VfGH A2/94

VfGHA2/941.12.1995

Zulässigkeit einer Klage auf Ausbezahlung einer Unterstützung nach dem StickereiförderungsG; Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Behandlung einer solchen Liquidierungklage; Wertung der Klage als solche gegen den Bund; Vertretung des Bundes in bezug auf das Sondervermögen nach dem StickereiförderungsG durch einen Verwaltungsausschuß der Wirtschaftskammer; Abweisung der Klage; Zulässigkeit des Vertrauens des Stickereiförderungsausschusses auf den äußeren Anschein; schuldbefreiende Wirkung von Zahlungen auf das Konto eines Bruders des verstorbenen Firmeninhabers

Normen

B-VG Art137 / Allg
B-VG Art137 / Liquidierungsklage
StickereiförderungsG §2
StickereiförderungsG §3
StickereiförderungsG §14
StickereiförderungsG §10, §11
B-VG Art137 / Allg
B-VG Art137 / Liquidierungsklage
StickereiförderungsG §2
StickereiförderungsG §3
StickereiförderungsG §14
StickereiförderungsG §10, §11

 

Spruch:

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. In der auf Art137 B-VG gestützten und gegen die Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Vorarlberg - Stickereiförderungsausschuß gerichteten Klage wird im wesentlichen vorgebracht, daß die Klägerin aufgrund der Einantwortungsurkunde vom 1.8. (gemeint offensichtlich: 1.3.) 1984, A284/82, des Bezirksgerichtes Dornbirn Alleinerbin nach (dem am 31.5.1982 verstorbenen) He S und damit auch Rechtsnachfolgerin der Firma des Einzelkaufmannes He S, Stickereifabrikation, in Dornbirn sei. Mit Bescheiden vom 15.10.1982, vom 25.11.1982 sowie vom 18.1.1983 habe die Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Vorarlberg - Stickereiförderungsausschuß der Firma He S insgesamt S 77.850,-- an Unterstützungsbeiträgen zugesprochen. Diese Beträge seien jedoch in weiterer Folge an Ha S, eine zum Empfang derselben nicht legitimierte Person ausbezahlt worden.

Die Klägerin habe daher die Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Vorarlberg - Stickereiförderungsausschuß im Jahre 1985 auf Zahlung von S 77.850,-- geklagt. Das zivilgerichtliche Verfahren sei bis zum Abschluß des gegen Ha S eingeleiteten Strafverfahrens unterbrochen werden. Nach Abbruch des letzteren gemäß §422 StPO aufgrund der Flucht des Ha S sei die Fortsetzung des zivilgerichtlichen Verfahrens beantragt worden. In weiterer Folge habe das Landesgericht Feldkirch mit Beschluß vom 17.3.1992 die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen. Dem gegen den diese Entscheidung bestätigenden Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck erhobenen Revisionsrekurs sei vom Obersten Gerichtshof mit Beschluß vom 19.5.1993 keine Folge gegeben worden. Der Oberste Gerichtshof habe in der Begründung seines Beschlusses angeregt, die Ansprüche der Klägerin im Wege einer Klage gemäß Art137 B-VG beim Verfassungsgerichtshof geltend zu machen, da die anspruchsbegründenden Bescheide keine durchsetzbaren Exekutionstitel nach §1 EO oder nach den Bestimmungen des VVG bildeten.

Auch der Versuch, im Verwaltungswege Bescheidausfertigungen mit der Bestätigung zu erlangen, daß diese Bescheide einem die Vollstreckbarkeit hemmenden Rechtszug nicht unterliegen, sei erfolglos geblieben, da der Verwaltungsgerichtshof eine Beschwerde der Klägerin zurückgewiesen habe.

Weil zur Durchsetzung der im öffentlichen Recht wurzelnden Ansprüche der Klägerin weder die ordentlichen Gerichte zuständig seien, noch ein Verwaltungsweg bestehe, sei die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gegeben. Es werde daher die Fällung des Urteiles begehrt, die "beklagte Partei ist schuldig, binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution, der Klägerin den Betrag von S 77.850,-- samt 4 % Zinsen seit 19.1.1983 zu bezahlen sowie die zur Rechtsverfolgung notwendigen Prozeßkosten zu ersetzen."

