OGH 9Os74/78

OGH9Os74/7812.6.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Juni 1979

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek sowie der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Maukner als Schriftführer in der Strafsache gegen Hans A und andere wegen des Verbrechens wider die Volksgesundheit nach § 6 Abs 1

SuchtgiftG und anderer strafbarer Handlungen über die von dem Angeklagten Stephen B gegen das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 16. Februar 1978, GZ 11 c Vr 743/77-75, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Senatspräsident des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Stegmüller und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Knob, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die über den Angeklagten B verhängte Freiheitsstrafe gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten B auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde unter anderen Stephen B des Verbrechens nach § 6 (Abs 1) SuchtgiftG und des Vergehens nach § 9 Abs 1 Z 2 SuchtgiftG schuldig erkannt.

Das bezeichnete Verbrechen liegt ihm zur Last, weil er in der Zeit von Anfang 1975 bis Oktober 1977 in Niederkreuzstetten und Hausbrunn vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in solcher Menge, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte, und zwar rund 200 Gramm Haschisch und 20 Zündholzschachteln voll Marihuana, in Verkehr gesetzt hatte (Punkt I.5. des Urteilssatzes). Der Sache nach nur diesen Schuldspruch ficht der Angeklagte mit einer auf Z 5 - inhaltlich Z 10 - des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an, mit der er unter Hinweis auf die Dauer des Tatzeitraums sowie darauf, daß er das Suchtgift nur an die Mitangeklagten verkauft habe, Feststellungsmängel darüber geltend macht, ob er zumindest einmal eine Teilmenge von wenigstens etwa 100 Gramm Haschisch verhandelt habe.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde geht fehl.

Das Verbrechen nach § 6 Abs 1 SuchtgiftG setzt bei einer Begehung durch mehrere Tathandlungen nicht voraus, daß dabei in jedem einzelnen oder doch mindestens in einem Fall eine solche Suchtgiftmenge erzeugt, eingeführt, ausgeführt oder in Verkehr gesetzt wird, aus der (in Verbindung mit ihrer Verwendungsbestimmung) schon für sich allein in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen kann; das Delikt kann vielmehr auch durch eine Folge von Einzelakten begangen werden, mit denen der Täter den vorerwähnten tatbestandsmäßigen Erfolg nach und nach erreicht.

Eine solcherart zur Annahme einer Handlungseinheit - und damit bei der Frage, ob durch die Summe der einzelnen Tathandlungen insgesamt eine (abstrakte) Gemeingefahr im Sinn des § 6 Abs 1 SuchtgiftG begründet wurde, zur Addition aller tatgegenständlichen Suchtgiftteilmengen - führende fortlaufende Tatbestandsverwirklichung (vgl Jescheck3 S 581) ist dann anzunehmen, wenn die betreffenden Einzelakte objektiv mit einer am einheitlichen Gefahrenbegriff orientierten Kontinuität gesetzt werden und wenn dabei auf der subjektiven Tatseite der mindestens bedingte Vorsatz des Täters jeweils auch den an die bewußt kontinuierliche Begehung geknüpften Additionseffekt mitumfaßt.

Dem Vorliegen dieser Voraussetzungen aber konnte das Erstgericht im gegebenen Fall bei der Erwägung, daß die Angeklagten im Hinblick auf die großen Suchtgiftmengen, den langen Tatzeitraum und die große Zahl der Abnehmer die Möglichkeit einer Gefahr größeren Ausmaßes bedacht und sich damit abgefunden, also mit Gefährdungsvorsatz zumindest in Form des dolus eventualis gehandelt haben (S 238/II), auch in Ansehung des Beschwerdeführers, der das Rauschgift auf Grund seiner (nur zeitweise und erfolglos bekämpften) Süchtigkeit im Tatzeitraum von dem wöchentlich damit Handel treibenden Erstangeklagten A kaufte und jeweils zur Hälfte (wenngleich ohne Gewinn) an die übrigen Mitangeklagten, die ihrerseits damit handelten, sowie an zwei weitere (abgesondert verfolgte) Abnehmer weiterverkaufte, ohne Rechtsirrtum ausgehen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 6 Abs 1

SuchtgiftG unter Anwendung der §§ 28, 41 Abs 1 Z 4 StGB zu zehn Monaten Freiheitsstrafe sowie nach § 6 Abs 4 SuchtgiftG zu 14.000 S (Wertersatz-) Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu einem Monat Ersatzfreiheitsstrafe, und ordnete gemäß § 22 Abs 1 StGB seine Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher sowie gemäß § 6 Abs 3 SuchtgiftG den Verfall des bei ihm sichergestellten Suchtgifts an. Der Berufung des Angeklagten, mit der er der Sache nach nur eine Herabsetzung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe und deren bedingte Nachsicht anstrebt, kommt teilweise Berechtigung zu. Bei der Strafzumessung wertete das Erstgericht den relativ langen Tatzeitraum und die Deliktshäufung als erschwerend, das volle Geständnis dagegen als mildernd.

Unter diesen Umständen war selbst unter Bedacht darauf, daß der Angeklagte das Suchtgift in einem verhältnismäßig kleinen Kreis und ohne Gewinn in Verkehr setzte, für eine noch weitergehende außerordentliche Strafmilderung kein Raum. Die Dauer der über ihn verhängten Freiheitsstrafe wird sowohl absolut als auch im Vergleich zu den übrigen Angeklagten seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) durchaus gerecht.

Insoweit war daher der Berufung nicht Folge zu geben. Im Hinblick darauf, daß der Berufungswerber von allen Angeklagten die geringste - und, auf den gesamten Tatzeitraum bezogen, auch absolut eine nicht allzugroße - Menge Suchtgift in Verkehr gesetzt hat sowie zudem nicht einschlägig (und auch sonst nur zweimal geringfügig) vorbestraft ist, können dagegen sowohl aus spezial- als auch aus generalpräventiver Sicht die Voraussetzungen des § 43 Abs 1 StGB doch als gegeben angesehen werden. In teilweiser Stattgebung der Berufung war demnach die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren vorläufig nachzusehen.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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