Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.413,32 EUR (darin 402,22 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur mehr die Frage, ob der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, für eine Wirksamkeit der Kündigung des Klägers die Kündigungskommission einzuschalten, welche in der zum Inhalt des Einzelvertrags des Klägers gewordenen „freien ORF-Betriebsvereinbarung" („FBV") vorgesehen ist. Soll ein Dienstnehmer, der bereits zehn volle effektive Dienstjahre im Unternehmen verbracht hat, gekündigt werden, ist nach § 16 Z 2 der FBV eine Kündigungskommission einzuberufen. Diese besteht unter dem Vorsitz des Leiters des Personalbüros aus drei Vertretern der Geschäftsführung und drei Vertretern des zuständigen örtlichen Betriebsrats. Die Kündigungskommission wird durch den Vorsitzenden einberufen und hat der Geschäftsführung innerhalb von acht Tagen nach Einberufung ihre Stellungnahme zur beabsichtigten Kündigung mitzuteilen. Die Kündigungskommission fasst ihre Beschlüsse mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen, der Vorsitzende stimmt nicht mit. Die Geschäftsführung ist an die Beschlüsse der Kündigungskommission insofern gebunden, als bei Nichterzielung der Mehrheit für den Ausspruch der Kündigung die beabsichtigte Kündigung zu unterbleiben hat. Selbst bei Ausspruch der Kündigung aufgrund der Zustimmung der Kündigungskommission ist der Betriebsrat im Sinne der Bestimmungen des Arbeitsverfassungsgesetzes neuerlich zu verständigen. § 16 Z 5 lit a FBV sieht vor, dass unter anderem die Bestimmung der Z 2 auf Arbeitgeberkündigungen dann nicht anzuwenden ist, wenn der Kündigungstermin nach Vollendung des 60. Lebensjahres des Dienstnehmers liegt und dieser unmittelbar anschließend einen Anspruch auf Alterspension bzw vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer (§§ 253 und 253b ASVG in der jeweiligen Fassung) geltend machen kann.
Der Kläger ist seit 1. 11. 1970 bei der Beklagten als Angestellter beschäftigt. Mit Schreiben vom 11. 10. 2005, zugestellt am 17. 10. 2005, wurde der Kläger von der Beklagten unter Einhaltung einer einjährigen Kündigungsfrist zum 31. 10. 2006 gekündigt. Der am 4. 10. 1944 geborene Kläger hat am 4. 10. 2005 das 61. Lebensjahr vollendet. Gemäß der Übergangsbestimmung des § 607 Abs 10 ASVG könnte der Kläger frühestens mit 1. 3. 2007 die für ihn noch mögliche vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer (§ 253b ASVG) in Anspruch nehmen. Eine Alterspension nach § 253 ASVG, das heißt nach Vollendung des 65. Lebensjahres, würde erst mit 1. 11. 2009 anfallen. Infolge Vollendung des 62. Lebensjahres und Erfüllung der Voraussetzungen nach § 4 Abs 2 Z 1 und 2 APG hätte der Kläger überdies mit 1. 11. 2006 eine „Korridorpension" in Anspruch nehmen können. Die Kündigung des Klägers zum 31. 10. 2006 durch den Beklagten erfolgte ohne Vorschaltung der Kündigungskommission. Der Kläger begehrte zuletzt die Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis über den 31. 10. 2006 hinaus aufrecht bestehe. Mangels Einschaltung der Kündigungskommission sei seine Kündigung durch den Arbeitgeber nicht wirksam. Die Ausnahmebestimmung des § 16 Z 5 lit a FBV sei auf seine Kündigung nicht anwendbar, da dort ausdrücklich nur die Alterspension bzw die vorzeitige Alterspension nach §§ 253, 253b ASVG genannt seien. Eine „Korridorpension" nach dem APG sei nicht nur nicht erwähnt, sondern überdies anders geartet und einer vorzeitigen Alterspension nicht vergleichbar. Insbesondere müsse der Kläger mit einer Korridorpension Pensionseinbußen - welche trotz entsprechenden Einwands durch den Beklagten nicht näher konkretisiert wurden - in Kauf nehmen.
Der Beklagte wendete ein, dass schon die Wirksamkeit der Vereinbarung einer Kündigungskommission durch die FBV in Frage zu ziehen sei, weil damit entgegen der zwingenden Betriebsverfassung Belegschaftsrechte (Teilnahme des Betriebsrats an der Kündigungskommission) unzulässig erweitert würden. Sei dies schon Kollektiv- oder Betriebsparteien verwehrt, gelte dies um so mehr für eine Individualvereinbarung. Darüber hinaus sei die Kündigungskommission aber in keinem Fall anzurufen gewesen, weil der Kläger bereits in den Anwendungsbereich des § 4 Abs 2 APG falle und daher die Möglichkeit gehabt hätte, die Alterspension bei Vollendung des 62. Lebensjahres in Anspruch zu nehmen. § 16 Z 5 lit a der FBV sei so auszulegen, dass die Parteien damit auf die Möglichkeit zur Inanspruchnahme einer gesetzlichen Alterspension abgestellt haben, weil dann das Auskommen des (gekündigten) Arbeitnehmers jedenfalls gesichert sei. Auch die „Korridorpension" nach § 4 Abs 2 APG sei eine Alterspension und wäre daher, hätten die Parteien dies bedacht, jedenfalls auch als Grund zur Ausnahme von der Anrufung der Kündigungskommission in die entsprechende Bestimmung aufgenommen worden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass die Vereinbarung einer Kündigungskommission in der festgestellten Konstellation wirksam möglich gewesen, dass aber § 16 Z 5 lit a der FBV so auszulegen sei, dass damit nicht nur die Möglichkeit des Bezugs einer vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer gemeint sei, sondern auch die später eingeführte „Korridorpension".
Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts. Es ließ die Frage, ob die Kündigungskommission in der vorliegenden Form wirksam zustandekommen konnte, ausdrücklich offen, weil diese jedenfalls nicht anzurufen gewesen wäre. Die Aufzählung der §§ 253 und 253b ASVG als Klammerausdruck zu den beiden genannten Pensionsleistungen diene nur der Verdeutlichung. Sinn dieser Bestimmung sei es aber, den besonderen Kündigungsschutz dann einzuschränken, wenn der Arbeitnehmer das 60. Lebensjahr vollendet und Anspruch auf eine gesetzliche Alterspension habe. Wäre den Parteien die erst später eingeführte Möglichkeit einer „Korridorpension" nach dem APG bewusst gewesen, hätten sie diese insoweit berücksichtigt, als auch dann der frühestmögliche Zeitpunkt des Anfalls einer solchen Pension als Anspruch auf gesetzliche Alterspension und somit als Ausnahme von der Anrufung der Kündigungskommission gegolten hätte.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil der Auslegung dieser auch in andere Einzelverträge eingeflossenen Bestimmung der freien Betriebsvereinbarung über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers aus dem Grunde der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig; sie ist aber nicht berechtigt. Im Wesentlichen kann auf die zutreffende Begründung der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO). Lediglich ergänzend ist den Ausführungen der Revision entgegenzuhalten:
Richtig ist zwar, dass der Kläger noch unter die Übergangsbestimmung des § 607 Abs 10 ASVG fällt und demnach noch in den Genuss einer vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer kommen könnte und der frühestmögliche Zeitpunkt einer Inanspruchnahme der vorzeitigen Alterspension vier Monate nach dem frühestmöglichen Zeitpunkt einer „Korridorpension" nach § 4 Abs 2 APG gelegen ist, deren Inanspruchnahme dem Kläger ebenfalls möglich gewesen wäre. Soweit der Kläger in seiner Revision Unterschiede zwischen der Korridorpension und der vorzeitigen Alterspension aufzuzeigen versucht, vermögen diese letztlich seinem Standpunkt nicht dienlich zu sein. Entgegen seiner Auffassung ist in der Anführung der Bestimmungen der §§ 253 und 253b ASVG durch die freie Betriebsvereinbarung keine abschließende Regelung zu erkennen. Wie schon vom Berufungsgericht zutreffend ausgeführt, stellt die Bestimmung des § 16 Z 5 lit a FBV einerseits auf ein bestimmtes Mindestalter, andererseits darauf ab, dass der zu kündigende Arbeitnehmer eine anderweitige Absicherung durch eine gesetzliche vorzeitige oder reguläre Alterspension in Anspruch nehmen kann. Auch die mittlerweile eingeführte Regelung der Korridorpension nach § 4 Abs 2 APG ist eindeutig eine gesetzliche „Alterspension". Sowohl vernünftigen Betriebspartnern als auch Arbeitsvertragspartnern ist daher zu unterstellen, dass sie bei Kenntnis einer weiteren Alterspensionsart wie der in § 4 Abs 2 APG geregelten auch diese in die Ausnahmeregelung aufgenommen hätten, weil auch dann der Zweck einer gesetzlichen Pensionssicherung erfüllt ist. Die ausschließliche Berücksichtigung der in Klammer angeführten Gesetzesstellen bei der Auslegung der strittigen Bestimmung widerspräche den von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Auslegungsgrundsätzen, wie bereits das Berufungsgericht zutreffend begründet hat.
Soweit der Kläger letztlich auch geltend macht, dass aus der Feststellung der Pensionsdifferenzen zwischen Korridorpension und vorzeitiger Alterspension erkennbar gewesen wäre, dass aufgrund der Schlechterstellung eine ausdehnende Interpretation unzulässig wäre, ist ihm neben den zutreffenden Erwägungen des Berufungsgerichts schon Folgendes entgegenzuhalten:
Trotz Einwendung durch die Beklagte, dass die Pensionsverluste nicht gravierend seien, erstattete der Kläger kein konkretes Vorbringen, anhand dessen sich seine Behauptungen auch nur annähernd hätten verifizieren lassen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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