Spruch:
Die Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.327,68 EUR (darin 221,28 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung
Die am 14. 5. 1947 geborene Klägerin war beim Beklagten als Journalistin beschäftigt. Mit 1. 1. 2004 wurde sie in ein Angestelltenverhältnis übernommen, aufgrund dessen sie Anspruch auf eine ASVG-Pension und eine Zusatzpension des Beklagten hat.
Aufgrund der zunehmend angespannten finanziellen Situation des Beklagten wurden unter Mitwirkung des Betriebsrats deutliche Einsparungen beschlossen, nach denen im Zeitraum 2009 bis 2011 auch Sparmaßnahmen bei den Personalkosten aller Beschäftigungskategorien in Tirol ergriffen werden sollten. Um einen möglichst „sozialen“ Weg zu wählen, bestand und besteht die Absicht des Beklagten, sich primär so früh wie möglich von älteren Mitarbeitern, die schon einen Pensionsanspruch haben, zu trennen anstatt das Dienstverhältnis jüngerer Dienstnehmer zu beenden. Darum ist es bei ihm üblich, dass sowohl männliche als auch weibliche Mitarbeiter bei Annäherung an das 60. Lebensjahr und ausreichenden Versicherungsmonaten von ihrem Anspruch auf eine gesetzliche Alterspension informiert werden und über einen Pensionsantritt gesprochen wird. Derart sind auch männliche Mitarbeiter des Beklagten mit Erreichung des 60. Lebensjahres oder zwischen dem 60. und 62. Lebensjahr in Pension gegangen.
Als die Klägerin vor Erreichen ihres 60. Lebensjahres vom Personalleiter des Beklagten das erste Mal auf die Möglichkeit eines Pensionsantritts angesprochen wurde, lehnte sie ab, weil ihr ASVG-Pensionsanspruch noch zu gering war. Aus diesem Grund meldete sich der Personalleiter des Beklagten erst wieder im Jahr 2008 bei ihr. Die Klägerin setzte sich mit dem Betriebsrat in Verbindung, der ihr nach Erkundigungen bei der Arbeiterkammer, bei Rechtsanwälten und bei der Gewerkschaft zur Vereinbarung eines möglichst späten Pensionsantritts mit dem Beklagten riet. Die Klägerin merkte gegenüber dem Personalleiter mehrfach an, bis zum 65. Lebensjahr weiterarbeiten zu wollen. Nach längeren Diskussionen stand ein Pensionsantritt zum Jahresende 2009, sodann zum 1. 6. 2010 im Raum. Nachdem sich die Klägerin bei der PVA ihren Nettopensionsanspruch mit Stichtag 1. 1. 2011 errechnen lassen hatte, überreichte sie diese Information dem Personalleiter mit dem Vermerk „Wunsch + Bitte“. In einem Gespräch Ende Juni 2008, in dem die Klägerin dem Personalleiter einen Zeitungsartikel über die Aufrechterhaltung von Beschäftigungsverhältnissen über das Regelpensionsalter hinaus und die Anfechtbarkeit diesbezüglicher Dienstgeberkündigungen wegen Sozialwidrigkeit gezeigt und ihm mitgeteilt hatte, beraten worden zu sein, einigten sich die Streitteile auf eine Auflösung des Dienstverhältnisses zum 31. 12. 2010. Die Klägerin ersuchte um Bestätigung „des im beiderseitigen Einvernehmen zustande gekommenen Kündigungstermins“, erhielt deshalb einen Aktenvermerk des Beklagten vom 5. 8. 2008, in dem festgehalten wurde, dass das Dienstverhältnis zum 31. 12. 2010 „einvernehmlich endet“, und unterschrieb diesen.
Im Herbst 2009 erfuhr die Klägerin erstmals von der EuGH-Rechtsprechung zum „Verbot der Zwangspensionierung“ von Frauen mit Erreichen des Regelpensionsalters. Am 28. 6. 2010 widerrief sie ihr Einverständnis zum Aktenvermerk.
Das Erst- und das Berufungsgericht wiesen das Begehren der Klägerin, das Fortbestehen ihres Dienstverhältnisses über den 31. 12. 2010 hinaus festzustellen, in eventu die Vereinbarung über die einvernehmliche Auflösung für rechtsunwirksam zu erklären, ab. Die Voraussetzungen für eine Anfechtung der Vereinbarung wegen Irrtum oder List lägen nicht vor. Die Klägerin habe auch nicht im Sinne der Drucktheorie auf ein unabdingbares Recht oder auf einen bereits erworbenen Anspruch bzw eine erworbene Anwartschaft verzichtet, weil der Beklagte das Dienstverhältnis im Rahmen des allgemeinen Kündigungsschutzes gemäß § 105 ArbVG zur Auflösung bringen hätte können.
