OGH 9ObA69/16m

OGH9ObA69/16m26.7.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner und die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und Wolfgang Cadilek in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei P* K*, vertreten durch Kuhn Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei L* GmbH, *, vertreten durch Torggler Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 589.175,12 EUR brutto sA (Revisionsinteresse: 97.997,03 EUR sA), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 21. März 2016, GZ 7 Ra 82/15b‑19, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E115342

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Gegenstand der außerordentlichen Revision der Beklagten ist eine vom Kläger als früherem angestellten Geschäftsführer der Beklagten geltend gemachte Bonusleistung. Für diese berief er sich auf den anlässlich der Veräußerung der *‑Gruppe gefassten Gesellschafterbeschluss der Beklagten vom 11. 10./12. 10. 2012, mit dem „für die aktive Mitwirkung und Unterstützung der Gesellschafter im Rahmen der Due Diligence, in Verhandlungen mit den Interessenten, bei Verhandlungen über die Vertragsgestaltung, den nach dem signing und nach dem closing insbesondere auch für die Zeit bis zum Ablauf der Gewährleistungsfrist erforderlichen Arbeiten … unabhängig von dem damit verbundenen Zeitaufwand als Abgeltung des Mehraufwandes jedem Mitglied der Geschäftsleitung ein Bonus“ in Höhe seines Jahresgehaltes zugesagt wurde. Der revisionsgegenständliche dritte Teil des Bonus sollte zur Auszahlung gelangen, sofern und sobald (ua) „zwischen signing und 12 Monate nach dem closing keine Umstände eintreten, die zu einem Gewährleistungsfall (Behebung eines Mangels oder Kaufpreisminderung) führen und darauf zurückzuführen sind, dass – wenn auch nur – ein Mitglied der Geschäftsleitung seiner Mitwirkungspflicht nicht vollständig und rechtzeitig nachgekommen ist.“

2. Entgegen der Beurteilung der Vorinstanzen ist die Beklagte der Ansicht, dass mit dem Gesellschafterbeschluss gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstoßen werde und der Bonus treu- und sittenwidrig sei. Er schaffe einen Anreiz für die Geschäftsleitung, Gewährleistungsfälle zu vertuschen, weil er nur dann zur Auszahlung gelangen könne. Damit zeigt sie jedoch keine Rechtsfrage von der Bedeutung des § 502 Abs 1 ZPO auf.

3. Das Verbot der Einlagenrückgewähr (§ 82 Abs 1 GmbHG) erfasst grundsätzlich jede vermögensmindernde Leistung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung an ihre Gesellschafter, ausgenommen solche in Erfüllung des Dividendenanspruchs, sonstiger gesetzlich zugelassener Ausnahmefälle sowie Leistungen auf der Grundlage fremdüblicher Austauschgeschäfte. Stehen die Leistung der Gesellschaft und die Gegenleistung des Gesellschafters in einem objektiven Missverhältnis, so ist das konkrete Geschäft nichtig. Das Verbot der Einlagenrückgewähr ist wirtschaftlich zu betrachten (RIS‑Justiz RS0105532 [T11]). Maßgebend ist daher, ob das Geschäft einem Fremdvergleich standhält und auch dann so geschlossen worden wäre, wenn kein Gesellschafter (kein einem Gesellschafter nachstehender Dritter) daraus einen Vorteil zöge (RIS‑Justiz RS0105540; RS0120438; zu verdeckten Ausschüttungen s nur Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 § 82 Rz 15 ff; Auer in Gruber/Harrer; GmbHG § 82 Rz 36 ff; Köppl in U. Torggler,GmbHG § 82 Rz 8 ff).

4. Zwar sind auch Leistungen an Dritte, die wirtschaftlich dem Gesellschafter zukommen, ebenfalls vom Ausschüttungsverbot erfasst (RIS‑Justiz RS0105536 [T9]). Normadressaten des in § 82 GmbHG und § 52 AktG enthaltenen Verbots der Einlagenrückgewähr sind aber die Gesellschaft und der Gesellschafter, nicht aber auch ein Dritter wie hier der Kläger. § 83 Abs 1 GmbHG und § 56 AktG räumen der Gesellschaft daher einen Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter ein. Dritte sind nur bei Kollusion und grober Fahrlässigkeit, dh in jenen Fällen rückgabepflichtig – bzw die Gesellschaft leistungsverweigerungsberechtigt –, in denen der Gesellschafter bewusst zum Nachteil der Gesellschaft handelt und der Dritte davon gewusst hat oder sich der Missbrauch ihm geradezu aufdrängen musste (s RIS‑Justiz RS0105536, [insb T2]). Die Wirksamkeit des Vertrags beurteilt sich demnach nach den Grundsätzen über den Missbrauch der Vertretungsmacht (RIS‑Justiz RS0105536 [T4]; Leitner, Handbuch Verdeckte Gewinnausschüttung2 [2014], 84; im Besonderen zur Frage der verbotenen Einlagenrückgewähr bei Vergütung von Geschäftsleitern der Zielgesellschaft jüngst Schima, Der Aufsichtsrat als Gestalter des Vorstandsverhältnisses [2016], 270 ff).

