Normen
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
EMRK Art6 Abs1 / civil rights
Satzung der Versorgungseinrichtung der Tir Rechtsanwaltskammer
RAO §27 Abs1 lita
RAO §54
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
EMRK Art6 Abs1 / civil rights
Satzung der Versorgungseinrichtung der Tir Rechtsanwaltskammer
RAO §27 Abs1 lita
RAO §54
Spruch:
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.
Der Individualantrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Der Beschwerdeführer war in Tirol als Rechtsanwalt tätig. Mit Schriftsatz vom 1. Juli 1992 verzichtete er auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft und beantragte die Zuerkennung der Berufsunfähigkeitspension gemäß §6 der Satzung der Versorgungseinrichtung der Tiroler Rechtsanwaltskammer. Dieser Antrag wurde mit Bescheid der Abteilung III der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 24. Juni 1993 abgewiesen.
1.2. Gegen diesen Beschluß erhob der Beschwerdeführer Vorstellung an den Ausschuß der Tiroler Rechtsanwaltskammer, welche mit Bescheid vom 10. März 1994 abgewiesen wurde.
1.3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in welcher die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf ein Art6 EMRK entsprechendes Verfahren gerügt wird. Der Beschwerdeführer macht insbesondere geltend, daß über seinen Antrag kein "unabhängiges und unparteiisches, auf Gesetz beruhendes Gericht" entschieden habe und daß trotz seines Antrages vom 4. September 1992 keine mündliche Verhandlung abgehalten wurde.
1.4. Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
2. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
2.1. Der Verfassungsgerichtshof teilt die auf die Rechtsprechung des EGMR gestützte Ansicht des Beschwerdeführers, daß Art6 EMRK im gegenständlichen Verfahren anzuwenden ist (siehe das Urteil des EGMR im Fall Schuler-Zgraggen, ÖJZ 1994, 138), doch liegt eine Verletzung des Beschwerdeführers in den durch diese Norm garantierten Rechten nicht vor: Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner jüngeren Judikatur - beginnend mit VfSlg. 11500/1987 - wiederholt den (im Vergleich zum EGMR restriktiveren) Standpunkt vertreten, daß (nur) über jene Ansprüche und Verpflichtungen, die zum "Kernbereich" der civil rights zu zählen seien, ein den Anforderungen der Art6 MRK entsprechendes Tribunal in der Sache selbst zu entscheiden habe, und daß in solchen traditionell der Ziviljustiz zuzuzählenden Angelegenheiten die (bloß) nachprüfende Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes nicht hinreiche. Dies gelte für Entscheidungen über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen selbst, wie etwa die Entscheidung über den Ersatz von Jagd- und Wildschäden (vgl. dazu zB VfSlg. 11591/1987), die Schlichtung von Streitigkeiten über eine Vertragsauslegung durch eine Schiedskommission nach dem ASVG (vgl. VfSlg. 11729/1988 und 12083/1989) bzw. dem Krankenanstaltenrecht (vgl. dazu VfSlg. 13001/1992), die Entscheidung über den Ersatz von Pflege- und Sondergebühren (vgl. VfSlg. 12470/1990), die Entscheidung von Streitigkeiten über die Angemessenheit des Pachtzinses (VfSlg. 12003/1989 zum Kleingartengesetz) oder den Zuspruch einer Enteignungsentschädigung (vgl. VfSlg. 11760/1988 und 11762/1988). Hingegen genüge für Entscheidungen über Streitigkeiten, die über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen nur in ihren Auswirkungen, also nicht über "civil rights" selbst, entstanden seien, wie zB die Erteilung bzw. Versagung einer Bewilligung zum Bau eines Hauses (vgl. zB VfSlg. 11500/1987) oder einer Straße (VfSlg. 11645/1988), einer Bewilligung nach §13 des Viehwirtschaftsgesetzes (VfSlg. 12082/1989), den Entzug einer Apothekenkonzession (VfSlg. 11937/1988), die Festsetzung eines Entgeltes für einen nach §80 Abs8 BDG 1979 zugewiesenen Parkplatz (VfSlg. 12929/1991) oder die Untersagung der Bewilligung der Beschäftigung von Ausländern (VfSlg. 13505/1993) die nachprüfende Kontrolle des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes.
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung lassen sich Entscheidungen über die Zuerkennung von Pensionen jedenfalls nicht als zum "Kernbereich" des Zivilrechts gehörend qualifizieren. Die nachprüfende Kontrolle der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist daher ausreichend; in einer neueren Entscheidung hat zudem der EGMR die Kognitionsbefugnisse des Verwaltungsgerichtshofes auch als ausreichend für ein Tribunal befunden (EGMR, Fall Zumtobel, ÖJZ 1993, 782; siehe auch EKMR, ÖJZ 1993, 743 und 744; ÖJZ 1994, 520).
Die behauptete Verletzung des Art6 EMRK mangels Durchführung einer mündlichen Verhandlung liegt ebenfalls nicht vor, da der Vorbehalt Österreichs zu Art6 EMRK (bezüglich der in Art90 B-VG festgelegten Grundsätze über die Öffentlichkeit) auch für Verfahren vor Tribunalen gilt, sodaß gesetzliche Regelungen nicht ausgeschlossen sind, die für Verfahren vor Tribunalen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit vorsehen (VfSlg. 7208/1973, 11569/1987, 11855/1988 und 13432/1993).
Eine Verletzung des Art6 EMRK liegt somit insgesamt nicht vor.
2.2. Der Beschwerdeführer erachtet sich darüber hinaus in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt. Die Beschwerdeausführungen vermögen eine Verletzung in den genannten Rechten jedoch nicht darzutun, enthalten sie doch keine Ausführungen darüber, wodurch die behaupteten Rechtsverletzungen bewirkt worden sein sollen. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage vermag der Verfassungsgerichtshof eine Verletzung des Beschwerdeführers in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht zu erkennen.
2.3. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
2.4. Das Verfahren hat nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen und gemäß Art144 Abs3 B-VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.
3. Der vom Beschwerdeführer unter einem mit der Bescheidbeschwerde eingebrachte Individualantrag auf Aufhebung der §§4 (Wartezeit), 5 (Alterspension) und 18 a (freiwillige Weiterversicherung) der Satzung der Versorgungseinrichtung der Tiroler Rechtsanwaltskammer ist unzulässig.
3.1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 10511/1985, 11726/1988).
3.2. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt: Selbst wenn der Antragsteller durch die bekämpften Normen in seinen Rechten unmittelbar beeinträchtigt sein sollte, so ist es ihm doch möglich und zumutbar - wie von ihm hinsichtlich der Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitsrente auch tatsächlich vorgenommen -, einen Antrag auf Gewährung einer Versorgungsleistung zu stellen und im Falle einer negativen Entscheidung den in §15 Abs4 der Satzung der Versorgungseinrichtung der Tiroler Rechtsanwaltskammer iVm §§27 Abs1 lita und 54 RAO eingerichteten Instanzenzug zu beschreiten. Dem Beschwerdeführer stünde dann - entgegen seinen Ausführungen - die Möglichkeit offen, den letztinstanzlichen Bescheid vor dem Verfassungsgerichtshof anzufechten und im Zuge dieser Anfechtung seine Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der von ihm als gesetzwidrig erachteten Verordnungsstellen vorzubringen.
3.3. Der Antrag war somit zurückzuweisen.
4. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG bzw. 19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
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