Zu dem von der Klägerin geltend gemachten Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts iSd Richtlinie 76/2007/EWG führte das Berufungsgericht zusammengefasst aus, anders als in den Rechtssachen Marshall I und Kleist lägen keine Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Bestimmungen in Kollektivverträgen, Betriebsvereinbarungen oder Einzelarbeitsverträgen vor, die einen von den Pensionsaltersgrenzen abhängigen unterschiedlichen Kündigungsschutz der Mitarbeiter des Beklagten normierten. Die von der Klägerin gerügte Praxis des Beklagten sei nicht Bestandteil ihres Arbeitsvertrags geworden, sodass ihr wie allen anderen Arbeitnehmern des Beklagten der allgemeine Kündigungsschutz des § 105 ArbVG zugekommen sei. Die Beendigung sei nicht einseitig durch Kündigung oder Entlassung, sondern durch einvernehmliche Auflösung erfolgt, die nicht ausschließlich durch das Erreichen des sozialversicherungsrechtlichen Anspruchs der Klägerin auf eine Alterspension bedingt gewesen sei, sondern bei der auf das für männliche und weibliche Arbeitnehmer idente Kriterium der Sozialwidrigkeit Bedacht genommen worden sei. Eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts durch eine allgemeine Kündigungspolitik des Beklagten läge daher nicht vor. Eine Auslegung der Entscheidungen des EuGH Marshall I und Kleist im Sinne eines Kündigungsverbots von Frauen zwischen dem 60. und 65. Lebensjahr würde zu einer Diskriminierung der Männer führen, die sich in diesem Zeitraum nur auf den allgemeinen Kündigungsschutz des § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG bzw § 15 Abs 3 AVRAG berufen könnten. Eine Aufklärungspflicht der Beklagten über die EuGH-Rechtsprechung habe nicht bestanden. Die Revision sei zulässig, weil sich der OGH mit der Frage der Prüfung der Sozialwidrigkeit der Kündigung einer Frau nach Erreichen des Regelpensionsalters des § 253 ASVG nach Veröffentlichung der Entscheidung Kleist noch nicht befasst habe.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist unzulässig, weil ungeachtet des - den OGH nicht bindenden - Zulassungsausspruchs des Berufungsgerichts keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO vorliegt:
1. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass das Dienstverhältnis der Klägerin durch einvernehmliche Auflösung beendet wurde, ist nicht zu beanstanden. Die vom Berufungsgericht zur Begründung des Zulassungsausspruchs aufgeworfene Frage der Sozialwidrigkeit der Kündigung einer Frau nach Erreichen des Regelpensionsalters ist daher irrelevant.
2. Die Klägerin ist auch in der Revision der Ansicht, ihre Pensionierung zum 31. 12. 2010 sei eine unmittelbare, gegen die Diskriminierungsverbote des Art 14 Abs 1 lit c RL 2006/54/EG sowie Artikel 2, 3 Abs 1 lit c RL 2006/78/EG (wohl: RL 76/207/EG) verstoßende Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.
Gemäß Art 3 Abs 1 lit c RL 76/207/EG in der zuletzt gültigen Fassung bedeutete die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung, dass es im öffentlichen und privaten Bereich einschließlich öffentlicher Stellen in Bezug auf die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich der Entlassungsbedingungen keinerlei unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts geben darf. Dem entspricht nun Art 14 Abs 1 lit c RL 2006/54/EG .
Die Richtlinie 76/207/EWG wurde in Österreich - soweit hier von Relevanz - durch das mehrfach novellierte Gleichbehandlungsgesetz, BGBl 1979/108, das ab 1. 7. 2004 durch das Gleichbehandlungsgesetz (GlBG), BGBl I 2004/66, abgelöst wurde, umgesetzt. Die Umsetzungsbestimmung des § 3 GlBG („Gleichbehandlungsgebot im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis“) sieht vor, dass niemand aufgrund des Geschlechts, insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand, im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden darf. Gemäß § 3 Z 7 leg cit gilt dies insbesondere auch bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
3. In Auslegung zu Art 3 Abs 1 lit c RL 76/207/EG hat der EuGH im Anschluss an das Urteil vom 26. 2. 1986, Rs 152/84 Marshall I, Slg 1986, 723, mit Urteil vom 18. 11. 2010, Rs C-356/09 Kleist, erkannt, dass eine nationale Regelung, die einem Arbeitgeber erlaubt, zur Förderung des Zugangs jüngerer Menschen zur Beschäftigung Arbeitnehmer zu kündigen, die einen Anspruch auf Alterspension erworben haben, eine von dieser Richtlinie verbotene unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt, wenn Frauen diesen Anspruch in einem Alter erwerben, das fünf Jahre niedriger ist als das Alter, in dem der Anspruch für Männer entsteht.
