VfGH A1/2014

VfGHA1/201418.9.2014

Zurückweisung einer auf Zinsen und Kosten eingeschränkten Klage eines Gemeindebediensteten auf Auszahlung von - wegen ungerechtfertigter Abwesenheit von Dienst zunächst nicht ausbezahlten - Monatsbezügen; keine bloße Liquidierungsklage; Gebührlichkeit der Bezüge strittig; Annex-Charakter von Verzugszinsen

Normen

B-VG Art137 / Bescheid
B-VG Art137 / Liquidierungsklage
Bgld GemeindebedienstetenG 1971 §3 Abs1
Bgld Landesbeamten-BesoldungsrechtsG 2001 §12a Abs1 Z2
B-VG Art137 / Bescheid
B-VG Art137 / Liquidierungsklage
Bgld GemeindebedienstetenG 1971 §3 Abs1
Bgld Landesbeamten-BesoldungsrechtsG 2001 §12a Abs1 Z2

 

Spruch:

I. Die Klage wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit € 250,22 bestimmten Prozesskosten binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Begründung

1. Der Kläger steht seit 1984 in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur beklagten Gemeinde (im Folgenden: beklagte Partei).

1.1. In seiner vorliegenden, auf Art137 B‑VG gestützten Klage begehrt der Kläger im Wesentlichen die Auszahlung seiner Bezüge samt Nebengebühren für Jänner und Februar 2014.

1.2. Die beklagte Partei begehrt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Klage. Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Auszahlung der Bezüge für Jänner und Februar 2014 auf Grund (wohl: §3 Abs1 Bgld. Gemeindebedienstetengesetz 1971, LGBl 13/1972, idF LGBl 27/2008, iVm) §12a Abs1 Z2 des Bgld. Landesbeamten-Besoldungsrechtsgesetzes 2001 (LBBG 2001), LGBl 67, idF LGBl 38/2012, wegen ungerechtfertigten Fernbleibens vom Dienst zunächst unterblieben, nach Vorlage ärztlicher Bestätigungen allerdings am 2. Februar 2014 bzw. am 21 Februar 2014 erfolgt sei.

1.3. Der Kläger erstattete daraufhin eine Replik, in welcher das Klagsbegehren auf Zinsen (für den Monatsbezug Jänner 2014 von 1. Jänner bis 20. Februar 2014 bzw. für den Monatsbezug Februar 2014 von 1. bis 6. Februar 2014) und Kosten eingeschränkt wird. Gleichzeitig werde die Klage auf den Ersatz zweier Reiserechnungen in Höhe von insgesamt € 159,03 samt Zinsen "ausgedehnt".

2. Nach Art137 B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, die Länder, die Gemeinden und die Gemeindeverbände, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

3. Mit der Klage werden vermögensrechtliche Ansprüche besoldungsrechtlicher Natur gegen eine – die beklagte – Gemeinde geltend gemacht. Sie gründen sich auf das Bestehen eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses zu dieser Gebietskörperschaft. Da es sich somit um öffentlich-rechtliche Ansprüche, also nicht um bürgerliche Rechtssachen (§1 JN) oder um andere Angelegenheiten handelt, die vor den ordentlichen Gerichten auszutragen sind, sind die ordentlichen Gerichte zur Entscheidung über diese Ansprüche nicht zuständig. Es ist aber zu prüfen, ob über die Klagsansprüche durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erkennen ist.

4. Besoldungsrechtliche Ansprüche eines Beamten werden in der Regel in drei Phasen – Schaffung eines Rechtstitels, Bemessung und Liquidierung – verwirklicht. Die letzte Phase (Liquidierung, Auszahlung) ist ein technischer Vorgang, der nur der Verwirklichung der vorangegangenen Bescheide dient, also selbst nicht durch Bescheid der Verwaltungsbehörde zu erledigen ist, sodass für die Entscheidung eines solchen Liquidierungsbegehrens die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gemäß Art137 B‑VG gegeben ist (so die ständige, mit VfSlg 3259/1957 eingeleitete Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes). Geht es nicht bloß um die Liquidierung eines besoldungsrechtlichen Anspruches, sondern um die Rechtsfrage der Gebührlichkeit, so ist darüber im Streitfall durch Bescheid der zuständigen (Dienst-)Behörde zu entscheiden (vgl. die mit den Erkenntnissen VfSlg 7172/1973 und 7173/1973 beginnende Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes).

