglich gemacht wurde. Solche Zeiten hatte der Gesetzgeber offenkundig nicht vor Augen. Sie dahin zu prüfen, ob der Ausländer dem Gesetz entsprechend beschäftigt war, ist nach keinem denkbaren Gesetzeszweck vertretbar. Die für die Erlangung (Verlängerung) einer Arbeitserlaubnis erforderliche längerfristige Andauer der Beschäftigung im Inland muß unter solchen Umständen daher nach Ausklammerung jener Zeiten rechtswidriger Verhinderung unter Zugrundelegung der letzten auf das Risiko des Ausländers laufenden 14 oder 24 Monate beurteilt werden. Solcherart ersetzt rechtswidriges staatliches Verhalten nicht etwa fehlende Tatsachen (indem eine Beschäftigung fingiert würde, die möglicherweise doch nicht ausgeübt worden wäre), sondern wird nur die bestehende Gesetzeslücke auf eine Weise geschlossen, die dem Gesetzeszweck den gegebenen Umständen entsprechend Rechnung trägt und doch vermeidet, daß rechtswidriges behördliches Verhalten schon erworbene Rechtspositionen vernichtet.
Wie der Verfassungsgerichtshof schon im Erkenntnis VfSlg. 14049/1995 dargetan hat, darf die Behörde ein von ihr selbst zu vertretendes Versäumnis (die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung) dann nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers verwenden (und diesem wegen verbotener Beschäftigung die Arbeitserlaubnis verweigern), wenn sie selbst (durch Vermittlung des Ausländers zur Beschäftigung) die verpönte Lage herbeigeführt hat. Dadurch unterschied sich der damals beurteilte Fall von jenem nur durch ein Gesetzesprüfungsverfahren zu lösen gewesenen früheren, in welchem der Arbeitgeber den Ausländer (zuunrecht) schon vor der (allerdings überlange ausständigen) Erteilung der Bewilligung beschäftigt hatte und allein deshalb die Bewilligung versagt werden mußte (VfSlg. 13120/1992).
Im vorliegenden Fall haben die Aufenthaltsbehörden die Unmöglichkeit, weiter in Österreich beschäftigt zu bleiben, durch die rechtswidrige Versagung der Aufenthaltsbewilligung herbeigeführt. Diesen Umstand muß auch das für die Arbeitserlaubnis zuständige Arbeitsmarktservice berücksichtigen. Daß die Zuständigkeiten auf verschiedene Behörden verteilt sind, darf am Endergebnis nichts ändern. Das Arbeitsmarktservice durfte daher den Mangel einer Beschäftigung seit diesem Zeitpunkt bis zur möglich gewordenen Rückkehr der Beschwerdeführerin nicht zum Anlaß einer Versagung der Verlängerung der Arbeitserlaubnis nehmen, sondern hätte diese Zeit - wie in VfSlg. 14049/1995 das Fehlen einer Beschäftigungsbewilligung - unberücksichtigt lassen müssen. Indem sie dies verkannte, hat sie die Beschwerdeführerin in dem durch ArtI Abs1 des BVG zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt (vgl. VfSlg. 14989/1997 und die dort genannte ständige Rechtsprechung).
Der Bescheid ist daher aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG. Im zugesprochenen Betrag sind 4.500 S an Umsatzsteuer enthalten.
Eine mündliche Verhandlung war entbehrlich (§19 Abs4 Satz 1 VerfGG).
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