In dem diesem Urteil zugrunde liegenden Ausgangsverfahren hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung vom 28. 2. 2011, 9 ObA 124/10s, zur Umsetzungsbestimmung des § 3 Z 7 GlBG ausgeführt, dass der Begriff der „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ weder eine Beschränkung auf eine bestimmte Art des Arbeitsverhältnisses noch auf eine bestimmte Art der Beendigung enthalte. Er sei daher nicht zuletzt auch im Hinblick auf die weite Formulierung des Diskriminierungsverbots, das sich gegen jede benachteiligende Diskriminierung aufgrund des Geschlechts richtet, weit zu verstehen. Es wurde daran erinnert, dass auch das Erfordernis des „Zusammenhangs“ nicht zu eng gesehen werden dürfe, um den Zweck des Gesetzes, Diskriminierungen hintanzuhalten, zu erreichen (8 ObA 8/09y = EvBl 2009/103 Mayr = ZAS 2010/5 Majoros = DRdA 2010/48 Weiß). Diese Sicht gelte auch für den Zusammenhang mit dem Geschlecht. Der Zusammenhang mit dem Geschlecht sei nach der Rechtsprechung des EuGH auch bei einer allgemeinen Entlassungspolitik, wonach eine Arbeitnehmerin nur aus dem Grund „entlassen“ werde, weil sie das Alter erreicht oder überschritten habe, in dem sie Anspruch auf eine Altersrente erwerbe und das nach den nationalen Rechtsvorschriften für Männer und Frauen unterschiedlich sei, anzunehmen.
In der Literatur wird diese Rechtsprechung zu einem weiten Verständnis der „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ und des „Zusammenhangs mit einem Arbeitsverhältnis“ gebilligt (Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG, § 3 Rz 137 bzw § 17 Rz 8).
Ungeachtet der Frage nach der Zuordnung einer Rechtsfolge bei geschlechterdiskriminierendem Verhalten (§ 12 GlBG) ist danach auch eine einvernehmliche Auflösung eines Arbeitsverhältnisses nicht schon als solche von der Anwendung des Gleichbehandlungsgebots ausgenommen.
4. Allerdings kann das Verhalten eines Arbeitgebers anlässlich einer einvernehmlichen Beendigung eines Arbeitsverhältnisses nur dann gleichbehandlungswidrig sein, wenn es Ausdruck einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts eines Arbeitnehmers ist. In diesem Sinn führen Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG, § 3 Rz 139 aus, dass auch die einvernehmliche Auflösung eines Arbeitsverhältnisses vom/von der Arbeitgeber(in) geschlechtsdiskriminierend gehandhabt werden kann, wenn sie zB nur Frauen angeboten oder aufgedrängt wird (vgl auch die Urteile des EuGH vom 16. 2. 1982, Rs 19/81 Burton, Slg 1982, 554, und vom 21. 7. 2005, C-207/04 Vergani, Slg 2005, I-7453 [Diskriminierung durch Steuervorteile bei freiwilligem Ausscheiden zum 50. bzw 55. Lebensjahr]).
5. Die Vorgehensweise des Beklagten lässt eine solche Geschlechterdiskriminierung jedoch nicht erkennen, weil er sich sowohl an männliche als auch an weibliche Mitarbeiter wandte und in der Folge auch männliche Mitarbeiter zwischen dem 60. und dem 62. Lebensjahr in Pension gingen. Den Feststellungen ist nicht zu entnehmen, dass der Beklagte seine Einsparungspolitik auf Frauen ausgerichtet hätte oder diese auch nur so beschaffen war, dass sie vorrangig Frauen betroffen hätte. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte im Fall der mangelnden Einigung das Arbeitsverhältnis der Klägerin einseitig beendet hätte (wobei er von der Klägerin selbst auf die Problematik der Sozialwidrigkeit einer Kündigung hingewiesen wurde). Eine geschlechtsspezifische Diskriminierung der Klägerin anlässlich der - lange ausverhandelten - einvernehmlichen Auflösung ihres Dienstverhältnisses ist danach nicht ersichtlich.
6. Damit scheiden auch Erwägungen zu einem im Sinne der Drucktheorie unzulässigen Verzicht der Klägerin auf einen zwingenden Rechtsanspruch aus.
7. Die Klägerin macht schließlich geltend, sie wäre vom Beklagten auf die eindeutige Rechtsprechung des EuGH zum Kündigungsverbot bei Erreichen des Regelpensionsalters hinzuweisen gewesen.
Bei der Frage der Verletzung von Aufklärungspflichten handelt es sich regelmäßig um eine solche des Einzelfalls. Es können keine allgemein gültigen Kriterien aufgestellt werden, welche Informationen ein Arbeitgeber konkret bieten muss, um seiner Fürsorgepflicht nachzukommen (RIS-Justiz RS0017049 [T51]). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, das in diesem Zusammenhang ein irreführendes oder listiges Verhalten des Beklagten verneinte, ist schon deshalb vertretbar, weil die Klägerin über den Betriebsrat eine Beratung der Arbeiterkammer, von Rechtsanwälten und der Gewerkschaft eingeholt und dem Beklagten auch zu erkennen gegeben hatte, beraten gewesen zu sein, sodass dieser nicht auf einen Aufklärungsbedarf der Klägerin schließen musste. Die Frage, inwieweit eine an die Pensionsanspruchsberechtigung anknüpfende - dort kollektivvertraglich begründete - Arbeitgeberkündigung eine Geschlechterdiskriminierung zu begründen vermag, wurde vom EuGH in der Rechtssache Kleist überdies erst nach Abschluss der revisionsgegenständlichen Vereinbarung geklärt.
8. Da angesichts der Entscheidung 9 ObA 124/10s keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO vorliegt, ist die Revision zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO, wobei der Beklagte auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat.
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