OGH 9ObA8/87

OGH9ObA8/8720.5.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier als weitere Richter, sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler und Mag. Ernst Löwe als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Wolfgang U***, Geschäftsführer, Graz, St. Peter Hauptstraße 21 c, vertreten durch Dr. Harold Schmid und Dr. Kurt Klein, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Firma Werner G*** Gesellschaft mbH & Co KG, Lieboch, Regent-Möbel-Straße 3, vertreten durch Dr. Bernd Fritsch, Dr. Hans-Peter Benischke und Dr. Klaus Kollmann, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 189.381,-- brutto sA infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21. Jänner 1987, GZ 7 Ra 2/87-18, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Arbeitsgerichtes Graz vom 11. Juli 1986, GZ 3 Cr 111/85-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat der beklagten Partei die mit S 3.395,70 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 308,70 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 1. Oktober 1978 bis 31. Dezember 1984 bei der beklagten Partei als leitender kaufmännischer Angestellter (Prokurist und Geschäftsführer) beschäftigt. Auf sein Dienstverhältnis ist der Kollektivvertrag für die Handelsangestellten Österreichs (im folgenden: KV) anzuwenden. Die Streitteile trafen in dem vom Kläger entworfenen

Anstellungs- (Dienst-)Vertrag (im folgenden nur: Dienstvertrag) über die Beendigung des Dienstverhältnisses folgende Vereinbarung:

"§ 1 Herr Wolfgang U*** wird mit Wirkung ab 1. Oktober 1978 als Prokurist der Fa. G*** eingestellt. Die Zeit bis 31. Dezember 1978 gilt als Probezeit. Unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist kann diese Probezeit per ultimo gekündigt werden. Erfolgt in dieser Zeit keine Kündigung, so verlängert sich das Dienstverhältnis automatisch um drei Jahre bis zum 31. Dezember 1981, wobei dann eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zu gelten hat. Bei Nichtkündigung zum Jahresende 1981 erfolgt eine Verlängerung um weitere drei Jahre bei einer gleichbleibenden Kündigungsfrist von sechs Monaten."

Die beklagte Partei gewährte dem Kläger eine über den Ansätzen des KV liegende Entlohnung. Der Kläger war bis 31. Dezember 1982 in der Beschäftigungsgruppe 5 und ab 1. Jänner 1983 in der Beschäftigungsgruppe 6 eingestuft. Mit Schreiben vom 30. Juli 1981 kündigte der Kläger unter Bezugnahme auf mündliche Erklärungen vom 22. Juli 1981 das Dienstverhältnis zum 31. Dezember 1984 auf. Er verwendete in diesem Kündigungsschreiben für die Lösung des Dienstverhältnisses das Wort "Kündigung" und bezeichnete die Zeit bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses als "Kündigungsfrist". Der Kläger begehrt von der beklagten Partei

eine Abfertigung von S 151.461,-- brutto und mit der Begründung, daß die beklagte Partei bei seiner Umreihung in die Beschäftigungsgruppe 6 die in der Beschäftigungsgruppe 5 bestandene Überzahlung über dem kollektivvertraglichen Gehalt entgegen den Bestimmungen des KV und betrieblicher Übung nicht aufrecht erhalten habe, weitere S 37.920,-- brutto, zusammen S 189.381,-- brutto sA.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, der Kläger habe keinen Abfertigungsanspruch, weil er selbst gekündigt habe. Die Einstufung des Klägers in die Beschäftigungsgruppe 6 sei nicht auf Grund einer geänderten Tätigkeit, sondern lediglich in Anpassung an die Bestimmungen des Kollektivvertrages erfolgt, so daß kein Anspruch auf Aufrechterhaltung der Überzahlung bestehe.

Das Erstgericht sprach dem Kläger S 37.920,-- brutto sA zu und

wies das Mehrbegehren von S 151.461,-- brutto ab.

Es traf folgende Feststellungen:

Die Tätigkeit des Klägers blieb vom 1. Oktober 1978 bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses dieselbe. Die Umreihung in die Beschäftigungsgruppe 6 mit 1. Jänner 1983 war auf eine Änderung des Kollektivvertrages zurückzuführen, der bis 31. Dezember 1982 die Einstufung eines Prokuristen in die Beschäftigungsgruppe 6 nur bei einer Beschäftigtenzahl von 500 Personen vorsah. Am 1. Jänner 1983 fiel diese Beschränkung weg.