Für den Fall, daß der Verfassungsgerichtshof die Klage zurückweisen sollte, werde unter Berufung auf den dargelegten Sachverhalt der Antrag gestellt, "der Verfassungsgerichtshof möge eine Entscheidung über den vorliegenden negativen Kompetenzkonflikt fällen."

2. Die - anwaltlich vertretene - Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Vorarlberg (Wirtschaftskammer Vorarlberg) hat Akten in Kopie vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Zurückweisung der Klage beantragt, weil nach Art137 B-VG der Verfassungsgerichtshof nur zuständig sei, über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, die Länder, die Bezirke, die Gemeinden oder die Gemeindeverbände zu erkennen; in der Sache selbst wird jede Schuldigkeit bestritten, "da aufgrund der erlassenen rechtskräftigen Bescheide mit Fug und Recht auf das von der Firma S angegebene Konto überwiesen werden konnte."

3. Der Verfassungsgerichtshof hat ferner den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten ersucht, aus seiner Sicht darzulegen, in welcher Weise durch Bescheid zuerkannte Förderungen nach dem Stickereiförderungsgesetz (im folgenden: StickFöG), BGBl. Nr. 222/1956 idF BGBl. Nr. 62/1962 und BGBl. Nr. 187/1985, durchgesetzt werden können. Der Bundesminister hat hierauf im wesentlichen wie folgt Stellung genommen:

"Das VVG erscheint schon von seinen Intentionen her nicht dafür konzipiert, daß mit ihm Ansprüche gegen die bescheiderlassende Behörde durchgesetzt werden können, also die bescheiderlassende Behörde zu einem Tätigwerden gezwungen werden kann.

Auch aus dem EGVG ergibt sich kein Anhaltspunkt in dieser Richtung.

Es dürfte daher nur die Klage gemäß Art137 B-VG für die Durchsetzung eines solchen Anspruches in Frage kommen."

4. In weiterer Folge hat die klagende Partei unter Verzeichnung von Kosten mit einem vorbereitenden Schriftsatz die Erlassung eines Versäumungsurteiles beantragt, weil in der Gegenschrift der beklagten Partei kein "Urteilsgegenantrag" gestellt worden sei, und ausgeführt, daß Art137 B-VG nur eine demonstrative Aufzählung jener Rechtsträger enthalte, an die mit einer Klage nach Art137 B-VG Ansprüche gerichtet werden können.

5. Mit Schriftsatz vom 29.6.1995 übermittelte der Verfassungsgerichtshof die verfahrensgegenständliche Klage an den Verwaltungsausschuß nach dem Stickereiförderungsgesetz bei der Wirtschaftskammer Vorarlberg mit dem Auftrag, innerhalb von sechs Wochen eine Gegenschrift zu erstatten.

Am 17.7.1995 langte beim Verfassungsgerichtshof eine Gegenschrift des - anwaltlich vertretenen - Verwaltungsausschusses nach dem Stickereiförderungsgesetz bei der Wirtschaftskammer Vorarlberg ein. Sie ist mit der von der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Vorarlberg (Wirtschaftskammer Vorarlberg) erstatteten textgleich (siehe oben Punkt 2.).

6. Über Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes wurde vom Landesgericht Feldkirch der Strafakt gegen Ha S, den Bruder des verstorbenen Erblassers He S, Z18a Vr 18/85, und ebenfalls vom Landesgericht Feldkirch der Akt betreffend das zivilgerichtliche Verfahren über die von der (minderjährigen) Tochter des He S, S S (der Klägerin auch im verfassungsgerichtlichen Verfahren), gegen die Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Vorarlberg - Stickereiförderungsausschuß erhobene Klage auf Zahlung von

S 77.890,-- s.A., Z3 Cg 429/85 bzw. 3 Cg 54/92, vorgelegt. Des weiteren wurde vom Bezirksgericht Dornbirn der Akt betreffend die Verlassenschaft nach He S, Z A284/82, beigeschafft.

7. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Zulässigkeit der Klage erwogen:

7.1. Die Klage ist zulässig.

7.1.1. Mit dem Begehren auf Zahlung von S 77.850,-- samt Zinsen wird ein vermögensrechtlicher Anspruch erhoben. Über die Gewährung der von der Klägerin begehrten Unterstützung entscheidet zwar nach §3 StickFöG der bei der Wirtschaftskammer für Vorarlberg errichtete Verwaltungsausschuß mit Bescheid (§14 Abs1 StickFöG); es geht hier jedoch nicht um die Zuerkennung der Unterstützung, sondern um die Auszahlung der bereits zuerkannten Leistung. Wie sich aus der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs zur Liquidation bescheidmäßig zuerkannter Ansprüche insbesondere aus öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen (VfSlg. 8243/1978, 12312/1990, 13221/1992) ergibt, schließt der Umstand, daß über den Bestand des Anspruchs durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu entscheiden war, die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes für Klagen auf tatsächliche Leistung des zuerkannten Anspruchs nicht aus. Über einen solchen Leistungsanspruch hat nach dem StickFöG aber keine Verwaltungsbehörde abzusprechen.

Auch die Gerichte sind dafür nicht zuständig. Der durch Bescheid zuerkannte Anspruch wurzelt offenkundig im öffentlichen Recht und ist keine bürgerliche Rechtssache im Sinne des §1 JN; auch keine andere Vorschrift eröffnet hiefür den ordentlichen Rechtsweg.

7.1.2. Klagen nach Art137 B-VG müssen sich allerdings "an den Bund, die Länder ... die Gemeinden und Gemeindeverbände" richten. Die vorliegende Klage nennt demgegenüber die "Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Vorarlberg - Stickereiförderungsausschuß" als beklagte Partei. Sie nimmt damit offensichtlich darauf Bezug, daß dem bei dieser Kammer errichteten Ausschuß nicht nur die Entscheidung über den Antrag auf Gewährung einer Unterstützung obliegt, sondern die Einhebung und Verwaltung der an die Kammer zu entrichtenden zweckgewidmeten Beiträge insgesamt (§1 StickFöG). Die Klägerin sieht anscheinend die Wirtschaftskammer Vorarlberg nur formell als Eigentümer dieser - ursprünglich durch einen selbständigen Fonds verwalteten - Mittel an (vgl. §17 StickFÖG sowie die Erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage 549 BlgNR IX. GP, S. 3) und rechnet deren Verwaltung materiell dem diese Einrichtung schaffenden und tragenden Bund zu.

Der Verfassungsgerichtshof hat zur Frage, wie die Schaffung besonderer Rechtsträger durch die Gebietskörperschaft oder die Einrichtung eines Sondervermögens bei einem anderen Rechtsträger unter dem Blickwinkel des Art137 B-VG zu beurteilen ist, bisher nicht grundsätzlich Stellung genommen. Er geht zwar in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß andere Rechtsträger als die im B-VG genannten Gebietskörperschaften im Verfahren nach Art137 nicht belangt werden können (VfSlg. 10451/1985; G128/92 vom 17.3.1994), hat aber etwa in VfSlg. 3807/1960 der Einrichtung eines Fonds mit eigener Rechtspersönlichkeit (zur Hilfeleistung an politisch Verfolgte mit ausländischem Wohnsitz, BGBl. Nr. 25/1956) keine die Zurechnung an den Bund ausschließende Wirkung unterstellt (sondern für ausschlaggebend gehalten, daß der Fonds im Rahmen des Privatrechts tätig wird). In der Tat ist zu bedenken, daß der Gesetzgeber die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Entscheidung über Ansprüche gegen Gebietskörperschaften nach dem Konzept des Art137 B-VG nur dadurch vermeiden kann, daß er die Angelegenheit einer Verwaltungsbehörde zur Entscheidung zuweist oder den ordentlichen Rechtsweg eröffnet. Die Aufzählung der Gebietskörperschaften in Art137 B-VG kann also nicht so verstanden werden, daß schon die bloße Schaffung selbständiger Rechtsträger die Angelegenheit der Kognition des Verfassungsgerichtshofes entzieht. Vielmehr muß eine öffentlich-rechtliche Körperschaft, die öffentliche Aufgaben einer Gebietskörperschaft besorgt, aus dem Blickwinkel des Art137 B-VG dieser Gebietskörperschaft zugerechnet werden. Der bloßen Schaffung selbständiger Rechtsträger steht die Bildung von Sondervermögen bei anderen Rechtsträgern aber jedenfalls dann gleich, wenn diese anderen Rechtsträger nicht über das Sondervermögen verfügen dürfen.

