OGH 9ObA51/92 (9ObA52/92)

OGH9ObA51/92 (9ObA52/92)8.4.1992

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Friedrich Stefan und Winfried Kmenta als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei M.***** Gesellschaft mbH, p.A. J***** S*****, vertreten durch *****, Rechtsanwalt *****, wider die beklagte und widerklagende Partei O***** M*****, Provisionsvertreter, ***** wegen 54.128,33 S netto sA sowie 114.648,41 S brutto sA und 35.291,65 S netto sA, infolge Rekurses der klagenden und widerbeklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19.November 1991, GZ 12 Ra 97, 98/91-24, womit infolge Berufung der beklagten und widerklagenden Partei das Zwischenurteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 19.März 1991, GZ 19 Cga 194/89-18, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Beklagte und Widerkläger - im folgenden: Beklagter - war seit September 1988 bei der klagenden und widerbeklagten Partei - im folgenden: klagende Partei - beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Entlassung.

Die klagende Partei begehrt zu 19 Cga 194/89 des Erstgerichtes vom Beklagten die Rückzahlung eines Betrages von 54.128,33 S sA. Dieser Betrag sei wegen eines der klagenden Partei bei Ausstellung eines Schecks unterlaufenen Irrtums - als Währung seien statt Schilling DM eingesetzt worden - zugeflossen. Da sich der Beklagte geweigert habe, den zuviel gezahlten Betrag zurückzuzahlen, sei er entlassen worden. Mit dem Beklagten sei ein Monatsgehalt von 16.000 S brutto zuzüglich Spesenersatz vereinbart worden.

Der Beklagte begehrt zu 19 Cga 264/89 des Erstgerichtes von der klagenden Partei an restlichem Entgelt, Kündigungsentschädigung und Urlaubsentschädigung 35.291,65 S netto und 114.648,41 S brutto sA. Für den Zeitraum ab 1.November 1988 sei ein Monatsgehalt von 16.000 S brutto (14 x jährlich) zuzüglich 10.000 S netto (12 x jährlich) vereinbart worden. Da die klagende Partei diese Entgeltvereinbarung nicht eingehalten habe, habe der Beklagte den von der klagenden Partei mit dem gegenständlichen Scheck irrtümlich zuviel gezahlten Betrag einbehalten. Die Entlassung sei daher ungerechtfertigt.

Die klagende Partei begehrte mit Zwischenantrag die Feststellung, daß der Lohnanspruch des Beklagten gegen die klagende Partei im Zeitraum November 1988 bis Juli 1989 nur 16.000 S brutto Basislohn zuzüglich Spesenersatz beatragen habe, nicht aber auch weitere 10.000 S netto monatlich, 12 x jährlich, vereinbart gewesen seien.

Der Beklagte bestritt dieses Begehren.

Das Erstgericht gab dem Feststellungsantrag mit Zwischenurteil statt.

Über Berufung des Beklagten hob das Berufungsgericht das Zwischenurteil auf, wies den Feststellungsantrag der klagenden Partei zurück und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auf. Ferner sprach es aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, 50.000 S übersteige. Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß der Feststellungsantrag auf die Lösung der Tatfrage abziele, welche Gehaltsvereinbarung die Parteien getroffen hätten. Eine Tatfrage sei aber nicht zulässiger Gegenstand eines Zwischenantrages auf Feststellung. Weiters fehle es dem vorliegenden Zwischenantrag an einer über den konkreten Rechtsstreit hinausgehenden Wirkung; auch deswegen sei der Antrag unzulässig.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

Nicht nur das Bestehen eines Dauerschuldverhältnisses, sondern auch einzelne strittige Rechtsbeziehungen aus einem solchen Dauerschuldverhältnis, wie etwa die Höhe des zu leistenden Entgelts aus dem Arbeitsverhältnis, sind ein tauglicher Gegenstand eines Feststellungsbegehrens und daher auch eines Zwischenantrages auf Feststellung nach § 236 Abs 1 ZPO (siehe JBl 1960, 455; SZ 35/2; JBl 1963, 543; SZ 44/62 = Arb 8869 sowie 9 Ob A 205/91). Dies gilt auch dann, wenn das Dauerschuldverhältnis bereits beendet ist (SZ 35/2; SZ 46/62 sowie EvBl 1972/9). Bezüglich des auf eine negative Feststellung abzielenden Teiles des Zwischenantrages ist allerdings zu bemerken, daß tauglicher Gegenstand eines Feststellungsbegehrens nur Rechte sind - etwa, daß dem Beklagten ein weiterer (behaupteter) Entgeltanspruch aus dem Arbeitsverhältnis nicht zusteht - nicht aber die negative Tatsachenfeststellung, daß eine weitere Entlohnung nicht vereinbart wurde. Dem Feststellungsantrag bzw der Entscheidung darüber wäre daher in diesem Punkt eine entsprechende Fassung zu geben (siehe SZ 57/1; zuletzt 9 Ob A 173/88 und 4 Ob 519/91).

