OGH Okt31/90

OGHOkt31/905.7.1990

Das Kartellobergericht beim Obersten Gerichtshof hat durch den stellvertretenden Vorsitzenden Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch seine weiteren Mitglieder Kommerzialräte Dr. Bauer, Dkfm. Dr. Grünwald, Dr. Lettner, Dr. Placek, Dr. Reindl und Dr. Schwarz in der Kartellrechtssache der Antragstellerin R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wider die Antragsgegnerin D*** Autohandelsgesellschaft m.b.H., Wien 23., Zetschegasse 13, vertreten durch Dr. Ernst Schmerschneider, Dr. Hilbert Aubauer, Dr. Peter Berethalmy, Dr. Karl Fritsche und Dr. Christine Berethalmy-Deuretzbacher, Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufforderung zur Anzeige eines Wirkungskartells gemäß § 57 KartG 1988 infolge Rekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluß der Stellvertreterin des Vorsitzenden des Kartellgerichtes beim Oberlandesgericht Wien vom 9. Februar 1990, Kt 1347/89-10, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung

Mit dem angefochtenen Beschluß forderte die Stellvertreterin des Vorsitzenden des Kartellgerichts beim Oberlandesgericht Wien die Antragsgegnerin über Antrag der Amtspartei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, gemäß § 57 KartG 1988 ohne Prüfung der tatsächlichen Voraussetzungen (§ 57 Abs. 2 S 1), aber mit Belehrung über die Rechtsfolgen der Nichtbefolgung des Auftrags (§ 57 Abs 2 und § 130) und über die notwendige Vertretung durch einen Kartellbevollmächtigten (§ 54), als Mitglied eines Wirkungskartells auf, binnen einem Monat ab Zustellung des Beschlusses beim Kartellgericht die Genehmigung dieses Kartells zu beantragen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen von der Antragsgegnerin durch einen gewählten Rechtsanwalt erhobene Rekurs ist zulässig und berechtigt. Gemäß § 43 KartG 1988 entscheiden das Kartellgericht und das Kartellobergericht in Angelegenheiten nach diesem Bundesgesetz im Verfahren außer Streitsachen. Nach § 9 Abs 1 AußStrG kann Rekurs erheben, wer sich durch die Verfügung der ersten Instanz über einen Gegenstand der Gerichtsbarkeit außer Streitsachen beschwert erachtet. Voraussetzung der Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist daher ein schlüssig behaupteter Eingriff in die geschützte Rechtssphäre (SZ 42/176; SZ 50/41 ua.). Unter einer anfechtbaren Verfügung ist eine auf die Erzeugung von Rechtswirkungen gerichtete prozessuale Willenserklärung des Gerichtes zu verstehen, deren Abänderung oder Aufhebung das dagegen erhobene Rechtsmittel bezweckt. Bei Prüfung in dieser Richtung ist kein kleinlicher Maßstab anzulegen. Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist also mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung nur dort abzulehnen, wo die Rechtsstellung des Beteiligten nicht gefährdet ist (SZ 50/41 mwN).

Durch den angefochtenen Beschluß wird die Rechtsstellung der Antragsgegnerin verändert, und sie ist hiedurch auch - sollte sie tatsächlich Mitglied eines Wirkungskartells sein - beschwert. Bis zum Ablauf der gesetzten Frist durfte die Antragsgegnerin nämlich gemäß § 18 Abs 1 Z 1 KartG ein allenfalls bestehendes solches Kartell auch ohne Genehmigung durchführen. Nach fruchtlosem Verstreichen der gesetzten Frist wäre ihr jedoch die auch nur teilweise weitere Durchführung gemäß § 57 Abs 3 KartG sogar unter strafgerichtlicher Sanktion (§ 130 Abs 1 KartG) verboten. Die Erhebung des vorliegenden Rekurses durch einen gewählten Rechtsanwalt statt einen Kartellbevollmächtigten war erlaubt. Die von der Stellvertreterin des Vorsitzenden des Kartellgerichts gemäß § 57 Abs 2 KartG in den Beschluß aufgenommene Belehrung über die Bestimmung des § 54 KartG - wonach sich die Kartellmitglieder vor dem Kartellgericht und dem Kartellobergericht durch einen im Inland wohnhaften Kartellbevollmächtigten vertreten lassen müssen - gilt noch nicht für das Rechtsmittelverfahren über die Aufforderung durch das Kartellgericht zur Antragstellung, weil hier noch keine Gemeinschaftsrechte auszuüben sind oder betroffen werden (siehe die Möglichkeit nach § 57 Abs 1 KartG, ohne Bestellung eines Kartellbevollmächtigten um Fristverlängerung anzusuchen; vgl. auch § 54 Abs 2 KartG und Jelinek, ÖBl. 1968, 25 Ä28Ü).

In der Sache selbst richtet sich der Rekurs dagegen, daß die Aufforderung zum Antrag auf Genehmigung des angeblichen Wirkungskartells ohne jede Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen für die Beschlußfassung erteilt worden sei. Eine vermeintliche Bindung des Kartellgerichtes an den Antrag einer Amtspartei verstoße gegen das Verfassungsgebot der Trennung von Justiz und Verwaltung, somit gegen Art. 6 MRK und Art. 83 Abs 2 B-VG.

Bei der allseitigen rechtlichen Überprüfung des angefochtenen Beschlusses ist zunächst wahrzunehmen, daß der bekämpfte Auftrag der Stellvertreterin des Vorsitzenden des Kartellgerichts dem § 57 Abs 1 KartG 1988 schon formell nicht entspricht. Auf Antrag einer Amtspartei sind die Mitglieder unter anderem von Wirkungskartellen, die kein Bagatellkartell sind, aufzufordern, binnen einem Monat beim Kartellgericht die Genehmigung des Kartells zu beantragen. Nach dieser klaren Gesetzesbestimmung kann die Aufforderung nicht wirksam allein an ein angebliches Mitglied eines Wirkungskartelles gerichtet werden. Eine solche Aufforderung wäre auch sachlich ohne Sinn. Dem einzelnen Aufgeforderten wäre zwar sodann die weitere Durchführung des Kartells untersagt (§ 57 Abs 3 KartG 1988), nicht aber allen übrigen möglichen Kartellanten. Nur die Zustellung der Aufforderung genügt gemäß § 57 Abs 2 KartG an ein einziges Kartellmitglied. Das ist zwar auch nicht immer zielführend, weil sich ein Kartellmitglied, dem kein Verschulden an einer weiteren Durchführung des Kartells vorgeworfen werden kann (etwa infolge nicht einmal fahrlässiger Unkenntnis der Aufforderung), sich nicht nach § 130 KartG strafbar macht; die Bestimmung mag aber bei vermuteten Wirkungskartellen großen Umfangs und häufig wechselnden Teilnehmern ihren Sinn haben. Im allgemeinen ist jedoch auch die Zustellung an alle bekannten Kartellmitglieder zu empfehlen.

Das Erstgericht wird daher den vorliegenden Antrag der Amtspartei Republik Österreich zunächst dahin zu prüfen haben, welche gerichtsbekannte oder von dieser Amtspartei namhaft gemachten Mitglieder des angeblichen Wirkungskartells im Sinn des § 57 KartG zur Antragstellung auf Genehmigung des Kartells aufzufordern sind. Auf die weiteren, im Rekurs angeschnittenen Rechtsfragen betreffend die Zulässigkeit dieses Auftrages ist vorläufig nicht einzugehen, um die übrigen möglichen Antragsgegner nicht zu präjudizieren.

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