Im vorliegenden Fall ist mit der Verwaltung der streng zweckgebundenen Mittel nicht ein bestehendes Organ der Wirtschaftskammer, sondern ein dazu eigens gebildeter Ausschuß betraut, der aus vier von der Fachgruppe gewählten Mitgliedern der Fachgruppe und vier von der Innung gewählten Innungsmitgliedern sowie einem von diesen bestellten Leiter, seinen zwei Stellvertretern und einem Vertreter der Kammer selbst - diese vier weiteren Mitglieder aber ohne Stimmrecht - besteht (Verwaltungsausschuß, §2 StickFöG). Dieser unterliegt wohl der Kontrolle eines von der Vollversammlung der Kammer gewählten Ausschusses (Kontrollausschuß, §6 StickFöG); seine Bescheide können aber gleichwohl mit Berufung an den Landeshauptmann (als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung) angefochten werden. Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, daß damit zwar den betroffenen Wirtschaftstreibenden ein erheblicher Einfluß auf die Verwendung der Mittel eingeräumt ist, daß es sich aber bei diesem Ausschuß nicht um ein (besonderes) Organ der Wirtschaftskammer als der Interessenvertretung aller Wirtschaftstreibenden oder eines Teiles dieser Interessenvertretung handelt, sondern um ein ausschließlich zur Verwaltung jenes Sondervermögens berufenes besonderes Organ, das aus der Sicht des Art137 B-VG als eine Erscheinungsform des Bundes zu betrachten ist.

Unter diesen Umständen ist nicht zu erörtern, was Rechtens wäre, wenn die Organe der Wirtschaftskammer als solche über das der Stickereiförderung gewidmete Vermögen verfügen würden.

Die Klage gegen das vom Ausschuß nach §2 StickFöG verwaltete Sondervermögen bei der Wirtschaftskammer Vorarlberg ("Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Vorarlberg - Stickereiförderungsausschuß") ist folglich als solche gegen den Bund zu werten, der in bezug auf das in Rede stehende Sondervermögen ausschließlich vom Verwaltungsausschuß vertreten wird. Sie ist deshalb zulässig.

Auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen sind gegeben.

8. Der Verfassungsgerichtshof hat in der Sache selbst erwogen:

8.1. Aufgrund des Klagsvorbringens und des Inhaltes der vorgelegten Akten, insbesondere der glaubwürdigen Aussagen des Leiters des Stickereiförderungsausschusses im Rahmen seiner Zeugenvernehmung vor dem Bezirksgericht Dornbirn am 15.11.1983 (Akt 18a Vr 18/85 des Landesgerichtes Feldkirch, S. 267 f.) und vor dem Landesgericht Feldkirch am 6.11.1985 (Akt 3 Cg 429/85, ONr. 5) sowie dessen Aktenvermerk vom 20.5.1983

(Akt 18a Vr 18/85, S. 127), der glaubwürdigen Aussage der M P vom 23.6.1983 vor der Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Vorarlberg (Akt 18a Vr 18/85 des Landesgerichtes Feldkirch, S. 123), der glaubwürdigen Aussagen des mit der Abwicklung der Verlassenschaft nach He S betrauten Notars und der - von He S geschiedenen - Mutter der Klägerin in der mündlichen Streitverhandlung vor dem Landesgericht Feldkirch vom 6.11.1985 (Akt 3 Cg 429/85, ONr. 5) sowie des Amtsvermerks des Richters im Verlassenschaftsverfahren vom 22.11.1982 (Akt A284/82, ONr. 3 des Bezirksgerichtes Dornbirn) nimmt der Verfassungsgerichtshof den folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