Selbst wenn man nicht Fasching Kommentar ZPO III 128 und EvBl 1956/364 folgte und den Zwischenfeststellungsantrag im Hinblick auf die Möglichkeit der Geltendmachung eines entsprechenden Leistungsbegehrens durch Klagsausdehnung oder gesonderte Klage ebenso wie die rechtsähnliche Feststellungsklage nur als subsidiäres Rechtsschutzbegehren gegenüber der eine weitergehende Bereinigungswirkung erzielenden Leistungsklage ansähe, wäre ein rechtliches Interesse der klagenden Partei an der alsbaldigen Feststellung des strittigen Entgeltanspruches zu bejahen. Einer Partei kann das rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtes nur dann abgesprochen werden, wenn sie sämtliche Ansprüche mit Leistungsklage geltend machen könnte. Im vorliegenden Fall leitet aber nicht nur die klagende Partei Leistungsansprüche aus dem Nichtbestehen des strittigen Entgeltanspruches ab; auch der Beklagte erhebt ein - unter anderem - auf das Bestehen dieses Entgeltanspruches gestütztes Leistungsbegehren. Zu einer vollständigen Bereinigung des zwischen den Streitteilen strittigen Rechtsverhältnisses reichen daher die der klagenden Partei zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Leistungsklage nicht aus. Die dem Prozeßgegner offenstehende Möglichkeit, mit Leistungsklage das strittige Rechtsverhältnis vollständig zu bereinigen, kann aber nicht zur Verneinung des Feststellungsinteresses der anderen Partei führen (siehe auch Fasching ZPR2 Rz 1098, wonach Rechtsberühmung oder drohende Ausübung des vom Kläger verneinten Rechtes durch den Gegner ein Feststellungsinteresse begründet). Auch der Umstand, daß der Beklagte seine Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gleichfalls mit Klage geltend gemacht hat und beide Verfahren verbunden wurden, nimmt der klagenden Partei schon im Hinblick auf die gemäß § 192 Abs 1 ZPO jederzeit mögliche Aufhebung dieser Verbindung nicht das Feststellungsinteresse, da im Falle getrennter Entscheidung über die beiden Leistungsklagen die lediglich in den Entscheidungsgründen vorgenommene Beurteilung des strittigen Rechtsverhältnisses keine über den konkreten Rechtsstreit hinausgehende Bindung bewirkt (siehe Fasching ZPR2 Rz 1079) und daher in der Entscheidung über die andere Klage das Rechtsverhältnis abweichend beurteilt werden könnte.

In diesem Zusammenhang ist allerdings darauf hinzuweisen, daß der Beklagte der Entlassung nicht nur den Einwand entgegengesetzt hat, auf Grund der strittigen Entgeltvereinbarung seien ihm den Scheckerlös übersteigende Entgeltansprüche zugestanden, sodaß mit der Entscheidung über das Feststellungsbegehren allein die Frage der Berechtigung der Entlassung noch nicht endgültig geklärt ist. Vom Bestehen des strittigen Entgeltanspruches ist hingegen der mit der Widerklage geltend gemachte restliche Entgeltbetrag von 5.291,65 S netto abhängig; darüber hinaus ist der strittige Entgeltanspruch - sollte die Entlassung unberechtigt sein - für die Höhe der entlassungsabhängigen Ansprüche präjudiziell.

Der Zwischenfeststellungsantrag des Klägers ist daher entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes zulässig.

Da sich das Berufungsgericht, ausgehend von einer vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsauffassung, nicht mit der entscheidungswesentliche Feststellungen betreffenden Verfahrens- und Beweisrüge der Berufung auseinandergesetzt hat, war dem Rekurs der klagenden Partei im Sinne des Aufhebungsantrages stattzugeben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung (nach allfälliger ergänzender Verhandlung) an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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