OLG Wien 4R10/99s

OLG Wien4R10/99s19.4.1999

Das Oberlandesgericht Wien als Rekursgericht hat durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Derbolav als Vorsitzenden sowie die Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Pimmer und Dr. Pöschl in der Rechtssache der klagenden Partei F***** P***** Guernsey, G*****, vertreten durch Draxler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei C*****, N*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Lafite, Rechtsanwalt in Wien, wegen US-Dollar 395.200,-- (öS 4,564.560,--) und Feststellung, infolge des Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 4.12.1998, 19 Cg 88/98g-3, den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird n i c h t Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen. Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung

Die klagende Partei stellte folgendes Urteilsbegehren:

1. Die Beklagte ist schuldig an die Klägerin USD 395.200 samt 25 % Zinsen per anno bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

2. Die Beklagte kann sich jedoch von der Zahlung der unter Punkt 1. bezeichneten Forderung samt Zinsen durch Zahlung dieser Forderung in österreichischen Schillingen umgerechnet auf Basis des von der österreichischen Nationalbank am Zahltag herausgegebenen Devisenmittelkurses für US-Dollar befreien.

3. Es wird festgestellt, daß die Beklagte für alle Schäden der Klägerin, die durch den Rückzahlungsverzug mit dem Klagsbetrag seit 15.9.1998 bedingt sind, haftet.

Die Klägerin brachte dazu im wesentlichen vor, sie habe einen Anspruch auf Rückzahlung des Klagsbetrages der von der beklagten Partei am 4.9.1998 zu Unrecht aus dem Gesellschaftsvermögen der Klägerin abgezogen worden sei.

Die beklagte Partei stellte den Antrag auf Leistung einer Prozeßkostensicherheit und beantragte im übrigen die Klage abzuweisen.

Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Erstgericht den Antrag, der Klägerin eine aktorische Kaution aufzuerlegen, ab. Zur Begründung führte es aus, daß das Verfahren gemäß Art.1 unter das Lugano-Übereinkommen falle, sodaß gemäß Art.31 Entscheidungen in jedem Vertragsstaat vollstreckbar seien. Ein Vorbehalt hinsichtlich der Kanalinseln bestehe nicht, sodaß gemäß Art.55 aa0 der britisch-österreichische Vollstreckungsvertrag außer Kraft getreten sei und die Klägerin daher gemäß § 57 Abs.2 Z 1 a ZPO vom Erlag einer aktorischen Kaution befreit sei.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der beklagten Partei, der nicht berechtigt ist.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend weist die Rekurswerberin darauf hin, daß die Kanalinseln nicht zum Vereinigten Königreich gehören und für sie das Lugano-Übereinkommen nicht gilt.

Das Rekursgericht hat daher gemäß § 57 Abs.3 ZPO eine Auskunft des Bundesministeriums für Justiz darüber eingeholt, ob in Guernsey eine gerichtliche Entscheidung, die dem Kläger den Ersatz der Prozeßkosten auferlegt, vollstreckt würde.

Das Bundesministerium für Justiz hat dazu folgendes mitgeteilt:

"Das Auskunftsersuchen zielt auf die Frage ab, ob einem in Guernsey wohnhaften oder ansässigen Kläger eine Sicherheitsleistung für Prozeßkosten nach § 57 ZPO auferlegt werden kann. Zutreffend wird bemerkt, daß sich das Lugano-Übereinkommen (wie auch das Brüsseler Übereinkommen) nicht auf die Kanalinseln erstreckt. Das Vereinigte Königreich hat hinsichtlich der Kanalinseln sowie der Insel Man keine Erstreckungserklärung im Sinne des Art.60 LGVÜ/EuGVÜ abgegeben (vgl. hiezu BGH in dRIW 95, 150).

Das Vereinigte Königreich ist nicht Vertragsstaat des Übereinkommens vom 1. März 1954 betreffend das Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen (Haager Prozeßübereinkommen - HPÜ 1954, BGBl. Nr.91/1957), weshalb eine Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung einer Prozeßkostensicherheit nicht auf Art.17 leg.cit. gestützt werden kann.

Eine Bestimmung zur Prozeßkostensicherheit findet sich auch in Art.11 des österreichisch-britischen Rechtshilfeabkommens vom 31. März 1931 (BGBl. Nr.45/1932). Danach sind Angehörige eines Vertragsstaates, die im anderen Vertragsstaat als Kläger in einem Gerichtsverfahren auftreten, nicht verpflichtet, eine Prozeßkostensicherheit zu leisten, wenn auch ein Angehöriger des Prozeßstaates hiezu nicht verpflichtet wäre. Vorausgesetzt ist, daß der Kläger in einem der Vertragsstaaten wohnhaft ist.

