OGH 9ObA65/13v

OGH9ObA65/13v29.10.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Brigitte Augustin und Mag. Andreas Hach als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei C***** M*****, vertreten durch Dr. Andrea Müller, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. G***** S*****, wegen 720 EUR und Feststellung (2.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 27. März 2013, GZ 7 Ra 112/12k‑36, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Ein Arbeitnehmer hat grundsätzlich ‑ ohne Hinzutreten besonderer Umstände ‑ keinen privatrechtlichen Anspruch auf Herausgabe eines an seinen Vorgesetzten gerichteten Beschwerdeschreibens anderer Mitarbeiter. Auch die Klägerin vermag keine Anspruchsgrundlage geltend zu machen. Dass die Verfasser des Schreibens den Empfänger dazu bestimmt hätten, das Schreiben an die Klägerin herauszugeben, behauptet auch die Klägerin nicht.

Zudem stellt die vom Beklagten, dem Vorgesetzten der Klägerin und der Beschwerdeführer, ‑ rechtmäßig ‑ verweigerte Herausgabe des Schreibens, in dem sich nach den Behauptungen der Klägerin gegen sie gerichtete „Beleidigungen“ und „Untergriffe“ fänden, keine Belästigung iSd § 7d Abs 1 BEinstG dar, weil der festgestellte Sachverhalt keine Anhaltspunkte dafür bietet, dass die Nicht-Herausgabe in einem Zusammenhang mit der Behinderung der Klägerin steht, also diese Verhaltensweise der Tatsache, dass bei der Klägerin ein vom Gesetz „geschütztes Merkmal“ vorliegt, zugerechnet werden kann (vgl 9 ObA 40/13t). Auch wenn das Erfordernis des „Zusammenhangs“ nicht zu eng gesehen werden darf, um den Zweck des Gesetzes, Diskriminierungen wegen der Behinderung hintanzuhalten, zu erreichen (9 ObA 40/13t; RIS‑Justiz RS0124664), fehlt bezüglich der Nicht‑Herausgabe jeglicher Bezug zur Behinderung der Klägerin bzw den damit in Verbindung stehenden Eigenschaften.

Soweit die Klägerin ihrer Zulassungsbegründung zugrunde legt, der Beklagte habe ihre Würde verletzt und am Vorliegen eines feindseligen, entwürdigenden, beleidigenden und demütigenden Umfelds am Arbeitsort dadurch beigetragen, dass er ihrer Aufforderung, Angriffen gegen sie Einhalt zu gebieten, nicht nachgekommen sei, obwohl er in Kenntnis davon gewesen sei, dass sie in den Gängen beschimpft, angerempelt und beleidigt worden sei und das Beschwerdeschreiben nicht ihr, aber anderen Mitarbeitern herausgegeben habe, entfernt sich die Rechtsrüge vom festgestellten Sachverhalt.

Richtig ist, dass eine Diskriminierung auch dann vorliegt, wenn es der Dienstgeber schuldhaft unterlässt, im Falle einer Belästigung durch Dritte angemessene Abhilfe zu schaffen (§ 7d Abs 2 BEinstG). In diesem Fall hat die von der Belästigung betroffene Person auch gegenüber dem Dienstgeber Anspruch auf Ersatz des erlittenen Schadens (§ 7i Abs 1 BEinstG). Dabei handelt es sich ‑ vergleichbar mit § 6 Abs 1 Z 2 GlBG und § 7 Abs 1 Z 2 GlBG, jeweils iVm § 12 Abs 11 GlBG ‑ um eine aus der Fürsorgepflicht des Dienstgebers abgeleitete Haftung (vgl 9 ObA 118/11k; 9 ObA 18/08z; Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 7 Rz 6; Posch in Rebhahn, GlBG §§ 6‑7 Rz 53). Damit ist für die Klägerin aber nichts zu gewinnen, weil sich ihre Klage nicht gegen den Dienstgeber, sondern gegen einen anderen Dienstnehmer richtet.

Insgesamt vermag die außerordentliche Revision der Klägerin eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht darzustellen; sie ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

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