Am 31.5.1982 verstarb He S. Er hinterließ eine minderjährige, am 8.3.1971 geborene Tochter, die nunmehrige Klägerin. Der von ihm betriebene Stickereibetrieb wurde zunächst von der Firma M weitergeführt. Infolge von Anträgen der Frau M P, einer Angestellten S, auf Gewährung einer Unterstützung gemäß §10 und §11 StickFöG wurden vier Stickmaschinen des (verstorbenen) Gewerbetreibenden He S plombiert. Für die Zeiträume der Plombierung, dreimal vom 28.7. bis zum 17.8.1982 sowie einmal vom 30.6.1982 bis zum 19.8.1982, wurden der Firma He S Nachfg., Stickereifabrikation, mit drei Bescheiden des Stickereiförderungsausschusses vom 15.10.1982 (Zlen. 6705/446/82, 6705/447/82 und 6705/448/82) je S 7.650,-- sowie mit einem vierten Bescheid vom selben Tag, Z6705/291/82, S 19.350,--, sohin insgesamt ein Betrag in der Höhe von S 42.300,-- gemäß §4 StickFöG im Wege der Beitragszahlung zuerkannt.

Im Sommer des Jahres 1982 besichtigte der mit der Abwicklung der Verlassenschaft nach He S betraute Notar den zum Nachlaß gehörenden Stickereibetrieb. Er stellte das Vorhandensein einer aufrechten Betriebstätigkeit fest und gewann den Eindruck, daß der Betrieb von einer Frau P geführt wurde. Wie er in der mündlichen Streitverhandlung vor dem Landesgericht Feldkirch vom 6.11.1985 im Verfahren 3 Cg 429/85 ausführte, unternahm er in der Zeit vom Sommer 1982 bis Mai 1983 nichts bezüglich des Stickereibetriebes und kümmerte sich auch nicht darum, wer ihn für die Zeit des ruhenden Nachlasses führte.

Im Herbst des Jahres 1982 erschien Ha S, der Bruder des - am 31.5.1982 - verstorbenen He S, welcher an der an derselben Adresse wie He S Stickereibetrieb angesiedelten J.C. S KG., Stickereifabrikation, als Kommanditist mit einer Kommanditeinlage von S 10.000,-- sowie am Vermögen wie auch an Gewinn und Verlust der Gesellschaft mit 20 % beteiligt war. Zur Geschäftsführung und Vertretung dieses Betriebes war gemäß §6 des Gesellschaftsvertrages ausschließlich der persönlich haftende Gesellschafter He S berechtigt und verpflichtet. Ha S begann sich in die Geschäftsführung des Stickereibetriebes seines verstorbenen Bruders einzumischen. Dritten gegenüber trat er als Leiter des Betriebes auf. Die Firma M zog sich daraufhin zurück.

In weiterer Folge teilte Ha S dem Leiter des Stickereiförderungsausschusses, den er in dessen Büro aufsuchte, mit, daß er bis zur Durchführung der Verlassenschaft den Betrieb übernehme. Ha S, der in der folgenden Zeit im Betrieb anzutreffen war, stellte auch eine Reihe von Anträgen auf Gewährung einer Unterstützung gemäß den §§10 und 11 StickFöG und meldete Stickereimaschinen zur Plombierung an. Der Leiter des Stickereiförderungsausschusses, der wußte, daß Ha S der Bruder He S war und der mehrmals selbst Plombierungen und Entplombierungen im Betrieb vornahm, wurde dabei stets im Büro von Ha S empfangen, der auf ihn den Eindruck des Geschäftsführers machte und auch die entsprechenden Anträge unterschrieb. Aufgrund dieser Anträge und der darauf erfolgten Plombierungen und Entplombierungen von Maschinen sprach der Stickereiförderungsausschuß der Firma He S Nachfg., Stickereifabrikation (bzw. Stickerei), mit einer Reihe von Bescheiden Unterstützungen in der Höhe von insgesamt S 35.550,-- zu, und zwar mit Bescheid vom