Diese Bestimmung ist textlich etwas anders als Art.17 HPÜ 1954 gefaßt. Aber auch aus dieser Bestimmung kann abgeleitet werden, daß nur wegen der Eigenschaft des Klägers als Ausländer (Nicht-Angehöriger des Prozeßstaates) diesem eine Sicherheitsleistung nicht auferlegt werden darf. Auch wenn § 57 Abs.2 ZPO nur auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Klägers, nicht aber auch auf seine Staatsangehörigkeit abstellt, so ergibt sich doch aus § 57 Abs.1 ("Ausländer"), daß österreichische Staatsangehörige nicht verpflichtet sind, eine Prozeßkostensicherheitsleistung zu leisten. Allerdings wird im Kommentar (Duchek/Schütz/Tarko, Zwischenstaatlicher Rechtshilfeverkehr in Zivilrechtssachen, MGA²,

767) ausgeführt, daß (nur) Kläger mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem Gebiet, für das der Vollstreckungsvertrag mit Großbritannien in Kraft stehe (England, Wales, Schottland, Nordirland und Hong Kong), von einer Sicherheitsleistung dann befreit wären, wenn die österreichische Prozeßkostenentscheidung dort nach Maßgabe des Vollstreckungsvertrages vollstreckt werden könnte.

Das erwähnte österreichisch-britische Rechtshilfeabkommen (BGBl. Nr.45/1932) bezieht sich sowohl auf das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland als auch auf seine Nebengebiete (außer den Neuen Hebriden). Der bilaterale Vollstreckungsvertrag (Vertrag vom 14. Juli 1961 zwischen der Republik Österreich und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (BGBl. Nr.224/1962), in der Fassung des Protokolls vom 6. März 1970 (BGBl. Nr.453/1971) gilt jedoch nur für England, Wales, Schottland, Nordirland und Hong Kong, nicht also auch für die Kanalinseln.

Resultiert der im anhängigen Rechtsstreit geltend gemachte Anspruch aus einer der im EG-Vertrag gewährten Grundfreiheiten, so ist das Diskriminierungsverbot des Art.6 EGV anzuwenden. In einem solchen Fall wären britische Staatsangehörige den Österreichern gleichgestellt, sodaß sie auch dann von der Prozeßkostensicherheitsleistung befreit wären, wenn die Kostenentscheidung (Prozeßkosten des obsiegenden Beklagten) nicht vollstreckt werden kann (vgl. EuGH 2.10.1997, Rs C-122/96 -Saldanha, Slg.1997, I-5325). Nach Art.227 EGV findet dieser Vertrag auf die Kanalinseln und die Insel Man nur insoweit Anwendung, als dies erforderlich ist, um die Anwendung der Regelung sicherzustellen, die in dem am 22.1.1972 unterzeichneten Vertrag über den Beitritt neuer Mitgliedstaaten zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und zur Europäischen Atomgemeinschaft für diese Inseln vorgesehen ist."

Da sich das Lugano-Übereinkommen (wie auch das Brüsseler-Übereinkommen) mangels einer Erstreckungserklärung des Vereinigten Königreiches, nicht auf die Kanalinseln (insbesondere Guernsey) erstreckt, ist auf den vorliegenden Rechtsfall das österreichisch-britische Rechtshilfeabkommen vom 31. März 1931 (BGBl. Nr.45/132) anzuwenden. Nach Art.11 dieses Übereinkommens sind Angehörige eines Vertragsstaates, die im anderen Vertragsstaat als Kläger in einem Gerichtsverfahren auftreten, nicht verpflichtet eine Prozeßkostensicherheit zu leisten, wenn auch ein Angehöriger des Prozeßstaates hiezu nicht verpflichtet wäre. Vorausgesetzt ist, daß der Kläger in einem der Vertragsstaaten wohnhaft ist. Nach Auskunft des Bundesministerium für Justiz sind jedoch österreichische Staatsangehörige nicht verpflichtet eine Prozeßkostensicherheit zu leisten. Da aber das österreichisch-britische Rechtshilfeabkommen vom 31. März 1931 auch die Nebengebiete des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland umfaßt, bedeutet dies nach Art.11 des Abkommens, daß die in Guernsey domizilierte klagende Gesellschaft - als Angehörige des Vereinigten Königreichs im Sinn dieser Gesetzesstelle - infolge Gegenseitigkeit von der Leistung einer Prozeßkostensicherheit befreit ist.

Es mußte daher dem Rekurs zumindest im Ergebnis ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40 und 50 ZPO, der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses auf § 528 Abs.2 Z 2 ZPO.

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