5. In Konstellationen wie der vorliegenden ist aber nicht zu übersehen, dass der Bonus von der Gesellschaft für eine Tätigkeit des Geschäftsführers gewährt wird, die zwar über seine gewöhnlichen Aufgaben hinausgehen mag, jedoch nicht die mit einer Geschäftsführung verbundenen Aufgaben aus dem Anstellungsverhältnis verlässt und insofern – anders als eine gesellschaftsfremde Leistung – eine anstellungsvertragliche Grundlage hat. Denn zu berücksichtigen ist, dass ein Share Deal für das Management der Zielgesellschaft in der Regel umfangreiche Kooperations-, Koordinierungs- und Informationsarbeiten mit dem Veräußerer notwendig macht, womit neben bestimmten Geheimhaltungs- auch Bemühungs‑ und Mitwirkungs-pflichten, insbesondere bei Auskunftssitzungen, Managementpräsentationen etc verbunden sein können (s nur Brugger, Unternehmenserwerb [2014] Rz 554). Wie bereits das Erstgericht ausführte, handelt es sich bei der Gewährung des Bonus daher auch um eine Honorierung der Mehrleistung der Geschäftsführung aus dem Mehraufwand der Gesellschaft im Zusammenhang mit ihrem Verkauf.

6. Unter Erfolgsaspekten kommt hinzu, dass ein komplikationsloser Anteilsübergang in der Regel auch im Interesse der Gesellschaft selbst liegt, weil sie häufig schon aus Reputationsgründen an einem möglichst reibungsfreien Unternehmenserwerb ohne Potenzial zu an die Öffentlichkeit gelangenden Konfliktlagen und Indiskretionen interessiert sein wird. Auch darin kann ein Eigeninteresse der Gesellschaft an einer gesonderten Entlohnung der Geschäftsführung liegen. Dass es auch keineswegs unüblich ist, dem Management für seine Bemühungen und das erfolgreiche Ergebnis einer Anteilsveräußerung Anerkennungsprämien zu gewähren (appreciation awards, „Exit‑Bonus“ oä), wurde ebenfalls schon von den Vorinstanzen aufgezeigt (s Schima in Kalss/Kunz, Handbuch für den Aufsichtsrat2, 565).

7. Schließlich ist auch die auf Nowotny, Bewertung der Kapitalgesellschaft: Wer trägt die Kosten?, RdW 2001, 3, gestützte Erwägung der Vorinstanzen berechtigt, dass die Gesellschaft in der Regel ein Eigeninteresse hat, bei einem Verkaufsverfahren aktiv und gestaltend mitzuwirken und eine für die Verfolgung des Unternehmensgegenstands optimale Eigentümerstruktur, die an einem dauerhaften Engagement interessiert ist, zu verfügen.

8. Findet die Zusage des Bonus hier insoweit aber Deckung im Interesse der Gesellschaft an einem ordnungsgemäßen Wechsel ihrer Anteilseigentümer, die auch nicht den Rahmen des mit der Anstellung des Klägers verbundenen Aufgabenbereich als Geschäftsführer der Gesellschaft verlässt, so haben die Vorinstanzen den Einwand der Beklagten, die Bonuszusage würde gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstoßen, in vertretbarer Weise als verfehlt erachtet. Damit scheiden im vorliegenden Fall auch Erwägungen zu einem kollusiven oder grob fahrlässigen Verhalten des Klägers aus.

9. Auch soweit sich die Beklagte auf die vermeintliche Treu‑ und Sittenwidrigkeit des Gesellschafterbeschlusses beruft, liegt keine Rechtsfrage von der Bedeutung des § 502 Abs 1 ZPO vor, weil Derartiges nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden kann. Das Auslegungsergebnis der Vorinstanzen, dass die Bedingung für die Auszahlung des dritten Teils des Bonus (kein Eintritt von Umständen, die binnen zwölf Monaten nach dem closing zu einem Gewährleistungsfall führen), nicht die Schädigung der neuen Eigentümer, sondern die Hintanhaltung von Mängeln bezweckt, ist hier nicht zu beanstanden.

10. Die außerordentliche Revision der Beklagten ist daher zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte