OGH 9Os153/85

OGH9Os153/8523.10.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 23.Oktober 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Zimmermann als Schriftführer in der Strafsache gegen Ludwig A wegen des Verbrechens der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen nach §§ 83 Abs. 1, 85 Z. 1 StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 18.Juni 1985, GZ. 13 Vr 842/84-32, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 28-jährige Ludwig A des Verbrechens der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen nach §§ 83 Abs. 1, 85 Z. 1 StGB. schuldig erkannt. Darnach hat er am 14.November 1983 in Tauplitz Oswald B durch einen Schlag mit einem Trinkglas in das Gesicht sowie durch einen Schlag mit einem Glassplitter gegen den Unterarm vorsätzlich am Körper verletzt, wobei die Tat neben einer Rißquetschwunde am Nasenrücken sowie Schnittwunden am Unterarm für immer eine schwere Schädigung des Sehvermögens, nämlich eine nahezu völlige Erblindung des linken Auges Oswald B, zur Folge hatte.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten dagegen aus den Z. 4, 5, 9 lit. a und 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO. erhobene Nichtigkeitsbeschwerde entbehrt einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung.

In seiner Verfahrensrüge (Z. 4) behauptet der Beschwerdeführer, in seinen Verteidigungsrechten dadurch beeinträchtigt worden zu sein, daß der Vorsitzende in der Hauptverhandlung am 18.Juni 1985 die Frage des Staatsanwaltes an den Gendarmeriebeamten Rudolf C darüber, ob der Angeklagte als gewalttätig bekannt sei, gegen den schon vor der Antwort des Zeugen erhobenen Widerspruch seines Verteidigers zugelassen habe, ohne daß er zuvor die nach dem Gesetz erforderliche Beschlußfassung durch den Schöffensenat herbeigeführt hatte.

Abgesehen nun davon, daß als Beweismittel alles gelten muß, was nach rein logischen Grundsätzen Beweis zu machen, d.h. die Wahrheit zu ergründen, geeignet ist (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO. 2 ENr. 62 zu § 281 Z. 4) und die Aufklärung gewalttätigen Vorverhaltens einer wegen eines Körperverletzungsdeliktes angeklagten Person evidentermaßen die obige Voraussetzung erfüllt, zeigt das (vollen Beweis machende) Hauptverhandlungsprotokoll (Mayerhofer-Rieder a. a.O. Nr. 15), daß es vorliegend an der Grundvoraussetzung zur Geltendmachung des relevierten Nichtigkeitsgrundes, daß nämlich über einen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag nicht oder nicht im Sinne des Antragstellers entschieden wurde, mangelt. Hatte sich doch der Verteidiger nach dem Protokoll (S. 147 d.A.) lediglich gegen eine weitere Befragung des Zeugen C - der zuvor auf eine Frage des öffentlichen Anklägers erklärt hatte, A sei als gewalttätig bekannt und das sei auch durch eine einschlägige Vorstrafe begründet - über einen Vorfall ausgesprochen, der den Angeklagten als offenbar gewalttätig ausweise und war in der Folge der genannte Gendarmeriebeamte vom Gericht - ersichtlich im Sinne des Widerspruchs des Verteidigers - über ein konkretes Vorverhalten des Angeklagten nicht mehr befragt worden; denn es beschränkte sich C nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls darauf, neuerlich global auf die in der Anzeige erwähnten Vorfälle hinzuweisen, wegen deren die Gendarmerie von Amts wegen eingeschritten war. Daß der Verteidiger sich sodann gegen die ohne vorangegangene Einholung eines Beschlusses des Senates erfolgte Zulassung der (ursprünglichen) Frage des Staatsanwaltes verwahrte, vermag die eingangs erwähnten formellen Voraussetzungen einer Verfahrensrüge aber schon deshalb nicht herzustellen, weil vor der 'Zulassung der Frage des Staatsanwaltes' kein dieser Zulassung entgegenstehender Antrag des Verteidigers gestellt worden war und der Verteidiger vor der Beantwortung der Frage durch den Zeugen C auch keine Beschlußfassung durch den Schöffensenat begehrt hatte (siehe dazu Mayerhofer-Rieder StPO. 2 ENr. 4 und 6 zu § 281 Z. 4).

In seiner Mängelrüge (Z. 5) moniert der Beschwerdeführer eine offenbar unzureichende und unvollständige Begründung in Ansehung der von ihm behaupteten Notwehrsituation. Insbesondere sei das Gericht darauf nicht weiter eingegangen, daß er - der Angeklagte - zunächst vom später Verletzten gegen eine Holzwand gedrückt und anschließend gewaltsam rücklings über eine Bank gebeugt wurde. Dabei läßt der Beschwerdeführer aber in prozeßordnungswidriger Weise unerwähnt, daß die Tatrichter seine Verantwortung, d.h. also seine Behauptung, er habe sich gegen Oswald B, der ihn würgte, gegen die Holzwand drückte und im Bereich der Hoden erfaßte, lediglich gewehrt, als unglaubhaft erachteten (S. 157) und auf Grund der von ihnen für glaubwürdig gehaltenen Angaben des Zeugen Helmut B und des objektivierten Glassplitterfeldes zur Annahme gelangten, der Angeklagte habe den auf dem Barhocker befindlichen Oswald B um 180 Grad herumgerissen und diesem sodann die inkriminierten Schläge mit dem Glas versetzt (S. 156 ff.). So gesehen, erweist sich das Vorbringen in der Mängelrüge der Sache nach als im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässige Bekämpfung der erstinstanzlichen Beweiswürdigung. Gleiches gilt von den in der Mängelrüge bekämpften tatrichterlichen Glaubwürdigkeitszuteilungen in bezug auf die Zeugen Helmut B und Josef D. Denn

auch hier ergeht sich die Beschwerde in hypothetischen Wahrscheinlichkeitsabwägungen ohne einen formalen Begründungsmangel dartun zu können.

Der im Rahmen der Rechtsrüge (Z. 9 lit. a) erhobene Einwand, das Urteil lasse jedwede Feststellung bezüglich des Vorsatzes des Angeklagten vermissen, übergeht die im Urteilstenor (ausdrücklich) und in den damit eine Einheit bildenden Entscheidungsgründen - in denen das Gericht durch die das Verhalten des Angeklagten beschreibenden Tätigkeitsworte ein willensgesteuertes, zielgerichtetes und (mithin zumindest bedingt) vorsätzliches Vorgehen, also auch die erforderliche Willenskomponente klar zum Ausdruck gebracht hat - mit hinreichender Deutlichkeit getroffene Feststellung über einen beim Angeklagten bestehenden Verletzungsvorsatz. Der Vorwurf aber, der (solcherart ohnedies) festgestellte Vorsatz sei unzureichend begründet, weil der Umstand allein, daß der Angeklagte sich zwischen die Brüder B begeben habe, noch kein Indiz für einen dolus darstelle, läßt unberücksichtigt, daß das Gericht insoweit dahin argumentierte, der Angeklagte habe den auf einem drehbaren Barhocker sitzenden Oswald B nach einem Wortstreit zunächst herumgedreht und ihm sodann mit dem Glas Schläge in Richtung Auge versetzt, woraus der als erwiesen angenommene Verletzungsvorsatz gewiß denkrichtig abgeleitet werden kann.

Da endlich die unter den Z. 9 lit. a und b des § 281 Abs. 1 StPO. aufgestellte Beschwerdebehauptung, das Urteil enthalte nicht die durch das Beweisverfahren und die Verantwortung des Angeklagten indizierten Feststellungen zur Frage der Notwehr, zur Gänze übergeht, daß die Tatrichter das Vorliegen einer Notwehrsituation ausdrücklich negierten, indem sie der darauf bezüglichen Verantwortung des Angeklagten und der Aussage des Zeugen D, das Verhalten des Angeklagten sei bloß eine Reaktion auf einen vorangegangenen Angriff des Oswald B gewesen, den Glauben versagten, mußte die im Ganzen nicht gesetzmäßig ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde schon bei einer nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285 d Abs. 1 Z. 1 StPO. in Verbindung mit § 285 a Z. 2 StPO. zurückgewiesen werden.

Als Konsequenz dessen waren die Akten zur Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft in sinngemäßer Anwendung des § 285 b Abs. 6 StPO. dem zuständigen Gerichtshof zweiter Instanz zuzuleiten.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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