Das Erstgericht war der Ansicht, daß bei Vereinbarung eines Endtermins, zu dem das Dienstverhältnis nur unter der Bedingung enden sollte, daß es vorher zu diesem Termin gekündigt wurde, ein unbefristetes Dienstverhältnis mit einer Mindestdauer vorliege. Da der Kläger dieses Dienstverhältnis auf unbestimmte Zeit selbst gekündigt habe, gebühre ihm gmeäß § 23 Abs 7 AngG keine Abfertigung. Nach Punkt G der Gehaltsordnung des KV bestehe bei kollektivvertraglichen Lohnerhöhungen ein Anspruch auf Aufrechterhaltung bestehender Überzahlungen des bisherigen kollektivvertraglichen Mindestgehaltes in ihrer schillingmäßigen Höhe. Zu dieser Bestimmung habe das kollektivvertragliche Schiedsgericht am 21. Juli 1978 einen Schiedsspruch gefällt, wonach die Pflicht zur Aufrechterhaltung von Überzahlungen auch bei Einreihung in eine höhere Beschäftigungsgruppe bestehe. Die beklagte Partei habe daher dem Kläger bei seiner Überstellung in die Beschäftigungsgruppe 6 eine Überzahlung von S 1.580,-- monatlich zu Unrecht vorenthalten.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und führte aus:

Unbefristet sei ein Dienstverhältnis, wenn es mangels Bestimmung der Vertragsdauer durch die Parteien nicht durch bloßen Zeitablauf enden könne. Gleiches gelte, wenn zwar eine bestimmte Vertragsdauer vorgesehen sei, das Dienstverhältnis aber nur dann ende, wenn ein Vertragsteil vor Eintritt des Endtermins zur Vermeidung des Weiterbestehens des Dienstverhältnisses erklären müsse, daß er dieses über die vereinbarte Dauer hinaus nicht fortsetzen wolle. Ob ein Dienstverhältnis auf bestimmte oder unbestimmte Zeit vorliege, hänge davon ab, ob seine Beendigung vereinbarungsgemäß der Willenserklärung eines Vertragspartners bedürfe oder nicht. Die Vereinbarung im § 1 des Dienstvertrages sei dahin zu verstehen, daß sich das Dienstverhältnis ohne Kündigung jeweils um drei Jahre, mangels Kündigung durch den Kläger zum 31. Dezember 1984 also mindestens bis 31. Dezember 1987 verlängert hätte.

Kettendienstverträge seien nicht vorgelegen. Da das sohin unbefristete Dienstverhältnis durch Kündigung des Klägers geendet habe, habe er keinen Abfertigungsanspruch.

Nach dem zitierten Schiedsspruch sei bei Zusammentreffen einer neuen Kollektivvertragsregelung mit einer Einreihung in eine höhere Beschäftigungsgruppe die bisherige Überzahlung gegenüber den neuen kollektivvertraglichen Mindestsätzen der höheren Beschäftigungsgruppe aufrechtzuerhalten. Der Kläger habe daher Anspruch auf die Aufrechterhaltung der ihm bisher gewährten Überzahlung unabhängig davon, ob die Einreihung in die neue Beschäftigungsgruppe wegen einer Änderung des Tätigkeitsbereiches erfolgt sei. Dem Kläger dürfe nicht anläßlich des Wegfallens der "500-Dienstnehmer-Beschränkungsklausel" ein Teil der früheren begünstigenden Überzahlung wieder weggenommen werden.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Revisionen beider Streitteile sind nicht berechtigt.

