OGH 9ObA67/17v

OGH9ObA67/17v28.6.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Johannes Püller und Mag. Matthias Schachner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei J***** B*****, vertreten durch Dr. Gustav Teicht, Dr. Gerhard Jöchl, Kommandit-Partnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei H***** OG, *****, wegen 3.414,61 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. März 2017, GZ 10 Ra 104/16m‑15, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:009OBA00067.17V.0628.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Entlassungsgrund der Dienstunfähigkeit iSd § 27 Z 2 AngG liegt nur dann vor, wenn sich aus dem Verhalten des Angestellten zeigt, dass er die ihm aufgetragene angemessene Arbeitsleistung deshalb nicht bewältigen kann, weil er die körperlichen oder geistigen Voraussetzungen hiezu nicht erfüllt (RIS-Justiz RS0029365 [T2]). Nicht jede mangelhafte Leistung oder Fehlleistung führt zur sofortigen Lösung des Dienstverhältnisses (RIS-Justiz RS0029365 [T3]). Dienstunfähigkeit liegt insbesondere nicht schon dann vor, wenn der Angestellte mindere Geschicklichkeit und schwache Eignung oder fallweise mangelhafte Aufmerksamkeit zeigt, seine Arbeitsleistung unter dem Durchschnitt liegt oder wenn der Angestellte infolge des großen Arbeitsanfalls das Arbeitspensum nicht mehr bewältigen kann (RIS-Justiz RS0029365 [T5]). Der Angestellte muss also zur Erbringung der vertraglich vereinbarten Arbeitsleistung gänzlich unfähig und daher schlechthin unverwendbar sein ( Pfeil in ZellKomm ² § 27 AngG Rz 61; Kuderna , Entlassungsrecht² 92; RIS-Justiz RS0029365 [T7]; RS0029336 [T7]; zur inhaltlich vergleichbaren Bestimmung des § 82 lit b GewO 1859: 9 ObA 92/14s).

Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine gerechtfertigte vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses kann immer nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (RIS-Justiz RS0106298). Mangels einer über den Anlass hinausreichenden Aussagekraft von Einzelfallentscheidungen steht die Revision zu ihrer Überprüfung nach § 502 Abs 1 ZPO nicht offen, es sei denn, dem Berufungsgericht wäre bei seiner Entscheidung eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen, die ausnahmsweise zur Wahrung der Rechtssicherheit einer Korrektur bedürfte. Dies ist hier nicht der Fall.

Die bei der Beklagten ab 10. 6. 2015 als (zweite) Sekretärin beschäftigte Klägerin arbeitete von Beginn an nicht fehlerfrei und musste ständig kontrolliert werden. Dennoch setzte die Beklagte die Klägerin ab 7. 9. 2015 wegen Urlaubes der Kanzleileiterin für eine Woche als einzige Kanzleikraft für alle sechs Juristen ein. Mit dieser Aufgabe war die Klägerin ohne Führung durch die Kanzleileiterin überfordert. Obwohl sie an einzelnen Tagen dieser Woche bis 21.00 Uhr arbeitete, gelang es ihr nicht, den Arbeitsanfall alleine zu bewältigen. Infolgedessen unterliefen der Klägerin weitere Fehler, die am 10. 9. 2015 zu ihrer Entlassung führten. Sämtliche der Klägerin passierten Fehler hatten ihre Ursache nicht in einer bösen Absicht der Klägerin, sondern in mangelnder Erfahrung und Überforderung mit dem Arbeitsanfall.

Wenn das Berufungsgericht bei Vorliegen dieser Umstände eine die Entlassung begründende Dienstunfähigkeit der Klägerin verneinte, weil der Klägerin die für ihre Tätigkeit bei der Beklagten erforderlichen Fähigkeiten nicht gänzlich und dauerhaft abgingen oder ihre Arbeitsleistung völlig wertlos war, so ist diese Beurteilung vertretbar. Zu Recht hat das Berufungsgericht dabei besonders berücksichtigt, dass die Klägerin ohne ausreichende Berufserfahrung war und zuletzt als einzige Sekretärin in dem für sie komplexen System einer Anwaltskanzlei mit drei Rechtsanwälten und drei Rechtsanwaltsanwärtern arbeiten musste.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen.

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