Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war vom 4.April 1961 bis zum Jahre 1972 bei der S***** Gesellschaft mbH beschäftigt. In diese Zeit bekam sie ihren Lohn nicht zur Gänze ausbezahlt. Dies wurde vom Geschäftsführer dieser Gesellschaft in einem kleinen Buch vermerkt. Die darin eingetragenen Beträge sollten ausgezahlt werden, wenn die Klägerin mit dem Bau eines Wohnhauses beginnen würde. Mit dem Hausbau wurde etwa im Jahre 1985 begonnen; im Jahre 1987 zog die Klägerin in das Haus ein.
Mit Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 2.Mai 1988 wurde der Konkurs über das Vermögen der S***** Gesellschaft mbH eröffnet.
Die Klägerin meldete am 5.September 1988 folgende Ansprüche an:
Lohn vom 4.April 1961 bis 1973 345.659,-- S
8 % Zinsen vom 1.Jänner 1974 bis 5.Mai 1988 703.450,66 S
4 % gesetzliche Verzugszinsen vom 6.Mai 1988
bis 5.September 1988 13.796,52 S
Kosten für die Forderungsanmeldung 250,-- S.
Diese Ansprüche wurden in der Prüfungstagsatzung vom Masseverwalter bestritten. Die Klägerin begehrte daraufhin gemäß § 110 KO die Feststellung ihrer Forderung mit letztlich
691.318 S; in diesem Verfahren trat am 7.April 1989 Ruhen ein.
Mit Bescheid vom 28.März 1990 lehnte die beklagte Partei den von der Klägerin angemeldeten Anspruch ab.
Die Klägerin begehrt Zuspruch von insgesamt 705.115 S an Insolvenzausfallgeld. Zufolge der vertraglich vereinbarten Stundung handle es sich um aufrechte und gesicherte Ansprüche im Sinne des § 1 IESG. Da die Fälligkeit der Ansprüche nach dem 31. Dezember 1974 eingetreten sei, gebühre Insolvenzausfallgeld auch nach der Übergangsbestimmung des § 17 Abs 1 und 2 IESG. Die Bestimmung des § 1154 ABGB sei nur relativ zwingend; eine für den Arbeitnehmer günstigere Vereinbarung - wie der Aufschub der Fälligkeit bis zum Zeitpunkt des Hausbaues durch die Klägerin - sei zulässig.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die geltend gemachte Forderung falle im Hinblick auf § 17 Abs 2 IESG nicht in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes, weil zufolge der zwingenden Bestimmung des § 1154 Abs 3 ABGB das bereits verdiente Entgelt spätestens mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig geworden sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß die Fälligkeit der geltend gemachten Ansprüche ungeachtet der getroffenen Vereinbarung nach der zwingenden Bestimmung des § 1154 Abs 3 ABGB vor dem 31.Dezember 1974 eingetreten sei und der Klägerin deshalb Insolvenzausfallgeld nicht zustehe.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und vertrat die Rechtsauffassung, daß nach dem Zweck der Übergangsregelung des § 17 Abs 2 IESG von der gesetzlichen Fälligkeit der Entgeltansprüche auszugehen sei. Aber auch wenn man diese Auffassung nicht teile, sei für die Klägerin nichts gewonnen, weil die zwischen ihr und der S***** Gesellschaft mbH getroffene Stundungsvereinbarung nichtig sei. Auch unter Berücksichtigung der vereinbarten "Ansparungszinsen" könne die Stundungsvereinbarung mangels jeder Sicherstellung des Entgeltanspruches nicht als für die Klägerin günstiger angesehen werden als die gesetzliche Fälligkeitsregelung des § 1154 ABGB.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt sowie angeregt, einen Antrag auf Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 17 Abs 2 IESG an den Verfassungsgerichtshof zu stellen.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die behauptete Mangelhaftigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Rechtliche Beurteilung
Zu Unrecht wendet sich die Revisionswerberin auch gegen die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes.
Da es im Wesen einer Änderung materiellrechtlicher Bestimmungen liegt, daß Rechtsfälle je nach dem für maßgeblich erklärten zeitlichen Sachverhaltselement unterschiedlich nach der alten oder neuen Rechtslage behandelt werden, verstößt eine zeitliche Differenzierung durch eine Stichtagsregelung nicht grundsätzlich gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz (vgl Arb 10.241; Arb 10.434).
Gemäß § 17 Abs 1 IESG ist dieses am 1.Jänner 1978 in Kraft
getretene Gesetz erstmals anzuwenden, wenn der Konkurs über das
Vermögen des Arbeitgebers (ehemaligen Arbeitgebers) nach dem
31. Dezember 1975 eröffnet und am 31.Dezember 1977 noch nicht
abgeschlossen ist. Nach den Erläuternden Bemerkungen zur
Regierungsvorlage (464 BlgNR 14.GP 11) wurde diese Regelung
getroffen, weil andernfalls zu befürchten sei, daß die Eröffnung
von Insolvenzverfahren bloß deshalb hinausgezögert wird, damit
die Anspruchsvoraussetzungen für die Zahlung von
Insolvenzausfallgeld begründet werden. Eine solche Verzögerung
der Eröffnung von Insolvenzverfahren stehe jedoch dem
berechtigten Bestrebungen entgegen, die eheste Eröffnung solcher
Verfahren sicherzustellen. Diese Maßnahme erforderte eine
zeitliche Begrenzung der gesicherten Ansprüche, die dadurch erfolgte, daß gemäß § 17 Abs 2 IESG auf die Fälligkeit abgestellt wurde. Zieht man in Betracht, daß durch diese zeitliche Begrenzung der gesicherten Ansprüche eine übermäßige Inanspruchnahme des Insolvenzausfallgeldfonds für Entgeltforderungen, für die noch keine Beiträge an den Fonds abzuführen waren, hintangehalten werden sollte, dann erscheint einerseits diese Maßnahme als durchaus sachgerechte zeitliche Differenzierung, die dem Gleichheitsgebot nicht widerspricht - so daß sich der Oberste Gerichtshof nicht veranlaßt sieht, die Übergangsregelung beim Verfassungsgerichtshof anzufechten -, und ist andererseits davon auszugehen, daß der Gesetzgeber auf die nach Gesetz oder Kollektivvertrag eingetretene Fälligkeit abstellen wollte, weil andernfalls die gesetzte zeitliche Grenze durch Vereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien zu Lasten des Fonds hätte umgangen werden können. Darüber hinaus entspricht nur eine auf der Parteienvereinbarung entzogene Fälligkeiten abstellende Regelung dem bei verfassungskonformer Auslegung zu beachtenden Gleichheitsgebot, da sich keine sachliche Rechtfertigung dafür finden läßt, jene Arbeitnehmer günstiger zu stellen, die durch einzelvertragliche Vereinbarungen mit ihren Arbeitgebern die Fälligkeit ihrer Entgeltansprüche hinausschieben konnten.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG; Gründe, die einen Kostenzuspruch nach Billigkeit an die zur Gänze unterliegende Klägerin gerechtfertigt hätten, wurden nicht einmal behauptet.
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