1.) Zur Revision des Klägers:

Der vom Kläger selbst entworfene Dienstvertrag sah vor, daß sich das Dienstverhältnis, falls es nicht zum 31. Dezember 1978 gekündigt wurde, automatisch um drei Jahre bis zum 31. Dezember 1981 verlängern sollte, wobei dann eine Kündigungsfrist von 6 Monaten zu gelten hatte. Bei Nichtkündigung zum Jahresende 1981 sollte eine Verlängerung um weitere 3 Jahre bei einer gleichbleibenden Kündigungsfrist von 6 Monaten erfolgen. Diese Formulierung läßt keinen Zweifel daran, daß auch die Beendigung des Dienstverhältnisses zum 31. Dezember 1984 nicht selbsttätig eintreten sollte, sondern von einer Kündigung durch eine der beiden Parteien abhängig war (wobei dahingestellt bleiben kann, ob diese Endigungsart in gleicher Weise auch noch für künftige dreijährige Perioden vorgesehen war). Auf Grund dieser Vereinbarungen über die Beendigung des Dienstverhältnisses haben die Vorinstanzen zutreffend ein Dienstverhältnis auf unbestimmte Zeit iS des § 20 Abs 1 AngG angenommen. Ein solches Dienstverhältnis liegt nämlich auch dann vor, wenn die Parteien einen Endtermin vereinbaren, zu dem es aber nur dann enden soll, wenn vorher zu diesem Termin ordnungsgemäß gekündigt oder die (sinngleiche) Erklärung abgegeben wird, das Dienstverhältnis über diesen Termin hinaus nicht mehr fortsetzen zu wollen (Martinek-Schwarz, AngG6, 354; dieselben, Abfertigung und Auflösung des Arbeitsverhältnisses 60; Spielbüchler in Arbeitsrecht2 I 182). Während ein Dienstverhältnis auf bestimmte Zeit, bei dem der Endtermin kalendermäßig oder durch andere, nicht von der Willkür der Vertragspartner abhängende Umstände bestimmt ist (Arb. 9.563; Arb. 8.843 = SZ 43/17 ua; Krejci in Rummel, ABGB, Rz 10 zu § 1158 bis 1159 c) selbsttätig endet, bedarf ein Dienstverhältnis auf unbestimmte Zeit (soweit nicht gesetzliche Endigungsgründe eintreten) zu seiner Beendigung einer rechtsgestaltenden Willenserklärung der Parteien (einer Partei). Ohne eine solche Erklärung des Klägers, die er sogar ausdrücklich als Kündigung bezeichnete, hätte das Dienstverhältnis nicht zum 31. Dezember 1984 geendet. Eine Aneinanderreihung von befristeten Arbeitsverhältnissen (Kettenverträgen) liegt nicht vor. Da der Kläger das auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Dienstverhältnis selbst gekündigt hat, besteht kein Anspruch auf Abfertigung (§ 23 Abs 7 AngG).

2.) Zur Revision der beklagten Partei:

Nach dem KV sind die jeweils zum Jahresende bestehenden Überzahlungen der kollektivvertraglichen Mindestgehälter in ihrer schillingmäßigen Höhe gegenüber den erhöhten kollektivvertraglichen Mindestgehältern aufrechtzuerhalten. Dieser Grundsatz wurde mit dem Schiedsspruch des kollektivvertraglichen Schiedsgerichtes vom 21. April 1978 auch auf den Fall ausgedehnt, daß ein Dienstnehmer gleichzeitig mit dem Inkrafttreten einer kollektivvertraglichen Gehaltserhöhung in eine höhere Beschäftigungsgruppe eingereiht wird. Die Revisionswerberin bestreitet nicht, sich der im zitierten Schiedsspruch festgesetzten Auslegung (gegen deren Richtigkeit keine Bedenken bestehen) unterworfen zu haben und behauptet lediglich, daß die Überzahlung nur dann aufrechtzuerhalten sei, wenn die Einreihung in eine höhere Beschäftigungsgruppe wegen einer Änderung des Tätigkeitsbereiches eines Dienstnehmers erfolgte. Eine solche Einschränkung ist aber dem Inhalt des Schiedsspruches nicht zu entnehmen. Sie stünde auch mit dem Zweck der Norm in Widerspruch. Selbst wenn die Einreihung in eine höhere Beschäftigungsgruppe deshalb erfolgt ist, weil die Kollektivvertragsparteien eine bestimmte Tätigkeit einvernehmlich höher bewerten als bisher, darf dem betroffenen Dienstnehmer der damit zugewendete Vorteil nicht dadurch wieder weggenommen oder verkürzt werden, das eine ihm bisher auf den Gehalt der niedrigeren Einstufung gewährte Überzahlung nicht mehr aufrechterhalten wird.

Beiden Revisionen ist daher ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 43 Abs 1, 50 ZPO.

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