5. Die durch die Replik des Klägers auf die Gegenschrift der beklagten Partei eingeschränkte Klage macht Verzugszinsen für die – behaupteterweise – verspätete Auszahlung von Monatsbezügen geltend. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist ein Anspruch auf Verzugszinsen nur dann ein vermögensrechtlicher Anspruch im Sinne des Art137 B‑VG, wenn auch der vermögensrechtliche Anspruch, bezüglich dessen ein Verzug geltend gemacht wird, im Wege einer Klage nach Art137 B‑VG geltend zu machen wäre; ist die Hauptsache durch Bescheid zu erledigen, gilt das auch für den Anspruch auf Verzugszinsen (vgl. VfSlg 7571/1975, 10.470/1985, 12.024/1989, 14.204/1995, 18.067/2007).

5.1. Gemäß §3 Abs1 des Bgld. Gemeindebedienstetengesetzes 1971 iVm §12a Abs1 Z2 LBBG 2001 entfallen die Bezüge, wenn der Beamte eigenmächtig länger als drei Tage dem Dienst fernbleibt, ohne einen ausreichenden Entschuldigungsgrund nachzuweisen, für die Gesamtdauer der ungerechtfertigten Abwesenheit vom Dienst. Auf Grundlage dieser Bestimmung hat die beklagte Partei die betreffenden Monatsbezüge bis 2. Februar 2014 bzw. bis 21. Februar 2014 nicht ausbezahlt.

5.2. Bei dieser Sach- und Rechtslage kann nicht gesagt werden, dass der vermögensrechtliche Anspruch, bezüglich dessen ein Verzug geltend gemacht wird, bloß die Liquidierung gebührender Dienstbezüge betrifft; er bezieht sich vielmehr auf die Rechtsfrage der Gebührlichkeit dieser Bezüge unter dem Blickwinkel des §3 Abs1 des Bgld. Gemeindebedienstetengesetzes 1971 iVm §12a Abs1 Z2 LBBG 2001 (vgl. zur vergleichbaren Bestimmung in §12c Abs1 Z2 Gehaltsgesetz 1956, BGBl 54, idF BGBl I 140/2011, bzw. ihren Vorgängerbestimmungen VfSlg 15.041/1997, 15.405/1999; weiters VfSlg 7260/1974). Über eine solche Frage ist im Streitfall mit Bescheid der zuständigen Dienstbehörde zu entscheiden, zumal ein rechtliches Interesse des Klägers an der Feststellung gegeben ist, ob ein Entfall der Bezüge gemäß dieser Bestimmung eingetreten ist (vgl. wiederum VfSlg 7260/1974, 15.041/1997, 15.405/1999; weiters etwa VwSlg. 15.742 A/2001; VwGH 8.4.1992, 87/12/0136; 24.2.2006, 2003/12/0187; 4.9.2012, 2012/12/0032). Vor die Dienstbehörde gehört sohin auch ein allfälliger Anspruch auf Leistung von Verzugszinsen bis zum Tage des Zuspruchs der Bezüge (vgl. VfSlg 7846/1976, 18.067/2007). Dass das Gesetz Verzugszinsen nicht vorsieht, ändert am Annex-Charakter des geltend gemachten Anspruchs nichts (vgl. VfSlg 18.067/2007).

5.3. Da somit über den Klagsanspruch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erkennen ist, sind die Prozessvoraussetzungen des Art137 B‑VG nicht gegeben. Der Verfassungsgerichtshof ist daher nicht zuständig, über das Klagsbegehren zu entscheiden.

6. Der Kläger macht in seiner Replik auf die Gegenschrift der beklagten Partei im Wege einer "Ausdehnung" des Klagsbegehrens dem Sinn nach eine Reisekostenvergütung in Form einer besonderen Entschädigung gemäß §3 Abs1 des Bgld. Gemeindebedienstetengesetzes 1971 iVm §62 Abs2 und 3 LBBG 2001 sowie die Gewährung einer Reisezulage bestehend aus Tagesgebühren gemäß §3 Abs1 des Bgld. Gemeindebedienstetengesetzes 1971 iVm §69 LBBG 2001 in Höhe von insgesamt € 159,03 samt Zinsen geltend. Wie der Begründung dieses Klagsbegehrens selbst zu entnehmen ist, ist die Gebührlichkeit dieser Ansprüche strittig, sodass der Kläger auch insoweit auf den Administrativweg zu verweisen ist (siehe Pkt. 4.). Damit kann insbesondere dahinstehen, ob die Klagserweiterung gemäß §35 Abs1 VfGG iVm §235 ZPO zuzulassen ist oder nicht (vgl. idZ etwa VfSlg 6198/1970).

7. Die Klage ist daher wegen Unzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zurückzuweisen.

8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §41 VfGG. Die Gegenschrift ist nur nach TP2 des RATG zu honorieren (vgl. VfSlg 11.395/1987, 12.313/1990, 17.533/2005, 19.216/2010). In den zugesprochenen Kosten sind die – nicht bestrittenen – verzeichneten Barauslagen in Höhe von € 1,80 sowie Umsatzsteuer in Höhe von € 41,70 enthalten.

9. Dieser Beschluss konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

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