OGH 9ObA9/16p

OGH9ObA9/16p25.2.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johanna Biereder und Mag. Matthias Schachner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. K***** S*****, vertreten durch Dr. Peter Ringhofer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Ö*****, vertreten durch Ploil, Krepp, Boesch Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 7.936 EUR sA und Feststellung (31.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 26. November 2015, GZ 9 Ra 82/15t‑20, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:009OBA00009.16P.0225.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

 

Begründung:

Über Vorschlag der Klägerin, die bei der Beklagten als Shopleiterin beschäftigt war, vereinbarten die Streitteile eine Bildungskarenz für die Zeit vom 1. 9. 2012 bis 31. 8. 2013 und die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses per 2. 9. 2013. Eine fixe Weiterbeschäftigung zur Wiedereinstellung wurde der Klägerin nicht zugesagt.

Entgegen dem Standpunkt der Klägerin, dass die Vereinbarung wegen Willensmängeln und Umgehung des Zwecks einer Bildungskarenz unwirksam sei, wiesen die Vorinstanzen ihr Begehren auf Zahlung von Entgelt und Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses ab. In ihrer dagegen gerichteten außerordentlichen Revision zeigt die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:

Rechtliche Beurteilung

1.  Eine „Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens“ liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Die Klägerin richtet sich in Wahrheit gegen die Beweiswürdigung der Vorinstanzen, die in dritter Instanz jedoch nicht mehr angefochten werden kann (zB RIS‑Justiz RS0112242). Diese Rechtsmittelbeschränkung kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass ein unerwünschtes Ergebnis der Behandlung der Beweisrüge als Mangel des Berufungsverfahrens releviert wird (RIS‑Justiz RS0043150 [T8]).

2.  Unter Berufung auf den Zweck des § 11 AVRAG meint die Klägerin, dass die Vereinbarung einer Bildungskarenz mit Auflösung des Dienstverhältnisses zu deren Ende unwirksam sei. Bildungskarenz diene einem Qualifikationszugewinn, an dem auch der Dienstgeber ein Interesse haben müsse. Ein solches sei nur vorhanden, wenn er auf höherwertige Leistungen des Dienstnehmers hoffen könne. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, wenn das Dienstverhältnis mit Ablauf der Bildungskarenz auslaufe. Das Interesse des Arbeitgebers liege dann nur darin, sich eine billige Auflösung des Dienstverhältnisses zu erkaufen.

Diese Argumentation ist weder aus § 11 AVRAG noch aus dem festgestellten Sachverhalt ableitbar:

Die §§ 11 und 12 AVRAG wurden durch das Arbeits‑ und Sozialrechts‑ÄnderungsG 1997, BGBl I 1997/139, als Förderungsmaßnahmen für eine stärkere Inanspruchnahme der flexibilisierten Arbeitszeit und zur Beschäftigungsförderung eingeführt ( Pfeil in ZellKomm 2 §§ 11, 12 Rz 1). Nach der Absicht des Gesetzgebers lag der vorrangige Zweck der Implementierung des Bildungskarenzmodells in der Schaffung von Arbeitsplätzen für arbeitslose Personen (RV 886 BlgNR XX. GP  83). Zur Kompensation des Entgeltausfalls besteht ein Anspruch des die Bildungskarenz in Anspruch nehmenden Arbeitnehmers auf Weiterbildungsgeld (§ 26 AlVG). Fraglos dient die Bildungskarenz auch den Interessen des sie beanspruchenden Arbeitnehmers (s Binder , AVRAG 2 [2010] § 11 Rz 1 und 2 unter Verweis auf die grundrechtlichen Aspekte des Rechts auf berufliche Aus‑ und Weiterbildung; Pfeil in ZellKomm 2 aaO Rz 8). Objektiv-teleologisch ist die Bildungskarenz daher auch als individuelle Förderungsmaßnahme für Arbeitnehmer zu sehen (1 Ob 75/12d mwN).

Die Vereinbarung einer einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses zum Ende der Bildungskarenz widerspricht diesen Intentionen nicht.

Im Übrigen liegt schon der Bestimmung des § 11 Abs 4 AVRAG zugrunde, dass ein Arbeitsverhältnis auch während der Bildungskarenz des Dienstnehmers beendet werden kann. Unter dem Aspekt der Wirksamkeit der Karenzierungsvereinbarung trifft es daher nicht zu, dass der Dienstgeber nachhaltigen Gewinn aus der Fortbildung des Dienstnehmers ziehen müsste.

Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit der Vereinbarung liegen damit insgesamt nicht vor.

3.  Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen.

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