25.11.1982 Z6705/532/82 S 5.850,--

25.11.1982 Z6705/533/82 S 4.050,--

25.11.1982 Z6705/534/82 S 9.000,--

25.11.1982 Z6705/535/82 S 3.150,-- und mit Bescheid vom

18.1.1983 Z6705/555/82 S 13.500,--.

Am 2.12.1982 gab der Stickereiförderungsausschuß den Auftrag, den mit den Bescheiden Zlen. 6705/532 - 6705/535 zugesprochenen Betrag von insgesamt S 22.050,-- unter Angabe der "Firma He S Nachf. Stickerei" als Empfänger auf das von Ha S angegebene Konto Nr. ... der Bank für Tirol und Vorarlberg in Dornbirn zu überweisen. Die Überweisung wurde von der Bank jedoch mit dem Hinweis nicht durchgeführt, daß Kontonummer und Empfänger nicht übereinstimmen. Der Leiter des Stickereiförderungsausschusses schöpfte daraufhin, wie er im Verfahren Z3 Cg 429/85 in der mündlichen Streitverhandlung vom 6.11.1985 vor dem Landesgericht Feldkirch ausführte, jedoch deshalb keinen Verdacht, weil es öfter vorkomme, daß Stickereiunternehmer ihre Bankverbindungen wechseln. Außerdem sei Ha S schon am nächsten Tag zu ihm gekommen und habe ihm gesagt, wohin er die Unterstützungsgelder zu überweisen habe, nämlich auf das Konto Nr. ... bei der Creditanstalt Bankverein Dornbirn. Auf dieses Konto wurde mit jeweils für "He S Nachf. Stickerei" bestimmten Bankaufträgen vom 10.12.1982 und vom 26.1.1983 die mit den zitierten Bescheiden vom 15.10.1982, 25.11.1982 und vom 18.1.1983 zugesprochene Summe in der Höhe von insgesamt S 77.850,-- überwiesen; dies ergibt sich übereinstimmend aus der Zeugenaussage des Leiters des Stickereiförderungsausschusses vor dem Bezirksgericht Dornbirn am 15.11.1983 (Akt 18a Vr 18/85 des Landesgerichtes Feldkirch, S. 268) und dem Schreiben des Rechtsvertreters der Mutter der Klägerin vom 16.4.1985 an die Creditanstalt Bankverein (Beil. zu ONr. 12 im Akt 3 Cg 429/85 des Landesgerichtes Feldkirch).

Erst am 22.11.1982 nahm die Mutter der damals noch minderjährigen Klägerin gemeinsam mit ihrem Rechtsvertreter, einem Mitarbeiter des mit der Abwicklung des Verlassenschaftsverfahrens betrauten Notars und einem Stickereisachverständigen im Betrieb einen Augenschein vor, wie sich aus einem Amtsvermerk vom selben Tag ergibt, der in dem die Verlassenschaft nach He S betreffenden Akt Z A284/82 des Bezirksgerichtes Dornbirn (ONr. 3) erliegt. Bei dieser Gelegenheit wurde festgestellt, daß von den fünf in der Stickerei beschäftigten Personen zwei von Ha S angestellt worden waren. Da sich aus verschiedenen Unterlagen ergab, daß Ha S unbefugt die Geschäftsführung ausübte und die Einforderung verschiedener Zahlungen auf ein von ihm neu angelegtes, auf ihn selbst lautendes Konto bei der BTV Dornbirn veranlaßt hatte, wurde das Büro versiegelt. Den Schlüssel erhielt der Rechtsvertreter der Mutter der nunmehrigen Klägerin.

Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 3.12.1982 wurde der Klägerin, vertreten durch ihre Mutter, schließlich die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses nach He S im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens überlassen.

Ungeachtet dessen stellte im Jänner 1983 Ha S dennoch mehrere Anträge auf Plombierungen und Entplombierungen von Stickereimaschinen sowie auf Gewährung einer Unterstützung gemäß §§10 und 11 StickFöG, was zum Zuspruch von insgesamt S 28.800,-- mit zwei Bescheiden des Stickereiförderungsausschusses vom 25.2.1983, Zlen. 253/83, 254/83 und 286/83, 287/83, an "He S Nachf. Stickerei" führte.

Anfang März 1983 schließlich setzte die Mutter der Klägerin den Leiter des Stickereiförderungsausschusses davon in Kenntnis, daß Ha S keinerlei Geschäftsführungsbefugnis zukomme. In weiterer Folge teilte der Rechtsvertreter der Mutter der nunmehrigen Klägerin dem Leiter des Stickereiförderungsausschusses die Nummer des Kontos der Verlassenschaft nach He S mit, auf welches die mit den - auf Anträgen des Ha S beruhenden - Bescheiden vom 25.2.1983 zugesprochenen Beträge überwiesen wurden.

In der mündlichen Streitverhandlung vor dem Landesgericht Feldkirch vom 6.11.1985 erklärte die Mutter der Klägerin:

"Natürlich bin ich mit der Antragstellung durch Ha S im Rahmen der Firma S einverstanden. Ich bin jedoch nicht damit einverstanden, was er bezüglich der Auszahlung der Gelder verfügte bzw. daß er überhaupt Gelder in Empfang nahm."

Am 1.3.1984 wurde der nunmehrigen Klägerin, der am 8.3.1971 geborenen Tochter He S, mit Beschluß des Bezirksgerichts Dornbirn der Nachlaß ihres am 31.5.1982 verstorbenen Vaters als Alleinerbin eingeantwortet.

8.2. Im vorliegenden Fall haben sich die Klägerin sowie deren gesetzliche Vertreterin durch Monate nach dem Ableben des Erblassers um die Firma He S und deren Betrieb nicht gekümmert. Ebensowenig hat der Gerichtskommissär im Verlassenschaftsverfahren gegenüber der beklagten Partei erkennbare Schritte gesetzt, die deutlich gemacht hätten, daß Ha S keine Geschäftsführungsbefugnis zukam. So war es möglich, daß Ha S in der Firma als Geschäftsführer auftrat. Er beantragte nicht nur bei der beklagten Partei, Plombierungen vorzunehmen, sondern war auch bei der Plombierung und Entplombierung von Stickereimaschinen durch die beklagte Partei im Betrieb anwesend und erweckte dabei den Eindruck, daß ihm die Befugnis zur Geschäftführung zustehe.

Obwohl der Klägerin, vertreten durch ihre Mutter, die Verwaltung des Nachlasses bereits am 3.12.1982 übertragen wurde, hat sie sich erstmals im März 1983 mit der beklagten Partei in Verbindung gesetzt und diese darüber informiert, daß Ha S nicht befugt gewesen war, die Zahlung der Förderungsmittel auf das von ihm genannte Konto zu veranlassen. Daß die Mutter der Klägerin, also deren gesetzliche Vertreterin, damit einverstanden war, daß Ha S die Förderungsanträge bei der beklagten Partei stellte, wurde bei ihrer Vernehmung in der mündlichen Streitverhandlung vor dem Landesgericht Feldkirch noch am 6.11.1985 bekundet. Dies bestätigt den Eindruck, den die beklagte Partei haben mußte, daß Ha S die Befugnis für die Antragstellung und Abwicklung der Förderungen zukam.

Der Stickereiförderungsausschuß konnte folglich auf den äußeren Anschein vertrauen und mit schuldbefreiender Wirkung die an die Firma "He S Nachf. Stickerei" gerichteten Zahlungen auf das von Ha S angegebene Konto leisten.

9. Das Klagebegehren war daher in Ermangelung eines gültigen Titels abzuweisen.

Kosten waren nicht zuzusprechen, da solche von der beklagten Partei nicht begehrt wurden.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

10. Bei diesem Ergebnis ermangelt es dem Eventualantrag auf Entscheidung eines negativen Kompetenzkonfliktes jeglicher Grundlage, weshalb auf ihn nicht weiter einzugehen ist.

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