OGH 9ObA5/93

OGH9ObA5/9327.1.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Mag.Albert Mayer und Helmut Moyescick in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Hannelore F*****, Angestellte, ***** vertreten durch *****, Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei Kurt *****Sch*****, Wirtschaftstreuhänder, ***** vertreten durch *****, Rechtsanwältin *****, wegen S 99.424,83 brutto sA (Streitwert im Revisionsverfahren S 93.939,13 brutto sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11.September 1992, GZ 32 Ra 93/92-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 5.November 1991, GZ 4 Cga 1509/90-14, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 5.094 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 849 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt schon deshalb nicht vor, weil der gerügte Verfahrensverstoß für die Sachentscheidung nicht relevant ist (Fasching2 ZPR Rz 1765). Das Berufungsgericht hat die Beweisrüge der Beklagten erledigt und hiebei auch kurz begründet, warum es die von der Beklagten gewünschte Feststellung nicht getroffen hat. Die gerügte Aktenwidrigkeit ist nicht gegeben. Die Feststellung, daß die Klägerin anläßlich des Seminars am 16.1.1990 nicht über die Firma B***** sprach, ist mit den weiteren Feststellungen, daß auch über firmeninterne Sachen nicht gesprochen wurde und daß die Klägerin nur gefragt wurde, ob es sich um jene Firma Sch***** handelt, die für die Firma B***** tätig ist, was die Klägerin bejaht hat, durchaus zu vereinbaren und dahin zu verstehen, daß die Klägerin dieses Unternehmen aus eigenem nicht erwähnt hat.

Da die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Urteils zutrifft, genügt es auf ihre Richtigkeit hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers noch folgendes entgegenzuhalten:

Dem Revisionswerber ist zwar zuzugeben, daß im Urteil des Berufungsgerichtes nicht ausdrücklich jene Feststellungen angeführt sind, die es übernommen hat; aus dem Hinweis des Berufungsgerichtes auf die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen und aus der Erledigung der Beweisrüge ist aber erkennbar, daß es von den Feststellungen der ersten Instanz ausgegangen ist und insbesondere zugrundegelegt hat, daß die Klägerin die Frage der Margarete M*****, "ob das jene Firma Sch***** ist, die für die Firma B***** arbeitet", bejaht hat.

Gemäß § 27 Abs 1 WTBO ist der Wirtschaftstreuhänder zur Verschwiegenheit über die ihm anvertrauten Angelegenheiten verpflichtet. Hiebei ist ohne Bedeutung, ob die Kenntnis dieser Umstände und Tatsachen auch anderen Personen zugänglich ist oder nicht. Diese Verpflichtung gilt gemäß gemäß § 27 Abs 5 leg cit sinngemäß auch für die Erfüllungsgehilfen der Wirtschaftstreuhänder. Der weit auszulegenden Verschwiegenheitspflicht unterliegt alles, was dem Wirtschaftstreuhänder bei seiner beruflichen Tätigkeit anvertraut oder bekannt wurde und umfaßt auch persönliche Tatsachen und Umstände der Klienten, die nach deren erkennbaren Willen nicht geoffenbart werden sollten, weil ein schutzwürdiges Interesse an ihrer Geheimhaltung besteht (Bertl-Mandl-Mandl, Handbuch für Wirtschaftstreuhänder 37; Arnold in Ruppe: Geheimnisschutz im Wirtschaftsleben 229 ff; Mayer-Maly/Marhold, Arbeitsrecht I 111; Krejci in ÖZW 1975, 2).

Die Verschwiegenheitspflicht der Klägerin erstreckte sich sohin auch auf das Bestehen eines Vertragsverhältnisses zwischen ihrem Dienstgeber und einem bestimmten Klienten, weil es sich dabei um eine dienstlich bekanntgewordene Tatsache handelte.

Eine Entlassung wegen Verletzung der dienstlichen Treuepflicht kann aber immer nur dann ausgesprochen werden, wenn der Angestellte durch sein Verhalten - gemessen an der Bedeutung der bekanntgegebenen Tatsache - erheblich gegen wirtschaftliche Interessen des Dienstgebers verstoßen hat und dadurch die Interessen und Belange des Arbeitgebers gefährdet. Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an (Martinek-M. und W.Schwarz, AngG7, 609 mit Judikaturhinweisen).

Berücksichtigt man, daß die Klägerin lediglich das Mandatsverhältnis des Beklagten als Wirtschafts- bzw Unternehmensberater eines bestimmten Klienten gesprächsweise auf eine diesbezügliche konkrete Frage einer Außenstehenden bestätigt hat, ohne aus eigenem darüber Angaben zu machen, so läßt sich aus diesem Verhalten vom Standpunkt vernünftigen dienstlichen und geschäftlichen Ermessens noch nicht die objektiv gerechtfertigte Befürchtung ableiten, daß die Interessen und Belange des Arbeitgebers durch den Angestellten so gefährdet sind, daß die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses selbst während der Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden könne (Martinek-M. und W.Schwarz aaO 609; DRdA 1991, 446; Arb 10.636 uva).

Die einmalige in einem Gespräch durch Bejahen der Frage einer Berufskollegin begangene Indiskretion läßt keine Absicht einer illoyalen eigennützigen Haltung der Klägerin erkennen. Ihr Verhalten bildete zwar eine Unbesonnenheit und Gedankenlosigkeit, die wohl eine gewisse Vertrauenseinbuße, nicht jedoch eine Entlassung rechtfertigte, weil es sich um eine einmalige Fehlleistung handelte (Petrovic, Die Vertrauensunwürdigkeit als Entlassungsgrund nach § 27 Abs 1 letzter Satz AngG, ZAS 1983, 49 ff [53 f]; Arb 7687; 9 Ob A 64/91).

An der Zumutbarkeit der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses zumindest für die Dauer der Kündigungsfrist können unter den gegebenen Umständen auch allfällige Schwierigkeiten des Beklagten mit dem Klienten, eine allfällige negative Auslegung der Bedeutung des Begriffes "Unternehmensberater" sowie der Umstand, daß eine absolute Verschwiegenheitspflicht verletzt wurde, nichts ändern.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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